Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte


Wenn auch Wolf gleich sagen möchte:
Wisse menschliches Geschlechte,
Daß nur ich dein Lehrer bin;
Spricht das menschliche Geschlechte
Doch zur Pamela mit Rechte:
Du bist unsre Lehrerinn!
M.


Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit,
Mit einem würdgem Glied aus unsrer Geistlichkeit,
Und rühmte Pamela so sehr, daß ich auch klagte,
Daß man von dieser Schrift nichts auf dem Lehrstuhl
sagte.

Er lachte mit Bescheidenheit,
Und sprach: wär auch dieß Buch noch einst so schön,
So könnte dieses nicht geschehn,
Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn,
daß ers lesen möchte,

Damit ich nicht von ihm gedächte:
Sie sprechen schlecht:
Es sey nicht recht,
Und habens nicht gelesen.
Darauf versprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht,
Sprach er: ich hätt' es nicht gedacht.
Jch hab, in Lesung dieser Schrift, so viel Vergnüglich-
keit genossen;

Mich deucht: es sey die Gnade selbst von diesem Buch
nicht ausgeschlossen.
Jch
Vermiſchte Gedichte


Wenn auch Wolf gleich ſagen moͤchte:
Wiſſe menſchliches Geſchlechte,
Daß nur ich dein Lehrer bin;
Spricht das menſchliche Geſchlechte
Doch zur Pamela mit Rechte:
Du biſt unſre Lehrerinn!
M.


Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit,
Mit einem wuͤrdgem Glied aus unſrer Geiſtlichkeit,
Und ruͤhmte Pamela ſo ſehr, daß ich auch klagte,
Daß man von dieſer Schrift nichts auf dem Lehrſtuhl
ſagte.

Er lachte mit Beſcheidenheit,
Und ſprach: waͤr auch dieß Buch noch einſt ſo ſchoͤn,
So koͤnnte dieſes nicht geſchehn,
Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn,
daß ers leſen moͤchte,

Damit ich nicht von ihm gedaͤchte:
Sie ſprechen ſchlecht:
Es ſey nicht recht,
Und habens nicht geleſen.
Darauf verſprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht,
Sprach er: ich haͤtt’ es nicht gedacht.
Jch hab, in Leſung dieſer Schrift, ſo viel Vergnuͤglich-
keit genoſſen;

Mich deucht: es ſey die Gnade ſelbſt von dieſem Buch
nicht ausgeſchloſſen.
Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0576" n="556"/>
            <fw place="top" type="header">Vermi&#x017F;chte Gedichte</fw><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>enn auch Wolf gleich &#x017F;agen mo&#x0364;chte:</l><lb/>
              <l>Wi&#x017F;&#x017F;e men&#x017F;chliches Ge&#x017F;chlechte,</l><lb/>
              <l>Daß nur ich dein Lehrer bin;</l><lb/>
              <l>Spricht das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlechte</l><lb/>
              <l>Doch zur Pamela mit Rechte:</l><lb/>
              <l>Du bi&#x017F;t un&#x017F;re Lehrerinn!</l>
            </lg><lb/>
            <closer>
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">M.</hi> </hi> </salute>
            </closer>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit,</l><lb/>
              <l>Mit einem wu&#x0364;rdgem Glied aus un&#x017F;rer Gei&#x017F;tlichkeit,</l><lb/>
              <l>Und ru&#x0364;hmte Pamela &#x017F;o &#x017F;ehr, daß ich auch klagte,</l><lb/>
              <l>Daß man von die&#x017F;er Schrift nichts auf dem Lehr&#x017F;tuhl<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;agte.</hi></l><lb/>
              <l>Er lachte mit Be&#x017F;cheidenheit,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;prach: wa&#x0364;r auch dieß Buch noch ein&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
              <l>So ko&#x0364;nnte die&#x017F;es nicht ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
              <l>Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn,<lb/><hi rendition="#et">daß ers le&#x017F;en mo&#x0364;chte,</hi></l><lb/>
              <l>Damit ich nicht von ihm geda&#x0364;chte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l> <hi rendition="#et">Sie &#x017F;prechen &#x017F;chlecht:</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Es &#x017F;ey nicht recht,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Und habens nicht gele&#x017F;en.</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Darauf ver&#x017F;prach ers mir. Wie er mirs wiederbracht,</l><lb/>
              <l>Sprach er: ich ha&#x0364;tt&#x2019; es nicht gedacht.</l><lb/>
              <l>Jch hab, in Le&#x017F;ung die&#x017F;er Schrift, &#x017F;o viel Vergnu&#x0364;glich-<lb/><hi rendition="#et">keit geno&#x017F;&#x017F;en;</hi></l><lb/>
              <l>Mich deucht: es &#x017F;ey die Gnade &#x017F;elb&#x017F;t von die&#x017F;em Buch<lb/><hi rendition="#et">nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0576] Vermiſchte Gedichte Wenn auch Wolf gleich ſagen moͤchte: Wiſſe menſchliches Geſchlechte, Daß nur ich dein Lehrer bin; Spricht das menſchliche Geſchlechte Doch zur Pamela mit Rechte: Du biſt unſre Lehrerinn! M. Jch unterhielte mich, vor nicht gar langer Zeit, Mit einem wuͤrdgem Glied aus unſrer Geiſtlichkeit, Und ruͤhmte Pamela ſo ſehr, daß ich auch klagte, Daß man von dieſer Schrift nichts auf dem Lehrſtuhl ſagte. Er lachte mit Beſcheidenheit, Und ſprach: waͤr auch dieß Buch noch einſt ſo ſchoͤn, So koͤnnte dieſes nicht geſchehn, Weil von der Gnade nichts darinn. Jch bat ihn, daß ers leſen moͤchte, Damit ich nicht von ihm gedaͤchte: Sie ſprechen ſchlecht: Es ſey nicht recht, Und habens nicht geleſen. Darauf verſprach ers mir. Wie er mirs wiederbracht, Sprach er: ich haͤtt’ es nicht gedacht. Jch hab, in Leſung dieſer Schrift, ſo viel Vergnuͤglich- keit genoſſen; Mich deucht: es ſey die Gnade ſelbſt von dieſem Buch nicht ausgeſchloſſen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/576
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/576>, abgerufen am 29.03.2024.