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Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 1. 6. Aufl. Leipzig, 1913.

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aller Art autodidaktisch vorgebildet,
besuchte er die Universitäten Göttin-
gen, München u. Berlin und verlegte
[s]ich, ohne einen bestimmten fachwis-
[s]enschaftlichen Zweck, neben Philo-
[s]ophie u. Geschichte hauptsächlich auf
[n]euere Sprachen, wofür er eine sel-
[t]ene Begabung in sich trug. Jm Jahre
[1]840 wurde B. Erzieher im Hause des
Fürsten Galitzin in Moskau, welche
Stellung ihn drei Jahre festhielt und
[i]hm Gelegenheit bot, viel mit der
[g]roßen Welt zu verkehren, das Jn-
[n]ere Rußlands kennen zu lernen und
[d]ie slawischen Sitten und Sprachen
[z]u studieren. Einer Einladung des
Generals Neithard, Statthalters der
[k]aukasischen Provinz, folgend, ging
[B]. 1844 von Moskau nach Tiflis, um
[d]aselbst die Leitung eines pädagogi-
[s]chen Jnstituts u. später den Unter-
[r]icht in der lateinischen u. französischen
Sprache am dortigen Gymnasium zu
[ü]bernehmen. Hier entwarf er den
Plan zu seinem ethnographisch-ge-
[s]chichtlichen Werke "Die Völker des
[K]aukasus", das in großen Zügen ein
[a]nschauliches Bild der Länder und
Völker der kaukasischen Berge geben
[s]ollte. Wesentlich unterstützt wurde
[e]r in diesen Studien und Arbeiten
[d]urch seinen Freund Mirza Schaffy,
[L]ehrer der orientalischen Sprachen
[a]n der muselmännischen Schule in
Tiflis. B. hat den Namen dieses
[M]annes unsterblich gemacht durch
[s]eine "Lieder des Mirza Schaffy", die
[l]ange Zeit nur für Übersetzungen kau-
[k]asischer Lieder galten, aber dennoch
[B].s eigene Schöpfungen sind. Seine
Stellung in Tiflis gab er bereits 1845
[w]ieder auf, da er nicht russischer Un-
[t]ertan werden wollte, und kehrte, mit
[d]en seltensten Anschauungen u. Erfah-
[r]ungen bereichert, über das Schwarze
[M]eer, die Krim, Kleinasien, die Tür-
[k]ei u. die Jonischen Jnseln im Winter
[1]846/47 nach Deutschland zurück. Er
[l]ieß sich zunächst in München nieder,
[w]o ihn Friedrich List zu national-
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ökonomischen Studien anregte, ver-
brachte den Winter 1847 in Jtalien,
sich mit Kunststudien beschäftigend,
redigierte vom Mai 1848 bis zur Ok-
toberrevolution in Triest den "Öster-
reichischen Lloyd" u. ging dann nach
Berlin, von wo aus er 1849 als Ver-
treter der preußischen Freihandels-
partei nach Paris und 1850 auf den
Friedenskongreß nach Frankfurt a. M.
gesendet wurde, um hier für die Jn-
teressen der nordalbingischen Herzog-
tümer das Wort zu ergreifen. Gegen
Ende 1850 übernahm er in Bremen
die Redaktion der "Weserzeitung";
vom Mai 1852-53 lebte er in Kassel
in der Nähe seiner Schwiegereltern;
von da begab er sich nach Friedrichs-
roda in Thüringen und siedelte im
Winter nach Gotha über, um in der
Nähe des Herzogs von Koburg-Gotha
zu sein, dessen persönliche Bekannt-
schaft er in Reinhardsbrunn gemacht
hatte. Nicht lange weilte er in Gotha.
Der König Maximilian II. v. Bayern
berief ihn unter Zusicherung einer
Jahresrente nach München und er-
nannte ihn bald nach seiner Ankunft
(April 1854) zum Professor der sla-
wischen Sprachen u. Literatur an der
dortigen Universität. Jm Jahre 1859
begab sich B. auf mehrere Monate
nach London, um im dortigen Mu-
seum weitere Studien für sein Werk
"Shakespeares Zeitgenossen" zu ma-
chen, und folgte 1867 einem Rufe des
Herzogs von Meiningen, um in des-
sen Residenz die Leitung des Hofthea-
ters u. der Hofkapelle zu übernehmen;
gleichzeitig erhob ihn der Herzog in
den Adelstand. Ende 1869 wurde B.
auf seinen Antrag der Jntendanz des
Theaters enthoben u. zur Disposition
gestellt; doch fuhr er auf den Wunsch
des Herzogs noch einige Jahre fort,
seinen geistigen Einfluß auf die Bühne
zu üben, bis er Ende 1873 gänzlich
aus seiner Stellung schied. Er lebte
in der Folge zurückgezogen in dem
Schloß der verwitweten Etatsrat

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aller Art autodidaktiſch vorgebildet,
beſuchte er die Univerſitäten Göttin-
gen, München u. Berlin und verlegte
[ſ]ich, ohne einen beſtimmten fachwiſ-
[ſ]enſchaftlichen Zweck, neben Philo-
[ſ]ophie u. Geſchichte hauptſächlich auf
[n]euere Sprachen, wofür er eine ſel-
[t]ene Begabung in ſich trug. Jm Jahre
[1]840 wurde B. Erzieher im Hauſe des
Fürſten Galitzin in Moskau, welche
Stellung ihn drei Jahre feſthielt und
[i]hm Gelegenheit bot, viel mit der
[g]roßen Welt zu verkehren, das Jn-
[n]ere Rußlands kennen zu lernen und
[d]ie ſlawiſchen Sitten und Sprachen
[z]u ſtudieren. Einer Einladung des
Generals Neithard, Statthalters der
[k]aukaſiſchen Provinz, folgend, ging
[B]. 1844 von Moskau nach Tiflis, um
[d]aſelbſt die Leitung eines pädagogi-
[ſ]chen Jnſtituts u. ſpäter den Unter-
[r]icht in der lateiniſchen u. franzöſiſchen
Sprache am dortigen Gymnaſium zu
[ü]bernehmen. Hier entwarf er den
Plan zu ſeinem ethnographiſch-ge-
[ſ]chichtlichen Werke „Die Völker des
[K]aukaſus“, das in großen Zügen ein
[a]nſchauliches Bild der Länder und
Völker der kaukaſiſchen Berge geben
[ſ]ollte. Weſentlich unterſtützt wurde
[e]r in dieſen Studien und Arbeiten
[d]urch ſeinen Freund Mirza Schaffy,
[L]ehrer der orientaliſchen Sprachen
[a]n der muſelmänniſchen Schule in
Tiflis. B. hat den Namen dieſes
[M]annes unſterblich gemacht durch
[ſ]eine „Lieder des Mirza Schaffy“, die
[l]ange Zeit nur für Überſetzungen kau-
[k]aſiſcher Lieder galten, aber dennoch
[B].s eigene Schöpfungen ſind. Seine
Stellung in Tiflis gab er bereits 1845
[w]ieder auf, da er nicht ruſſiſcher Un-
[t]ertan werden wollte, und kehrte, mit
[d]en ſeltenſten Anſchauungen u. Erfah-
[r]ungen bereichert, über das Schwarze
[M]eer, die Krim, Kleinaſien, die Tür-
[k]ei u. die Joniſchen Jnſeln im Winter
[1]846/47 nach Deutſchland zurück. Er
[l]ieß ſich zunächſt in München nieder,
[w]o ihn Friedrich Liſt zu national-
[Spaltenumbruch]
Bod
ökonomiſchen Studien anregte, ver-
brachte den Winter 1847 in Jtalien,
ſich mit Kunſtſtudien beſchäftigend,
redigierte vom Mai 1848 bis zur Ok-
toberrevolution in Trieſt den „Öſter-
reichiſchen Lloyd“ u. ging dann nach
Berlin, von wo aus er 1849 als Ver-
treter der preußiſchen Freihandels-
partei nach Paris und 1850 auf den
Friedenskongreß nach Frankfurt a. M.
geſendet wurde, um hier für die Jn-
tereſſen der nordalbingiſchen Herzog-
tümer das Wort zu ergreifen. Gegen
Ende 1850 übernahm er in Bremen
die Redaktion der „Weſerzeitung“;
vom Mai 1852–53 lebte er in Kaſſel
in der Nähe ſeiner Schwiegereltern;
von da begab er ſich nach Friedrichs-
roda in Thüringen und ſiedelte im
Winter nach Gotha über, um in der
Nähe des Herzogs von Koburg-Gotha
zu ſein, deſſen perſönliche Bekannt-
ſchaft er in Reinhardsbrunn gemacht
hatte. Nicht lange weilte er in Gotha.
Der König Maximilian II. v. Bayern
berief ihn unter Zuſicherung einer
Jahresrente nach München und er-
nannte ihn bald nach ſeiner Ankunft
(April 1854) zum Profeſſor der ſla-
wiſchen Sprachen u. Literatur an der
dortigen Univerſität. Jm Jahre 1859
begab ſich B. auf mehrere Monate
nach London, um im dortigen Mu-
ſeum weitere Studien für ſein Werk
„Shakeſpeares Zeitgenoſſen“ zu ma-
chen, und folgte 1867 einem Rufe des
Herzogs von Meiningen, um in deſ-
ſen Reſidenz die Leitung des Hofthea-
ters u. der Hofkapelle zu übernehmen;
gleichzeitig erhob ihn der Herzog in
den Adelſtand. Ende 1869 wurde B.
auf ſeinen Antrag der Jntendanz des
Theaters enthoben u. zur Dispoſition
geſtellt; doch fuhr er auf den Wunſch
des Herzogs noch einige Jahre fort,
ſeinen geiſtigen Einfluß auf die Bühne
zu üben, bis er Ende 1873 gänzlich
aus ſeiner Stellung ſchied. Er lebte
in der Folge zurückgezogen in dem
Schloß der verwitweten Etatsrat

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[277/0281] Bod Bod aller Art autodidaktiſch vorgebildet, beſuchte er die Univerſitäten Göttin- gen, München u. Berlin und verlegte ſich, ohne einen beſtimmten fachwiſ- ſenſchaftlichen Zweck, neben Philo- ſophie u. Geſchichte hauptſächlich auf neuere Sprachen, wofür er eine ſel- tene Begabung in ſich trug. Jm Jahre 1840 wurde B. Erzieher im Hauſe des Fürſten Galitzin in Moskau, welche Stellung ihn drei Jahre feſthielt und ihm Gelegenheit bot, viel mit der großen Welt zu verkehren, das Jn- nere Rußlands kennen zu lernen und die ſlawiſchen Sitten und Sprachen zu ſtudieren. Einer Einladung des Generals Neithard, Statthalters der kaukaſiſchen Provinz, folgend, ging B. 1844 von Moskau nach Tiflis, um daſelbſt die Leitung eines pädagogi- ſchen Jnſtituts u. ſpäter den Unter- richt in der lateiniſchen u. franzöſiſchen Sprache am dortigen Gymnaſium zu übernehmen. Hier entwarf er den Plan zu ſeinem ethnographiſch-ge- ſchichtlichen Werke „Die Völker des Kaukaſus“, das in großen Zügen ein anſchauliches Bild der Länder und Völker der kaukaſiſchen Berge geben ſollte. Weſentlich unterſtützt wurde er in dieſen Studien und Arbeiten durch ſeinen Freund Mirza Schaffy, Lehrer der orientaliſchen Sprachen an der muſelmänniſchen Schule in Tiflis. B. hat den Namen dieſes Mannes unſterblich gemacht durch ſeine „Lieder des Mirza Schaffy“, die lange Zeit nur für Überſetzungen kau- kaſiſcher Lieder galten, aber dennoch B.s eigene Schöpfungen ſind. Seine Stellung in Tiflis gab er bereits 1845 wieder auf, da er nicht ruſſiſcher Un- tertan werden wollte, und kehrte, mit den ſeltenſten Anſchauungen u. Erfah- rungen bereichert, über das Schwarze Meer, die Krim, Kleinaſien, die Tür- kei u. die Joniſchen Jnſeln im Winter 1846/47 nach Deutſchland zurück. Er ließ ſich zunächſt in München nieder, wo ihn Friedrich Liſt zu national- ökonomiſchen Studien anregte, ver- brachte den Winter 1847 in Jtalien, ſich mit Kunſtſtudien beſchäftigend, redigierte vom Mai 1848 bis zur Ok- toberrevolution in Trieſt den „Öſter- reichiſchen Lloyd“ u. ging dann nach Berlin, von wo aus er 1849 als Ver- treter der preußiſchen Freihandels- partei nach Paris und 1850 auf den Friedenskongreß nach Frankfurt a. M. geſendet wurde, um hier für die Jn- tereſſen der nordalbingiſchen Herzog- tümer das Wort zu ergreifen. Gegen Ende 1850 übernahm er in Bremen die Redaktion der „Weſerzeitung“; vom Mai 1852–53 lebte er in Kaſſel in der Nähe ſeiner Schwiegereltern; von da begab er ſich nach Friedrichs- roda in Thüringen und ſiedelte im Winter nach Gotha über, um in der Nähe des Herzogs von Koburg-Gotha zu ſein, deſſen perſönliche Bekannt- ſchaft er in Reinhardsbrunn gemacht hatte. Nicht lange weilte er in Gotha. Der König Maximilian II. v. Bayern berief ihn unter Zuſicherung einer Jahresrente nach München und er- nannte ihn bald nach ſeiner Ankunft (April 1854) zum Profeſſor der ſla- wiſchen Sprachen u. Literatur an der dortigen Univerſität. Jm Jahre 1859 begab ſich B. auf mehrere Monate nach London, um im dortigen Mu- ſeum weitere Studien für ſein Werk „Shakeſpeares Zeitgenoſſen“ zu ma- chen, und folgte 1867 einem Rufe des Herzogs von Meiningen, um in deſ- ſen Reſidenz die Leitung des Hofthea- ters u. der Hofkapelle zu übernehmen; gleichzeitig erhob ihn der Herzog in den Adelſtand. Ende 1869 wurde B. auf ſeinen Antrag der Jntendanz des Theaters enthoben u. zur Dispoſition geſtellt; doch fuhr er auf den Wunſch des Herzogs noch einige Jahre fort, ſeinen geiſtigen Einfluß auf die Bühne zu üben, bis er Ende 1873 gänzlich aus ſeiner Stellung ſchied. Er lebte in der Folge zurückgezogen in dem Schloß der verwitweten Etatsrat *

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Zitationshilfe: Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 1. 6. Aufl. Leipzig, 1913, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruemmer_lexikon01_1913/281>, abgerufen am 25.04.2024.