Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

einen geringen Werth haben: im Grunde, werden wir finden,
beruhte die Möglichkeit der Täuschung doch auf wahrhaft
künstlerischen Eigenschaften, in welchen Parrhasios dem
Zeuxis wirklich überlegen war.

Da wir von Schülern des Zeuxis nichts wissen, ausser
dass einmal Lucian 1) Mikkion als einen solchen, aber in
einer Weise erwähnt, wonach sogar der Name nicht einmal
historisch überliefert, sondern für die Erzählung beliebig er-
funden sein könnte, so wenden wir uns sofort zu jenem
glücklicheren Nebenbuhler, um an ihm eine andere Seite der
Entwickelung der Malerei jener Zeit kennen zu lernen.

Parrhasios.

Parrhasios, Sohn und Schüler des Euenor, 2) war aus
Ephesos gebürtig. 3) Wahrscheinlich erlangte er später das
athenische Bürgerrecht, da Seneca 4) und Acron 5) ihn schlecht-
hin Athener nennen; und es ist wohl möglich, was man
unter Hinweisung auf eine Stelle im Plutarch 6) vermuthet
hat, dass ihm diese Ehre in Folge des für Athen gemalten
Theseus zu Theil geworden sei. Die Bestimmung seiner Zeit
ergiebt sich zuerst im Allgemeinen durch sein Zusammen-
treffen mit Zeuxis. Dazu kömmt das Zeugniss des Quinti-
lian, 7) dass Zeuxis und Parrhasios um die Zeiten des pelo-
ponnesischen Krieges gelebt, wofür als Beleg das Gespräch
des Letzteren mit Sokrates bei Xenophon 8) angeführt wird.
Dass Plinius den Euenor in die 90ste Olympiade setzt, kommt
hiergegen nicht in Betracht, da diese Bestimmung offenbar
erst aus der seines Sohnes abgeleitet ist. Wiederholen wir
dagegen die Bemerkung, dass Isokrates in der Ol. 96, 2 ver-
fassten Rede peri antidoseos 9) des Parrhasios eben so wie
des Zeuxis in einer Weise gedenkt, wie er es nur bei Todten
zu thun pflegt, so müssen wir vielmehr die Möglichkeit zu-
geben, dass der Beginn seiner Kunstthätigkeit lange vor
Ol. 90 falle. Hiernach löst sich vielleicht die Schwierigkeit,
welche eine Stelle des Pausanias 10) bisher den Erklärern

1) Zeux. c. 7.
2) Paus. I, 28, 2; Juba ap. Harpocr., Suid. s. v. Par-
rasios; Athen. XII, 543 C; Plin. 35, 60.
3) Athen. Harpocr. Suid. l. l.
Strabo XIV, p. 642; Plin. 35, 67.
4) Controv. V, 10.
5) zu Horat. IV,
6.
6) Thes. 4.
7) XII, 10.
8) mem. III, 10.
9) §. 2.
10) I,
28, 2.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 7

einen geringen Werth haben: im Grunde, werden wir finden,
beruhte die Möglichkeit der Täuschung doch auf wahrhaft
künstlerischen Eigenschaften, in welchen Parrhasios dem
Zeuxis wirklich überlegen war.

Da wir von Schülern des Zeuxis nichts wissen, ausser
dass einmal Lucian 1) Mikkion als einen solchen, aber in
einer Weise erwähnt, wonach sogar der Name nicht einmal
historisch überliefert, sondern für die Erzählung beliebig er-
funden sein könnte, so wenden wir uns sofort zu jenem
glücklicheren Nebenbuhler, um an ihm eine andere Seite der
Entwickelung der Malerei jener Zeit kennen zu lernen.

Parrhasios.

Parrhasios, Sohn und Schüler des Euenor, 2) war aus
Ephesos gebürtig. 3) Wahrscheinlich erlangte er später das
athenische Bürgerrecht, da Seneca 4) und Acron 5) ihn schlecht-
hin Athener nennen; und es ist wohl möglich, was man
unter Hinweisung auf eine Stelle im Plutarch 6) vermuthet
hat, dass ihm diese Ehre in Folge des für Athen gemalten
Theseus zu Theil geworden sei. Die Bestimmung seiner Zeit
ergiebt sich zuerst im Allgemeinen durch sein Zusammen-
treffen mit Zeuxis. Dazu kömmt das Zeugniss des Quinti-
lian, 7) dass Zeuxis und Parrhasios um die Zeiten des pelo-
ponnesischen Krieges gelebt, wofür als Beleg das Gespräch
des Letzteren mit Sokrates bei Xenophon 8) angeführt wird.
Dass Plinius den Euenor in die 90ste Olympiade setzt, kommt
hiergegen nicht in Betracht, da diese Bestimmung offenbar
erst aus der seines Sohnes abgeleitet ist. Wiederholen wir
dagegen die Bemerkung, dass Isokrates in der Ol. 96, 2 ver-
fassten Rede πεϱὶ ἀντιδόσεως 9) des Parrhasios eben so wie
des Zeuxis in einer Weise gedenkt, wie er es nur bei Todten
zu thun pflegt, so müssen wir vielmehr die Möglichkeit zu-
geben, dass der Beginn seiner Kunstthätigkeit lange vor
Ol. 90 falle. Hiernach löst sich vielleicht die Schwierigkeit,
welche eine Stelle des Pausanias 10) bisher den Erklärern

1) Zeux. c. 7.
2) Paus. I, 28, 2; Juba ap. Harpocr., Suid. s. v. Παϱ-
ϱάσιος; Athen. XII, 543 C; Plin. 35, 60.
3) Athen. Harpocr. Suid. l. l.
Strabo XIV, p. 642; Plin. 35, 67.
4) Controv. V, 10.
5) zu Horat. IV,
6.
6) Thes. 4.
7) XII, 10.
8) mem. III, 10.
9) §. 2.
10) I,
28, 2.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0105" n="97"/>
einen geringen Werth haben: im Grunde, werden wir finden,<lb/>
beruhte die Möglichkeit der Täuschung doch auf wahrhaft<lb/>
künstlerischen Eigenschaften, in welchen Parrhasios dem<lb/>
Zeuxis wirklich überlegen war.</p><lb/>
            <p>Da wir von Schülern des Zeuxis nichts wissen, ausser<lb/>
dass einmal Lucian <note place="foot" n="1)">Zeux. c. 7.</note> <hi rendition="#g">Mikkion</hi> als einen solchen, aber in<lb/>
einer Weise erwähnt, wonach sogar der Name nicht einmal<lb/>
historisch überliefert, sondern für die Erzählung beliebig er-<lb/>
funden sein könnte, so wenden wir uns sofort zu jenem<lb/>
glücklicheren Nebenbuhler, um an ihm eine andere Seite der<lb/>
Entwickelung der Malerei jener Zeit kennen zu lernen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Parrhasios</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p>Parrhasios, Sohn und Schüler des Euenor, <note place="foot" n="2)">Paus. I, 28, 2; Juba ap. Harpocr., Suid. s. v. &#x03A0;&#x03B1;&#x03F1;-<lb/>
&#x03F1;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;; Athen. XII, 543 C; Plin. 35, 60.</note> war aus<lb/>
Ephesos gebürtig. <note place="foot" n="3)">Athen. Harpocr. Suid. l. l.<lb/>
Strabo XIV, p. 642; Plin. 35, 67.</note> Wahrscheinlich erlangte er später das<lb/>
athenische Bürgerrecht, da Seneca <note place="foot" n="4)">Controv. V, 10.</note> und Acron <note place="foot" n="5)">zu Horat. IV,<lb/>
6.</note> ihn schlecht-<lb/>
hin Athener nennen; und es ist wohl möglich, was man<lb/>
unter Hinweisung auf eine Stelle im Plutarch <note place="foot" n="6)">Thes. 4.</note> vermuthet<lb/>
hat, dass ihm diese Ehre in Folge des für Athen gemalten<lb/>
Theseus zu Theil geworden sei. Die Bestimmung seiner Zeit<lb/>
ergiebt sich zuerst im Allgemeinen durch sein Zusammen-<lb/>
treffen mit Zeuxis. Dazu kömmt das Zeugniss des Quinti-<lb/>
lian, <note place="foot" n="7)">XII, 10.</note> dass Zeuxis und Parrhasios um die Zeiten des pelo-<lb/>
ponnesischen Krieges gelebt, wofür als Beleg das Gespräch<lb/>
des Letzteren mit Sokrates bei Xenophon <note place="foot" n="8)">mem. III, 10.</note> angeführt wird.<lb/>
Dass Plinius den Euenor in die 90ste Olympiade setzt, kommt<lb/>
hiergegen nicht in Betracht, da diese Bestimmung offenbar<lb/>
erst aus der seines Sohnes abgeleitet ist. Wiederholen wir<lb/>
dagegen die Bemerkung, dass Isokrates in der Ol. 96, 2 ver-<lb/>
fassten Rede &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x1F76; &#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B9;&#x03B4;&#x03CC;&#x03C3;&#x03B5;&#x03C9;&#x03C2; <note place="foot" n="9)">§. 2.</note> des Parrhasios eben so wie<lb/>
des Zeuxis in einer Weise gedenkt, wie er es nur bei Todten<lb/>
zu thun pflegt, so müssen wir vielmehr die Möglichkeit zu-<lb/>
geben, dass der Beginn seiner Kunstthätigkeit lange vor<lb/>
Ol. 90 falle. Hiernach löst sich vielleicht die Schwierigkeit,<lb/>
welche eine Stelle des Pausanias <note place="foot" n="10)">I,<lb/>
28, 2.</note> bisher den Erklärern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Brunn</hi>, Geschichte der griech. Künstler. II.</hi> 7</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0105] einen geringen Werth haben: im Grunde, werden wir finden, beruhte die Möglichkeit der Täuschung doch auf wahrhaft künstlerischen Eigenschaften, in welchen Parrhasios dem Zeuxis wirklich überlegen war. Da wir von Schülern des Zeuxis nichts wissen, ausser dass einmal Lucian 1) Mikkion als einen solchen, aber in einer Weise erwähnt, wonach sogar der Name nicht einmal historisch überliefert, sondern für die Erzählung beliebig er- funden sein könnte, so wenden wir uns sofort zu jenem glücklicheren Nebenbuhler, um an ihm eine andere Seite der Entwickelung der Malerei jener Zeit kennen zu lernen. Parrhasios. Parrhasios, Sohn und Schüler des Euenor, 2) war aus Ephesos gebürtig. 3) Wahrscheinlich erlangte er später das athenische Bürgerrecht, da Seneca 4) und Acron 5) ihn schlecht- hin Athener nennen; und es ist wohl möglich, was man unter Hinweisung auf eine Stelle im Plutarch 6) vermuthet hat, dass ihm diese Ehre in Folge des für Athen gemalten Theseus zu Theil geworden sei. Die Bestimmung seiner Zeit ergiebt sich zuerst im Allgemeinen durch sein Zusammen- treffen mit Zeuxis. Dazu kömmt das Zeugniss des Quinti- lian, 7) dass Zeuxis und Parrhasios um die Zeiten des pelo- ponnesischen Krieges gelebt, wofür als Beleg das Gespräch des Letzteren mit Sokrates bei Xenophon 8) angeführt wird. Dass Plinius den Euenor in die 90ste Olympiade setzt, kommt hiergegen nicht in Betracht, da diese Bestimmung offenbar erst aus der seines Sohnes abgeleitet ist. Wiederholen wir dagegen die Bemerkung, dass Isokrates in der Ol. 96, 2 ver- fassten Rede πεϱὶ ἀντιδόσεως 9) des Parrhasios eben so wie des Zeuxis in einer Weise gedenkt, wie er es nur bei Todten zu thun pflegt, so müssen wir vielmehr die Möglichkeit zu- geben, dass der Beginn seiner Kunstthätigkeit lange vor Ol. 90 falle. Hiernach löst sich vielleicht die Schwierigkeit, welche eine Stelle des Pausanias 10) bisher den Erklärern 1) Zeux. c. 7. 2) Paus. I, 28, 2; Juba ap. Harpocr., Suid. s. v. Παϱ- ϱάσιος; Athen. XII, 543 C; Plin. 35, 60. 3) Athen. Harpocr. Suid. l. l. Strabo XIV, p. 642; Plin. 35, 67. 4) Controv. V, 10. 5) zu Horat. IV, 6. 6) Thes. 4. 7) XII, 10. 8) mem. III, 10. 9) §. 2. 10) I, 28, 2. Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/105
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/105>, abgerufen am 19.03.2024.