Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

in sehr lockerer Bedeutung gebrauchten Ausdruckes bei Pli-
nius zugeben, dass Aristides zuerst es gewesen, der dieses
Feld der Darstellung für die Kunst eröffnet habe.

Wenn wir uns jetzt von Aristides zu seinen Schülern
wenden, so werden wir von vorn herein nicht erwarten dür-
fen, seine Eigenthümlichkeit ganz oder auch nur zum gröss-
ten Theile in ihnen wiederzufinden. Denn da dieselbe auf
einer besonderen, rein persönlichen Gemüths- und Seelen-
stimmung beruhte, so lässt sie sich allerdings nicht als eine
bestimmte Lehre andern mittheilen. Nichtsdestoweniger ver-
mögen wir seinen Einfluss selbst in scheinbar der seinigen
ganz widersprechenden Entwickelungen bestimmt nachzu-
weisen, und zwar merkwürdiger Weise in ganz ähnlicher
Richtung, wie er sich bei den Zeitgenossen und Nachfolgern
des von uns mit Aristides verglichenen Künstlers, des Fiesole,
vielfältig bekundet hat.

Da wir von Ant[en]orides, Nikeros und Ariston
nichts wissen, als dass der Letztere einen Satyr mit dem
Becher gemalt hatte, 1) so knüpfen sich unsere Untersuchun-
gen zunächst nur an einen einzigen, aber dafür um so be-
deutenderen Künstler:

Euphranor.

Wir haben dem Euphranor bereits unter den Bildhauern
eine hervorragende Stelle einräumen müssen, 2) aber es bis
hierher verschoben, seinen künstlerischen Charakter ausführ-
licher zu entwickeln. Wie dort, beginnen wir hier mit dem
Satze, dass das Alterthum ihn als einen der vielseitigsten,
und dabei doch auch im Einzelnen ausgezeichnetsten Künst-
ler bewunderte, so dass Lucian ihn einer Seits mit Phidias,
Alkamenes, Myron, anderer Seits mit Apelles, Parrhasios,
Aetion zusammenzustellen keinen Anstand nimmt. 3) Aus-
führlicher sagt Plinius, wo er von ihm als Maler spricht: 4)
"er bildete auch Kolosse und Marmorwerke und cisellirte
Becher, gelehrig und thätig vor allen, in jeder Art ausge-
zeichnet und von einem sich gleich bleibenden Verdienste ...

1) Plin. 35, 111.
2) I, 314--318.
3) Jupp. trag. 7; de mercede
cond. 42; vgl. Lactantius Div. Inst. II, 4, wo er mit Polyklet und Phidias
zusammen genannt wird.
4) 35, 128.

in sehr lockerer Bedeutung gebrauchten Ausdruckes bei Pli-
nius zugeben, dass Aristides zuerst es gewesen, der dieses
Feld der Darstellung für die Kunst eröffnet habe.

Wenn wir uns jetzt von Aristides zu seinen Schülern
wenden, so werden wir von vorn herein nicht erwarten dür-
fen, seine Eigenthümlichkeit ganz oder auch nur zum gröss-
ten Theile in ihnen wiederzufinden. Denn da dieselbe auf
einer besonderen, rein persönlichen Gemüths- und Seelen-
stimmung beruhte, so lässt sie sich allerdings nicht als eine
bestimmte Lehre andern mittheilen. Nichtsdestoweniger ver-
mögen wir seinen Einfluss selbst in scheinbar der seinigen
ganz widersprechenden Entwickelungen bestimmt nachzu-
weisen, und zwar merkwürdiger Weise in ganz ähnlicher
Richtung, wie er sich bei den Zeitgenossen und Nachfolgern
des von uns mit Aristides verglichenen Künstlers, des Fiesole,
vielfältig bekundet hat.

Da wir von Ant[en]orides, Nikeros und Ariston
nichts wissen, als dass der Letztere einen Satyr mit dem
Becher gemalt hatte, 1) so knüpfen sich unsere Untersuchun-
gen zunächst nur an einen einzigen, aber dafür um so be-
deutenderen Künstler:

Euphranor.

Wir haben dem Euphranor bereits unter den Bildhauern
eine hervorragende Stelle einräumen müssen, 2) aber es bis
hierher verschoben, seinen künstlerischen Charakter ausführ-
licher zu entwickeln. Wie dort, beginnen wir hier mit dem
Satze, dass das Alterthum ihn als einen der vielseitigsten,
und dabei doch auch im Einzelnen ausgezeichnetsten Künst-
ler bewunderte, so dass Lucian ihn einer Seits mit Phidias,
Alkamenes, Myron, anderer Seits mit Apelles, Parrhasios,
Aëtion zusammenzustellen keinen Anstand nimmt. 3) Aus-
führlicher sagt Plinius, wo er von ihm als Maler spricht: 4)
„er bildete auch Kolosse und Marmorwerke und cisellirte
Becher, gelehrig und thätig vor allen, in jeder Art ausge-
zeichnet und von einem sich gleich bleibenden Verdienste …

1) Plin. 35, 111.
2) I, 314—318.
3) Jupp. trag. 7; de mercede
cond. 42; vgl. Lactantius Div. Inst. II, 4, wo er mit Polyklet und Phidias
zusammen genannt wird.
4) 35, 128.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0189" n="181"/>
in sehr lockerer Bedeutung gebrauchten Ausdruckes bei Pli-<lb/>
nius zugeben, dass Aristides <hi rendition="#g">zuerst</hi> es gewesen, der dieses<lb/>
Feld der Darstellung für die Kunst eröffnet habe.</p><lb/>
              <p>Wenn wir uns jetzt von Aristides zu seinen Schülern<lb/>
wenden, so werden wir von vorn herein nicht erwarten dür-<lb/>
fen, seine Eigenthümlichkeit ganz oder auch nur zum gröss-<lb/>
ten Theile in ihnen wiederzufinden. Denn da dieselbe auf<lb/>
einer besonderen, rein persönlichen Gemüths- und Seelen-<lb/>
stimmung beruhte, so lässt sie sich allerdings nicht als eine<lb/>
bestimmte Lehre andern mittheilen. Nichtsdestoweniger ver-<lb/>
mögen wir seinen Einfluss selbst in scheinbar der seinigen<lb/>
ganz widersprechenden Entwickelungen bestimmt nachzu-<lb/>
weisen, und zwar merkwürdiger Weise in ganz ähnlicher<lb/>
Richtung, wie er sich bei den Zeitgenossen und Nachfolgern<lb/>
des von uns mit Aristides verglichenen Künstlers, des Fiesole,<lb/>
vielfältig bekundet hat.</p><lb/>
              <p>Da wir von <hi rendition="#g">Ant[en]orides, Nikeros</hi> und <hi rendition="#g">Ariston</hi><lb/>
nichts wissen, als dass der Letztere einen Satyr mit dem<lb/>
Becher gemalt hatte, <note place="foot" n="1)">Plin. 35, 111.</note> so knüpfen sich unsere Untersuchun-<lb/>
gen zunächst nur an einen einzigen, aber dafür um so be-<lb/>
deutenderen Künstler:</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Euphranor</hi>.</hi> </head><lb/>
              <p>Wir haben dem Euphranor bereits unter den Bildhauern<lb/>
eine hervorragende Stelle einräumen müssen, <note place="foot" n="2)">I, 314&#x2014;318.</note> aber es bis<lb/>
hierher verschoben, seinen künstlerischen Charakter ausführ-<lb/>
licher zu entwickeln. Wie dort, beginnen wir hier mit dem<lb/>
Satze, dass das Alterthum ihn als einen der vielseitigsten,<lb/>
und dabei doch auch im Einzelnen ausgezeichnetsten Künst-<lb/>
ler bewunderte, so dass Lucian ihn einer Seits mit Phidias,<lb/>
Alkamenes, Myron, anderer Seits mit Apelles, Parrhasios,<lb/>
Aëtion zusammenzustellen keinen Anstand nimmt. <note place="foot" n="3)">Jupp. trag. 7; de mercede<lb/>
cond. 42; vgl. Lactantius Div. Inst. II, 4, wo er mit Polyklet und Phidias<lb/>
zusammen genannt wird.</note> Aus-<lb/>
führlicher sagt Plinius, wo er von ihm als Maler spricht: <note place="foot" n="4)">35, 128.</note><lb/>
&#x201E;er bildete auch Kolosse und Marmorwerke und cisellirte<lb/>
Becher, gelehrig und thätig vor allen, in jeder Art ausge-<lb/>
zeichnet und von einem sich gleich bleibenden Verdienste &#x2026;<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0189] in sehr lockerer Bedeutung gebrauchten Ausdruckes bei Pli- nius zugeben, dass Aristides zuerst es gewesen, der dieses Feld der Darstellung für die Kunst eröffnet habe. Wenn wir uns jetzt von Aristides zu seinen Schülern wenden, so werden wir von vorn herein nicht erwarten dür- fen, seine Eigenthümlichkeit ganz oder auch nur zum gröss- ten Theile in ihnen wiederzufinden. Denn da dieselbe auf einer besonderen, rein persönlichen Gemüths- und Seelen- stimmung beruhte, so lässt sie sich allerdings nicht als eine bestimmte Lehre andern mittheilen. Nichtsdestoweniger ver- mögen wir seinen Einfluss selbst in scheinbar der seinigen ganz widersprechenden Entwickelungen bestimmt nachzu- weisen, und zwar merkwürdiger Weise in ganz ähnlicher Richtung, wie er sich bei den Zeitgenossen und Nachfolgern des von uns mit Aristides verglichenen Künstlers, des Fiesole, vielfältig bekundet hat. Da wir von Ant[en]orides, Nikeros und Ariston nichts wissen, als dass der Letztere einen Satyr mit dem Becher gemalt hatte, 1) so knüpfen sich unsere Untersuchun- gen zunächst nur an einen einzigen, aber dafür um so be- deutenderen Künstler: Euphranor. Wir haben dem Euphranor bereits unter den Bildhauern eine hervorragende Stelle einräumen müssen, 2) aber es bis hierher verschoben, seinen künstlerischen Charakter ausführ- licher zu entwickeln. Wie dort, beginnen wir hier mit dem Satze, dass das Alterthum ihn als einen der vielseitigsten, und dabei doch auch im Einzelnen ausgezeichnetsten Künst- ler bewunderte, so dass Lucian ihn einer Seits mit Phidias, Alkamenes, Myron, anderer Seits mit Apelles, Parrhasios, Aëtion zusammenzustellen keinen Anstand nimmt. 3) Aus- führlicher sagt Plinius, wo er von ihm als Maler spricht: 4) „er bildete auch Kolosse und Marmorwerke und cisellirte Becher, gelehrig und thätig vor allen, in jeder Art ausge- zeichnet und von einem sich gleich bleibenden Verdienste … 1) Plin. 35, 111. 2) I, 314—318. 3) Jupp. trag. 7; de mercede cond. 42; vgl. Lactantius Div. Inst. II, 4, wo er mit Polyklet und Phidias zusammen genannt wird. 4) 35, 128.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/189
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/189>, abgerufen am 19.03.2024.