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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit
einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe
führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher
Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch
brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da
hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie-
denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei-
gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall.
Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen,
welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in
voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er
es, durch die feinste Durchführung der psychologischen
Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle
einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste
Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer
die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu
lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem
Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche
Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei-
stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch
nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da:
seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver-
löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver-
breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut-
licher empfinden zu lassen.

Anhang.

In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen
von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine
Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado-
chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort
(vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten,
gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges
sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu-
nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach-
zutragen sind:

XXXV, §. 138: Aristokleides, "welcher den Tempel
des Apollo zu Delphi malte." Was hierüber Raoul-Rochette
(Lettre a Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver-
ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).

Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit
einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe
führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher
Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch
brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da
hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie-
denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei-
gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall.
Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen,
welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in
voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er
es, durch die feinste Durchführung der psychologischen
Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle
einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste
Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer
die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu
lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem
Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche
Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei-
stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch
nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da:
seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver-
löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver-
breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut-
licher empfinden zu lassen.

Anhang.

In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen
von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine
Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado-
chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort
(vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten,
gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges
sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu-
nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach-
zutragen sind:

XXXV, §. 138: Aristokleides, „welcher den Tempel
des Apollo zu Delphi malte.“ Was hierüber Raoul-Rochette
(Lettre à Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver-
ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).

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[298/0306] Eine Venus, ein Pan, eine Harfenspielerin, ein Mann mit einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe führen uns auf den Kreis von Ideen, in welchem früher Apelles und Protogenes sich bewegten. Das Glänzendste jedoch brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschie- denen Bestrebungen sich zu einer Einheit verschmolzen zei- gen. Dies war in den Werken des Timomachos der Fall. Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen, welche die materielle Behandlung von Schreckenscenen in voller Ausführlichkeit darzubieten vermochte, verstand er es, durch die feinste Durchführung der psychologischen Motivirung, in seinem Aias und der Medea unter der Hülle einer scheinbaren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste Erregung zur Anschauung zu bringen und den Beschauer die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe ahnen zu lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem Ausdrucke der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche Werke zeigen, dass auch in der Malerei die Kraft des Gei- stes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte, noch nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da: seine Erscheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Ver- löschen noch einmal einen hellen, aber kurzen Glanz ver- breitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um so deut- licher empfinden zu lassen. Anhang. In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen von Plinius angeführten Namen, welche anderwärts keine Stelle finden konnten, am Schlusse der Periode der Diado- chen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns dort (vgl. Th. I, S. 519 u. 525) zu diesem Verfahren bestimmten, gelten auch hier bei den Malern. Alle Meister ersten Ranges sind bereits früher behandelt worden; von den ihnen zu- nächst stehenden (primis proximi) ein grosser Theil. Nach- zutragen sind: XXXV, §. 138: Aristokleides, „welcher den Tempel des Apollo zu Delphi malte.“ Was hierüber Raoul-Rochette (Lettre à Mr. Schorn p. 226) bemerkt, beruht auf Misver- ständniss eines Fragmentes des Polemon (N. 28 bei Preller).

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/306>, abgerufen am 19.03.2024.