Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 27. Geld- und Münzwesen.

J. H. Müller, Deutsche Münzgeschichte I, 1860. Waitz, Über die Münzverhält-
nisse in den älteren Rechtsbüchern des fränkischen Reiches, 1861 Abhandl. der
Gött. Gesellschaft der Wissensch. IX; derselbe, Verfassungsgesch. II 2 S 305 ff.,
IV 77 ff. Soetbeer, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münzwesens in
Deutschland, Forschungen I. II. IV. VI. v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 28 ff.
v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte S 183. 450. Guerard,
Polyptyque de l'abbe Irminon I 109 ff. 941 ff.

Durch den Verkehr mit den Römern hatten die Germanen das
römische Metallgeld kennen und schätzen gelernt. Unter den Gold-
münzen römischen Gepräges, welche man in Deutschland aufgefunden
hat, sind namentlich die Goldsolidi des konstantinischen Münzfusses
häufig vertreten. Von den Sibermünzen nahmen die Germanen mit
Vorliebe die schwereren älteren Silberdenare1 und hielten daran fest,
als sie im römischen Reiche ausser Kurs gesetzt und durch Denare
geringeren Silbergehaltes verdrängt worden waren. Bald nach der
Eroberung Galliens führten die Salfranken eine Neuordnung des da-
selbst herrschenden Münzwesens durch, indem sie vierzig Silberdenare
einem Goldsolidus gleichsetzten. In Gallien zirkulierten vor dieser
Reform neben den Goldsolidi und neben Kupfermünzen, die für die
Geschichte des deutschen Münzwesens nicht weiter in Betracht kamen,
Silbermünzen, siliquae genannt, deren 24 auf den Goldsolidus ge-
rechnet wurden. Es ist wahrscheinlich, dass die Salier an diese
siliqua anknüpften, indem sie dieselbe, weil sie minderwertig aus-
geprägt war, mit Rücksicht auf ihren wirklichen Metallgehalt und mit
Rücksicht auf das damalige Wertverhältnis des Silbers zum Golde als
den vierzigsten Teil des Goldsolidus in Rechnung stellten und als
Denar bezeichneten. Das deutsche Wort für Solidus war Schilling.
Aus dem Pfund Goldes wurden anfänglich 72, seit der 2. Hälfte des
6. Jahrhunderts 84 Schillinge geschlagen. Öfter als der Solidus dürfte
der Goldtriens, das Drittel des Solidus2, ausgeprägt worden sein.

Im Gegensatz zu den Franken scheinen die oberdeutschen Stämme
an der Rechnung nach schweren Silberdenaren festgehalten zu haben.
Die Baiern und die Alamannen zählen nämlich auf den Goldsolidus

1 Tacitus, Germ. c. 5: pecuniam probant veterem et diu notam, serratos biga-
tosque (Denare mit zackigem Rande und mit dem Gepräge des Zweigespanns).
argentum quoque magis quam aurum sequuntur, nulla affectione animi, sed quia
numerus argenteorum facilior usui est promiscua ac vilia mercantibus.
2 Auch tremissis genannt. Lex Rib. 23; Pactus pro tenore pacis c. 6 Cap. I 4.
Tremissus sagt die Recap. zur Lex Sal. A 4 und B 5 statt triens in Lex Sal. 35,
4 (Cod. 6).
§ 27. Geld- und Münzwesen.

J. H. Müller, Deutsche Münzgeschichte I, 1860. Waitz, Über die Münzverhält-
nisse in den älteren Rechtsbüchern des fränkischen Reiches, 1861 Abhandl. der
Gött. Gesellschaft der Wissensch. IX; derselbe, Verfassungsgesch. II 2 S 305 ff.,
IV 77 ff. Soetbeer, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münzwesens in
Deutschland, Forschungen I. II. IV. VI. v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 28 ff.
v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte S 183. 450. Guérard,
Polyptyque de l’abbé Irminon I 109 ff. 941 ff.

Durch den Verkehr mit den Römern hatten die Germanen das
römische Metallgeld kennen und schätzen gelernt. Unter den Gold-
münzen römischen Gepräges, welche man in Deutschland aufgefunden
hat, sind namentlich die Goldsolidi des konstantinischen Münzfuſses
häufig vertreten. Von den Sibermünzen nahmen die Germanen mit
Vorliebe die schwereren älteren Silberdenare1 und hielten daran fest,
als sie im römischen Reiche auſser Kurs gesetzt und durch Denare
geringeren Silbergehaltes verdrängt worden waren. Bald nach der
Eroberung Galliens führten die Salfranken eine Neuordnung des da-
selbst herrschenden Münzwesens durch, indem sie vierzig Silberdenare
einem Goldsolidus gleichsetzten. In Gallien zirkulierten vor dieser
Reform neben den Goldsolidi und neben Kupfermünzen, die für die
Geschichte des deutschen Münzwesens nicht weiter in Betracht kamen,
Silbermünzen, siliquae genannt, deren 24 auf den Goldsolidus ge-
rechnet wurden. Es ist wahrscheinlich, daſs die Salier an diese
siliqua anknüpften, indem sie dieselbe, weil sie minderwertig aus-
geprägt war, mit Rücksicht auf ihren wirklichen Metallgehalt und mit
Rücksicht auf das damalige Wertverhältnis des Silbers zum Golde als
den vierzigsten Teil des Goldsolidus in Rechnung stellten und als
Denar bezeichneten. Das deutsche Wort für Solidus war Schilling.
Aus dem Pfund Goldes wurden anfänglich 72, seit der 2. Hälfte des
6. Jahrhunderts 84 Schillinge geschlagen. Öfter als der Solidus dürfte
der Goldtriens, das Drittel des Solidus2, ausgeprägt worden sein.

Im Gegensatz zu den Franken scheinen die oberdeutschen Stämme
an der Rechnung nach schweren Silberdenaren festgehalten zu haben.
Die Baiern und die Alamannen zählen nämlich auf den Goldsolidus

1 Tacitus, Germ. c. 5: pecuniam probant veterem et diu notam, serratos biga-
tosque (Denare mit zackigem Rande und mit dem Gepräge des Zweigespanns).
argentum quoque magis quam aurum sequuntur, nulla affectione animi, sed quia
numerus argenteorum facilior usui est promiscua ac vilia mercantibus.
2 Auch tremissis genannt. Lex Rib. 23; Pactus pro tenore pacis c. 6 Cap. I 4.
Tremissus sagt die Recap. zur Lex Sal. A 4 und B 5 statt triens in Lex Sal. 35,
4 (Cod. 6).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0231" n="213"/>
          <div n="3">
            <head>§ 27. <hi rendition="#g">Geld- und Münzwesen</hi>.</head><lb/>
            <p>
              <bibl>J. H. <hi rendition="#g">Müller</hi>, Deutsche Münzgeschichte I, 1860. <hi rendition="#g">Waitz</hi>, Über die Münzverhält-<lb/>
nisse in den älteren Rechtsbüchern des fränkischen Reiches, 1861 Abhandl. der<lb/>
Gött. Gesellschaft der Wissensch. IX; <hi rendition="#g">derselbe</hi>, Verfassungsgesch. II 2 S 305 ff.,<lb/>
IV 77 ff. <hi rendition="#g">Soetbeer</hi>, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münzwesens in<lb/>
Deutschland, Forschungen I. II. IV. VI. v. <hi rendition="#g">Richthofen</hi>, Zur Lex Sax. S 28 ff.<lb/>
v. <hi rendition="#g">Inama-Sternegg</hi>, Deutsche Wirtschaftsgeschichte S 183. 450. <hi rendition="#g">Guérard</hi>,<lb/><hi rendition="#c">Polyptyque de l&#x2019;abbé Irminon I 109 ff. 941 ff.</hi></bibl>
            </p><lb/>
            <p>Durch den Verkehr mit den Römern hatten die Germanen das<lb/>
römische Metallgeld kennen und schätzen gelernt. Unter den Gold-<lb/>
münzen römischen Gepräges, welche man in Deutschland aufgefunden<lb/>
hat, sind namentlich die Goldsolidi des konstantinischen Münzfu&#x017F;ses<lb/>
häufig vertreten. Von den Sibermünzen nahmen die Germanen mit<lb/>
Vorliebe die schwereren älteren Silberdenare<note place="foot" n="1">Tacitus, Germ. c. 5: pecuniam probant veterem et diu notam, serratos biga-<lb/>
tosque (Denare mit zackigem Rande und mit dem Gepräge des Zweigespanns).<lb/>
argentum quoque magis quam aurum sequuntur, nulla affectione animi, sed quia<lb/>
numerus argenteorum facilior usui est promiscua ac vilia mercantibus.</note> und hielten daran fest,<lb/>
als sie im römischen Reiche au&#x017F;ser Kurs gesetzt und durch Denare<lb/>
geringeren Silbergehaltes verdrängt worden waren. Bald nach der<lb/>
Eroberung Galliens führten die Salfranken eine Neuordnung des da-<lb/>
selbst herrschenden Münzwesens durch, indem sie vierzig Silberdenare<lb/>
einem Goldsolidus gleichsetzten. In Gallien zirkulierten vor dieser<lb/>
Reform neben den Goldsolidi und neben Kupfermünzen, die für die<lb/>
Geschichte des deutschen Münzwesens nicht weiter in Betracht kamen,<lb/>
Silbermünzen, siliquae genannt, deren 24 auf den Goldsolidus ge-<lb/>
rechnet wurden. Es ist wahrscheinlich, da&#x017F;s die Salier an diese<lb/>
siliqua anknüpften, indem sie dieselbe, weil sie minderwertig aus-<lb/>
geprägt war, mit Rücksicht auf ihren wirklichen Metallgehalt und mit<lb/>
Rücksicht auf das damalige Wertverhältnis des Silbers zum Golde als<lb/>
den vierzigsten Teil des Goldsolidus in Rechnung stellten und als<lb/>
Denar bezeichneten. Das deutsche Wort für Solidus war Schilling.<lb/>
Aus dem Pfund Goldes wurden anfänglich 72, seit der 2. Hälfte des<lb/>
6. Jahrhunderts 84 Schillinge geschlagen. Öfter als der Solidus dürfte<lb/>
der Goldtriens, das Drittel des Solidus<note place="foot" n="2">Auch tremissis genannt. Lex Rib. 23; Pactus pro tenore pacis c. 6 Cap. I 4.<lb/>
Tremissus sagt die Recap. zur Lex Sal. A 4 und B 5 statt triens in Lex Sal. 35,<lb/>
4 (Cod. 6).</note>, ausgeprägt worden sein.</p><lb/>
            <p>Im Gegensatz zu den Franken scheinen die oberdeutschen Stämme<lb/>
an der Rechnung nach schweren Silberdenaren festgehalten zu haben.<lb/>
Die Baiern und die Alamannen zählen nämlich auf den Goldsolidus<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0231] § 27. Geld- und Münzwesen. J. H. Müller, Deutsche Münzgeschichte I, 1860. Waitz, Über die Münzverhält- nisse in den älteren Rechtsbüchern des fränkischen Reiches, 1861 Abhandl. der Gött. Gesellschaft der Wissensch. IX; derselbe, Verfassungsgesch. II 2 S 305 ff., IV 77 ff. Soetbeer, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münzwesens in Deutschland, Forschungen I. II. IV. VI. v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 28 ff. v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte S 183. 450. Guérard, Polyptyque de l’abbé Irminon I 109 ff. 941 ff. Durch den Verkehr mit den Römern hatten die Germanen das römische Metallgeld kennen und schätzen gelernt. Unter den Gold- münzen römischen Gepräges, welche man in Deutschland aufgefunden hat, sind namentlich die Goldsolidi des konstantinischen Münzfuſses häufig vertreten. Von den Sibermünzen nahmen die Germanen mit Vorliebe die schwereren älteren Silberdenare 1 und hielten daran fest, als sie im römischen Reiche auſser Kurs gesetzt und durch Denare geringeren Silbergehaltes verdrängt worden waren. Bald nach der Eroberung Galliens führten die Salfranken eine Neuordnung des da- selbst herrschenden Münzwesens durch, indem sie vierzig Silberdenare einem Goldsolidus gleichsetzten. In Gallien zirkulierten vor dieser Reform neben den Goldsolidi und neben Kupfermünzen, die für die Geschichte des deutschen Münzwesens nicht weiter in Betracht kamen, Silbermünzen, siliquae genannt, deren 24 auf den Goldsolidus ge- rechnet wurden. Es ist wahrscheinlich, daſs die Salier an diese siliqua anknüpften, indem sie dieselbe, weil sie minderwertig aus- geprägt war, mit Rücksicht auf ihren wirklichen Metallgehalt und mit Rücksicht auf das damalige Wertverhältnis des Silbers zum Golde als den vierzigsten Teil des Goldsolidus in Rechnung stellten und als Denar bezeichneten. Das deutsche Wort für Solidus war Schilling. Aus dem Pfund Goldes wurden anfänglich 72, seit der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts 84 Schillinge geschlagen. Öfter als der Solidus dürfte der Goldtriens, das Drittel des Solidus 2, ausgeprägt worden sein. Im Gegensatz zu den Franken scheinen die oberdeutschen Stämme an der Rechnung nach schweren Silberdenaren festgehalten zu haben. Die Baiern und die Alamannen zählen nämlich auf den Goldsolidus 1 Tacitus, Germ. c. 5: pecuniam probant veterem et diu notam, serratos biga- tosque (Denare mit zackigem Rande und mit dem Gepräge des Zweigespanns). argentum quoque magis quam aurum sequuntur, nulla affectione animi, sed quia numerus argenteorum facilior usui est promiscua ac vilia mercantibus. 2 Auch tremissis genannt. Lex Rib. 23; Pactus pro tenore pacis c. 6 Cap. I 4. Tremissus sagt die Recap. zur Lex Sal. A 4 und B 5 statt triens in Lex Sal. 35, 4 (Cod. 6).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/231
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/231>, abgerufen am 24.04.2024.