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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 121. Das königsgerichtliche Verfahren.
Mallus voraus. Die Ladung giebt ihm Gelegenheit, den vom Kläger er-
hobenen Anspruch zu bestreiten. Thut er das, so wird die Sache in
den Weg eines kontradiktorischen Verfahrens geleitet.

Nach langobardischem Rechte8 konnte der Gläubiger die gewettete
Schuld in einem rein aussergerichtlichen Mahnverfahren betreiben
und nach fruchtloser Mahnung den Schuldner aussergerichtlich pfänden,
ohne dass der Pfandnahme eine Ladung vor den Richter vorauszugehen
brauchte9. Nur wenn der gemahnte Schuldner bestritt, das von dem
Gläubiger behauptete Schuldversprechen gegeben zu haben, wurde ein
gerichtliches Incidentverfahren erforderlich, welches die Beweisfrage
zu erledigen bestimmt war10.

§ 121. Das königsgerichtliche Verfahren.

Siehe die Litteratur zu § 77 oben S. 133.

Das Verfahren des Königsgerichtes richtet sich im allgemeinen
nach den Grundsätzen des volksgerichtlichen Verfahrens. Es ist ein
Rechtsverfahren1, nicht ein Verwaltungsverfahren. Insbesondere spricht
wie das Volksgericht auch das Königsgericht rechtskräftige Urteile2.

8 Wach, Arrestprozess 1 ff. Val de Lievre, Launegild und Wadia S. 196.
H. Brunner in Z. f. HR XXII 511, Anm. 3.
9 Vgl. oben S. 446.
10 Roth. 366. Liu. 15. Ratchis c. 5.
1 Die Klage wird als interpellatio an den Prozessgegner gerichtet. Pertz,
Dipl. M. 49. 59. 83, NA XIII 157. Öfter steht suggerere statt interpellare; so in
den Scheinprozessen Dipl. M. 64. 68. 76. 79. 94, so bei Belangung des abwesen-
den Gegners M. 60, Carta Senon. 26, so bei einer Klage gegen Drogo, Herzog der
Champagne, den Sohn des Hausmeiers Pippin, Dipl. M. 70.
2 Anderer Ansicht Schröder, RG S. 369, nach welchem das Königsgericht
im Gegensatz zum volksgerichtlichen Verfahren keine Rechtskraft des Urteils ge-
kannt habe. Allerdings konnte es vorkommen, dass der König nach rechtskräftiger
Entscheidung der Streitsache eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattete; allein
dies war nicht nur einem königsgerichtlichen, sondern auch einem volksgericht-
lichen Urteile gegenüber möglich. Die grundsätzliche Rechtskraft der königsgericht-
lichen Entscheidung ergiebt sich aus Wendungen wie z. B. in Pertz, Dipl. M. 41:
ne deinceps ... aliqua renovari videatur causatio .., possideant absque sollicitu-
dine, absque alicuius repetitione, sitque ... evindicatum omni tempore et sit in post-
modum de hac re sopita causatio. Vgl. M. 49. 66. Ausdrücklich sagt Karl der
Grosse in Mühlbacher Nr. 385 mit Bezug auf ein missatisches Urteil, dass der
iudicatus nicht das Recht habe, an den Kaiser zu appellieren. Die Bestimmung in
Cap. Saxon. v. J. 797, c. 4, I 71 darf, weil speziell für die Sachsen berechnet,
nicht generalisiert werden. Übrigens handelt es sich hier um ein volksgericht-

§ 121. Das königsgerichtliche Verfahren.
Mallus voraus. Die Ladung giebt ihm Gelegenheit, den vom Kläger er-
hobenen Anspruch zu bestreiten. Thut er das, so wird die Sache in
den Weg eines kontradiktorischen Verfahrens geleitet.

Nach langobardischem Rechte8 konnte der Gläubiger die gewettete
Schuld in einem rein auſsergerichtlichen Mahnverfahren betreiben
und nach fruchtloser Mahnung den Schuldner auſsergerichtlich pfänden,
ohne daſs der Pfandnahme eine Ladung vor den Richter vorauszugehen
brauchte9. Nur wenn der gemahnte Schuldner bestritt, das von dem
Gläubiger behauptete Schuldversprechen gegeben zu haben, wurde ein
gerichtliches Incidentverfahren erforderlich, welches die Beweisfrage
zu erledigen bestimmt war10.

§ 121. Das königsgerichtliche Verfahren.

Siehe die Litteratur zu § 77 oben S. 133.

Das Verfahren des Königsgerichtes richtet sich im allgemeinen
nach den Grundsätzen des volksgerichtlichen Verfahrens. Es ist ein
Rechtsverfahren1, nicht ein Verwaltungsverfahren. Insbesondere spricht
wie das Volksgericht auch das Königsgericht rechtskräftige Urteile2.

8 Wach, Arrestprozeſs 1 ff. Val de Liévre, Launegild und Wadia S. 196.
H. Brunner in Z. f. HR XXII 511, Anm. 3.
9 Vgl. oben S. 446.
10 Roth. 366. Liu. 15. Ratchis c. 5.
1 Die Klage wird als interpellatio an den Prozeſsgegner gerichtet. Pertz,
Dipl. M. 49. 59. 83, NA XIII 157. Öfter steht suggerere statt interpellare; so in
den Scheinprozessen Dipl. M. 64. 68. 76. 79. 94, so bei Belangung des abwesen-
den Gegners M. 60, Carta Senon. 26, so bei einer Klage gegen Drogo, Herzog der
Champagne, den Sohn des Hausmeiers Pippin, Dipl. M. 70.
2 Anderer Ansicht Schröder, RG S. 369, nach welchem das Königsgericht
im Gegensatz zum volksgerichtlichen Verfahren keine Rechtskraft des Urteils ge-
kannt habe. Allerdings konnte es vorkommen, daſs der König nach rechtskräftiger
Entscheidung der Streitsache eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattete; allein
dies war nicht nur einem königsgerichtlichen, sondern auch einem volksgericht-
lichen Urteile gegenüber möglich. Die grundsätzliche Rechtskraft der königsgericht-
lichen Entscheidung ergiebt sich aus Wendungen wie z. B. in Pertz, Dipl. M. 41:
ne deinceps … aliqua renovari videatur causatio .., possideant absque sollicitu-
dine, absque alicuius repetitione, sitque … evindicatum omni tempore et sit in post-
modum de hac re sopita causatio. Vgl. M. 49. 66. Ausdrücklich sagt Karl der
Groſse in Mühlbacher Nr. 385 mit Bezug auf ein missatisches Urteil, daſs der
iudicatus nicht das Recht habe, an den Kaiser zu appellieren. Die Bestimmung in
Cap. Saxon. v. J. 797, c. 4, I 71 darf, weil speziell für die Sachsen berechnet,
nicht generalisiert werden. Übrigens handelt es sich hier um ein volksgericht-
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[522/0540] § 121. Das königsgerichtliche Verfahren. Mallus voraus. Die Ladung giebt ihm Gelegenheit, den vom Kläger er- hobenen Anspruch zu bestreiten. Thut er das, so wird die Sache in den Weg eines kontradiktorischen Verfahrens geleitet. Nach langobardischem Rechte 8 konnte der Gläubiger die gewettete Schuld in einem rein auſsergerichtlichen Mahnverfahren betreiben und nach fruchtloser Mahnung den Schuldner auſsergerichtlich pfänden, ohne daſs der Pfandnahme eine Ladung vor den Richter vorauszugehen brauchte 9. Nur wenn der gemahnte Schuldner bestritt, das von dem Gläubiger behauptete Schuldversprechen gegeben zu haben, wurde ein gerichtliches Incidentverfahren erforderlich, welches die Beweisfrage zu erledigen bestimmt war 10. § 121. Das königsgerichtliche Verfahren. Siehe die Litteratur zu § 77 oben S. 133. Das Verfahren des Königsgerichtes richtet sich im allgemeinen nach den Grundsätzen des volksgerichtlichen Verfahrens. Es ist ein Rechtsverfahren 1, nicht ein Verwaltungsverfahren. Insbesondere spricht wie das Volksgericht auch das Königsgericht rechtskräftige Urteile 2. 8 Wach, Arrestprozeſs 1 ff. Val de Liévre, Launegild und Wadia S. 196. H. Brunner in Z. f. HR XXII 511, Anm. 3. 9 Vgl. oben S. 446. 10 Roth. 366. Liu. 15. Ratchis c. 5. 1 Die Klage wird als interpellatio an den Prozeſsgegner gerichtet. Pertz, Dipl. M. 49. 59. 83, NA XIII 157. Öfter steht suggerere statt interpellare; so in den Scheinprozessen Dipl. M. 64. 68. 76. 79. 94, so bei Belangung des abwesen- den Gegners M. 60, Carta Senon. 26, so bei einer Klage gegen Drogo, Herzog der Champagne, den Sohn des Hausmeiers Pippin, Dipl. M. 70. 2 Anderer Ansicht Schröder, RG S. 369, nach welchem das Königsgericht im Gegensatz zum volksgerichtlichen Verfahren keine Rechtskraft des Urteils ge- kannt habe. Allerdings konnte es vorkommen, daſs der König nach rechtskräftiger Entscheidung der Streitsache eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattete; allein dies war nicht nur einem königsgerichtlichen, sondern auch einem volksgericht- lichen Urteile gegenüber möglich. Die grundsätzliche Rechtskraft der königsgericht- lichen Entscheidung ergiebt sich aus Wendungen wie z. B. in Pertz, Dipl. M. 41: ne deinceps … aliqua renovari videatur causatio .., possideant absque sollicitu- dine, absque alicuius repetitione, sitque … evindicatum omni tempore et sit in post- modum de hac re sopita causatio. Vgl. M. 49. 66. Ausdrücklich sagt Karl der Groſse in Mühlbacher Nr. 385 mit Bezug auf ein missatisches Urteil, daſs der iudicatus nicht das Recht habe, an den Kaiser zu appellieren. Die Bestimmung in Cap. Saxon. v. J. 797, c. 4, I 71 darf, weil speziell für die Sachsen berechnet, nicht generalisiert werden. Übrigens handelt es sich hier um ein volksgericht-

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/540>, abgerufen am 25.04.2024.