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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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und als römischer Kaiser.
Karls Kaisertitel: romanum gubernans imperium. Noch Ludwig II.
schreibt 871 an Basilius, er nenne sich imperator Romanorum, weil
sein Kaisertum die Herrschaft über Rom in sich begreife. In wirk-
samster Weise machte Lothar innerhalb des römischen Gebietes die
kaiserlichen Rechte geltend, indem er 824 in seiner Constitutio Ro-
mana die römischen Verhältnisse durch Satzungen regelte, die ihm
unter anderem die Kontrolle über die ordentlichen Beamten Roms
vorbehielten43, und indem er mit Eugen II. ein Paktum abschloss44,
das die kaiserlichen Hoheitsrechte feststellte. Allerdings gab Karl II.
anlässlich der Erwerbung des Kaisertums wesentliche Rechte desselben
preis45. Doch haben nach ihm noch Wido und insbesondere Lambert
die kaiserliche Autorität in Rom kräftig zur Geltung gebracht, wie
denn überhaupt nach Lage der Dinge der kaiserliche Einfluss daselbst
mehr von den jeweiligen Machtverhältnissen der konkurrierenden Ge-
walten als von Rechtssätzen abhing.

Der neu gewählte Papst musste, wie früher dem Patricius, so
nunmehr dem Kaiser die Anzeige seiner ordnungsmässig erfolgten
Wahl erstatten46. Seit 824 durfte die Konsekration des Gewählten
nicht stattfinden, ehe er nicht vor einem kaiserlichen Missus einen Eid
geschworen hatte47. Der kaiserliche Missus war befugt zu unter-
suchen, ob die Wahl eine rechtmässige gewesen sei48.

Die universale Bedeutung des Kaisertums ging über den Rahmen
des Patriciats weit hinaus. Es gehörte zu den idealen Aufgaben des
Kaisertums, die katholische Christenheit und den rechten Glauben all-
überall zu beschützen und zur Geltung zu bringen. Das Kaisertum
sollte nicht nur den Vorrang, sondern auch eine Art von Oberhoheit

43 Cap. I 323, c. 4.
44 Nicht überliefert, aber in dem Privilegium Ottos I. von 962 allegiert und
zum Teil wiederholt. Th. Sickel, Privilegium S. 162 ff.
45 Libellus de imperatoria potestate in urbe Roma, SS III 722: Qui veniens
Romam renovavit pactum cum Romanis, perdonans illis iura regni et consuetudines
illius ... removit etiam ab eis regias legationes, assiduitatem vel praesentiam
apostolicae electionis. Die Nachricht der vermutlich um die Mitte des zehnten
Jahrhunderts entstandenen Quelle scheint einen richtigen Kern zu haben. Vgl.
Waitz, VG V 84, Anm. 1.
46 Vgl. Hinschius, Kirchenrecht I 231. Ein Recht die Wahl vor der
Weihe zu genehmigen lässt sich für die karolingische Zeit, wie a. O. dargethan
wird, nicht nachweisen.
47 Einen Eid gleich dem, den Eugen II. geschworen, heisst es in der Const.
Rom. Cap. I 324. Den Inhalt des Eides kennen wir nicht.
48 Einhardi Annales z. J. 827: Gregorius electus, sed non prius ordinatus
est, quam legatus imperatoris Romam venit et electionem populi, qualis esset,
examinavit.

und als römischer Kaiser.
Karls Kaisertitel: romanum gubernans imperium. Noch Ludwig II.
schreibt 871 an Basilius, er nenne sich imperator Romanorum, weil
sein Kaisertum die Herrschaft über Rom in sich begreife. In wirk-
samster Weise machte Lothar innerhalb des römischen Gebietes die
kaiserlichen Rechte geltend, indem er 824 in seiner Constitutio Ro-
mana die römischen Verhältnisse durch Satzungen regelte, die ihm
unter anderem die Kontrolle über die ordentlichen Beamten Roms
vorbehielten43, und indem er mit Eugen II. ein Paktum abschloſs44,
das die kaiserlichen Hoheitsrechte feststellte. Allerdings gab Karl II.
anläſslich der Erwerbung des Kaisertums wesentliche Rechte desselben
preis45. Doch haben nach ihm noch Wido und insbesondere Lambert
die kaiserliche Autorität in Rom kräftig zur Geltung gebracht, wie
denn überhaupt nach Lage der Dinge der kaiserliche Einfluſs daselbst
mehr von den jeweiligen Machtverhältnissen der konkurrierenden Ge-
walten als von Rechtssätzen abhing.

Der neu gewählte Papst muſste, wie früher dem Patricius, so
nunmehr dem Kaiser die Anzeige seiner ordnungsmäſsig erfolgten
Wahl erstatten46. Seit 824 durfte die Konsekration des Gewählten
nicht stattfinden, ehe er nicht vor einem kaiserlichen Missus einen Eid
geschworen hatte47. Der kaiserliche Missus war befugt zu unter-
suchen, ob die Wahl eine rechtmäſsige gewesen sei48.

Die universale Bedeutung des Kaisertums ging über den Rahmen
des Patriciats weit hinaus. Es gehörte zu den idealen Aufgaben des
Kaisertums, die katholische Christenheit und den rechten Glauben all-
überall zu beschützen und zur Geltung zu bringen. Das Kaisertum
sollte nicht nur den Vorrang, sondern auch eine Art von Oberhoheit

43 Cap. I 323, c. 4.
44 Nicht überliefert, aber in dem Privilegium Ottos I. von 962 allegiert und
zum Teil wiederholt. Th. Sickel, Privilegium S. 162 ff.
45 Libellus de imperatoria potestate in urbe Roma, SS III 722: Qui veniens
Romam renovavit pactum cum Romanis, perdonans illis iura regni et consuetudines
illius … removit etiam ab eis regias legationes, assiduitatem vel praesentiam
apostolicae electionis. Die Nachricht der vermutlich um die Mitte des zehnten
Jahrhunderts entstandenen Quelle scheint einen richtigen Kern zu haben. Vgl.
Waitz, VG V 84, Anm. 1.
46 Vgl. Hinschius, Kirchenrecht I 231. Ein Recht die Wahl vor der
Weihe zu genehmigen läſst sich für die karolingische Zeit, wie a. O. dargethan
wird, nicht nachweisen.
47 Einen Eid gleich dem, den Eugen II. geschworen, heiſst es in der Const.
Rom. Cap. I 324. Den Inhalt des Eides kennen wir nicht.
48 Einhardi Annales z. J. 827: Gregorius electus, sed non prius ordinatus
est, quam legatus imperatoris Romam venit et electionem populi, qualis esset,
examinavit.
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[93/0111] und als römischer Kaiser. Karls Kaisertitel: romanum gubernans imperium. Noch Ludwig II. schreibt 871 an Basilius, er nenne sich imperator Romanorum, weil sein Kaisertum die Herrschaft über Rom in sich begreife. In wirk- samster Weise machte Lothar innerhalb des römischen Gebietes die kaiserlichen Rechte geltend, indem er 824 in seiner Constitutio Ro- mana die römischen Verhältnisse durch Satzungen regelte, die ihm unter anderem die Kontrolle über die ordentlichen Beamten Roms vorbehielten 43, und indem er mit Eugen II. ein Paktum abschloſs 44, das die kaiserlichen Hoheitsrechte feststellte. Allerdings gab Karl II. anläſslich der Erwerbung des Kaisertums wesentliche Rechte desselben preis 45. Doch haben nach ihm noch Wido und insbesondere Lambert die kaiserliche Autorität in Rom kräftig zur Geltung gebracht, wie denn überhaupt nach Lage der Dinge der kaiserliche Einfluſs daselbst mehr von den jeweiligen Machtverhältnissen der konkurrierenden Ge- walten als von Rechtssätzen abhing. Der neu gewählte Papst muſste, wie früher dem Patricius, so nunmehr dem Kaiser die Anzeige seiner ordnungsmäſsig erfolgten Wahl erstatten 46. Seit 824 durfte die Konsekration des Gewählten nicht stattfinden, ehe er nicht vor einem kaiserlichen Missus einen Eid geschworen hatte 47. Der kaiserliche Missus war befugt zu unter- suchen, ob die Wahl eine rechtmäſsige gewesen sei 48. Die universale Bedeutung des Kaisertums ging über den Rahmen des Patriciats weit hinaus. Es gehörte zu den idealen Aufgaben des Kaisertums, die katholische Christenheit und den rechten Glauben all- überall zu beschützen und zur Geltung zu bringen. Das Kaisertum sollte nicht nur den Vorrang, sondern auch eine Art von Oberhoheit 43 Cap. I 323, c. 4. 44 Nicht überliefert, aber in dem Privilegium Ottos I. von 962 allegiert und zum Teil wiederholt. Th. Sickel, Privilegium S. 162 ff. 45 Libellus de imperatoria potestate in urbe Roma, SS III 722: Qui veniens Romam renovavit pactum cum Romanis, perdonans illis iura regni et consuetudines illius … removit etiam ab eis regias legationes, assiduitatem vel praesentiam apostolicae electionis. Die Nachricht der vermutlich um die Mitte des zehnten Jahrhunderts entstandenen Quelle scheint einen richtigen Kern zu haben. Vgl. Waitz, VG V 84, Anm. 1. 46 Vgl. Hinschius, Kirchenrecht I 231. Ein Recht die Wahl vor der Weihe zu genehmigen läſst sich für die karolingische Zeit, wie a. O. dargethan wird, nicht nachweisen. 47 Einen Eid gleich dem, den Eugen II. geschworen, heiſst es in der Const. Rom. Cap. I 324. Den Inhalt des Eides kennen wir nicht. 48 Einhardi Annales z. J. 827: Gregorius electus, sed non prius ordinatus est, quam legatus imperatoris Romam venit et electionem populi, qualis esset, examinavit.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/111>, abgerufen am 23.04.2024.