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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 80. Das Herzogtum.
schaft Karl Martells. Denn er wies es in diesem Jahre aus Anlass
der Reichsteilung ebenso wie Alamannien seinem Sohne Karlmann zu.
Als Pippin sich 751 zum Könige der Franken erheben liess, ging die
austrasische Herzogsgewalt in das Königtum auf. Das aquitanische
Herzogtum fand nach langem und hartnäckigem Widerstande im Jahre
768 sein Ende. Als Karl der Grosse 788 den Baiernherzog Tassilo III.
absetzte, beseitigte er das letzte der alten Stammesherzogtümer.

Der Zuschnitt der karolingischen Verfassung, insbesondere die
Einrichtung der missatischen Sprengel, war darauf angelegt, für das
Emporkommen neuer herzoglicher Gewalten keinen Raum zu lassen 31.
Ein Dukat findet sich daher als ein ständiges Amt nicht mehr. Doch
ist die Bezeichnung dux üblich geblieben. Duces heissen unter Karl
dem Grossen und seinen Nachfolgern bei den Annalisten und Ge-
schichtschreibern die höheren Befehlshaber im Heere 32. Ausser-
dem wird dux zunächst in nicht amtlichen Schriftstücken als aus-
zeichnender Titel für einzelne Grafen, insbesondere für Markgrafen
gebraucht, ohne dass ihnen eine besondere herzogliche Gewalt zu-
gestanden hätte. Unter Karl dem Grossen und Ludwig I. wird dieser
Sprachgebrauch in amtlichen Aktenstücken noch vermieden 33. Doch
dringt er unter den Söhnen Ludwigs I. auch in die Kanzleisprache
ein 34. Das karolingische Herzogtum ist ein Titularherzogtum.

Ein neues Herzogtum entstand gegen Ausgang des neunten und
zu Anfang des zehnten Jahrhunderts im ostfränkischen Reiche haupt-
sächlich auf Grund der militärischen Führung, die es bei einzelnen
deutschen Stämmen erlangte. Seine Wurzeln reichen zwar in die
fränkische Zeit zurück; doch bleibt die Geschichte des deutschen
Stammesherzogtums füglich der Darstellung der folgenden Periode
vorbehalten.


31 Nur die Stellung, welche die Herzoge von Benevent und zeitweise die Her-
zoge der Britten und Basken einnehmen, mag mit dem Stammesherzogtum ver-
glichen werden.
32 Siehe die Stellen bei Waitz, VG III 366.
33 Einzelne Personen erhalten den Titel nicht. Allerdings aber verwendet
die Kanzlei das Wort duces, um die Gesamtheit der vornehmsten Beamten unter
einem ehrenden Kollektivtitel zusammenzufassen. Th. Sickel, Beitr. zur Diplo-
matik V 72 ff.
34 Mühlbacher Nr. 1401.

§ 80. Das Herzogtum.
schaft Karl Martells. Denn er wies es in diesem Jahre aus Anlaſs
der Reichsteilung ebenso wie Alamannien seinem Sohne Karlmann zu.
Als Pippin sich 751 zum Könige der Franken erheben lieſs, ging die
austrasische Herzogsgewalt in das Königtum auf. Das aquitanische
Herzogtum fand nach langem und hartnäckigem Widerstande im Jahre
768 sein Ende. Als Karl der Groſse 788 den Baiernherzog Tassilo III.
absetzte, beseitigte er das letzte der alten Stammesherzogtümer.

Der Zuschnitt der karolingischen Verfassung, insbesondere die
Einrichtung der missatischen Sprengel, war darauf angelegt, für das
Emporkommen neuer herzoglicher Gewalten keinen Raum zu lassen 31.
Ein Dukat findet sich daher als ein ständiges Amt nicht mehr. Doch
ist die Bezeichnung dux üblich geblieben. Duces heiſsen unter Karl
dem Groſsen und seinen Nachfolgern bei den Annalisten und Ge-
schichtschreibern die höheren Befehlshaber im Heere 32. Auſser-
dem wird dux zunächst in nicht amtlichen Schriftstücken als aus-
zeichnender Titel für einzelne Grafen, insbesondere für Markgrafen
gebraucht, ohne daſs ihnen eine besondere herzogliche Gewalt zu-
gestanden hätte. Unter Karl dem Groſsen und Ludwig I. wird dieser
Sprachgebrauch in amtlichen Aktenstücken noch vermieden 33. Doch
dringt er unter den Söhnen Ludwigs I. auch in die Kanzleisprache
ein 34. Das karolingische Herzogtum ist ein Titularherzogtum.

Ein neues Herzogtum entstand gegen Ausgang des neunten und
zu Anfang des zehnten Jahrhunderts im ostfränkischen Reiche haupt-
sächlich auf Grund der militärischen Führung, die es bei einzelnen
deutschen Stämmen erlangte. Seine Wurzeln reichen zwar in die
fränkische Zeit zurück; doch bleibt die Geschichte des deutschen
Stammesherzogtums füglich der Darstellung der folgenden Periode
vorbehalten.


31 Nur die Stellung, welche die Herzoge von Benevent und zeitweise die Her-
zoge der Britten und Basken einnehmen, mag mit dem Stammesherzogtum ver-
glichen werden.
32 Siehe die Stellen bei Waitz, VG III 366.
33 Einzelne Personen erhalten den Titel nicht. Allerdings aber verwendet
die Kanzlei das Wort duces, um die Gesamtheit der vornehmsten Beamten unter
einem ehrenden Kollektivtitel zusammenzufassen. Th. Sickel, Beitr. zur Diplo-
matik V 72 ff.
34 Mühlbacher Nr. 1401.
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[160/0178] § 80. Das Herzogtum. schaft Karl Martells. Denn er wies es in diesem Jahre aus Anlaſs der Reichsteilung ebenso wie Alamannien seinem Sohne Karlmann zu. Als Pippin sich 751 zum Könige der Franken erheben lieſs, ging die austrasische Herzogsgewalt in das Königtum auf. Das aquitanische Herzogtum fand nach langem und hartnäckigem Widerstande im Jahre 768 sein Ende. Als Karl der Groſse 788 den Baiernherzog Tassilo III. absetzte, beseitigte er das letzte der alten Stammesherzogtümer. Der Zuschnitt der karolingischen Verfassung, insbesondere die Einrichtung der missatischen Sprengel, war darauf angelegt, für das Emporkommen neuer herzoglicher Gewalten keinen Raum zu lassen 31. Ein Dukat findet sich daher als ein ständiges Amt nicht mehr. Doch ist die Bezeichnung dux üblich geblieben. Duces heiſsen unter Karl dem Groſsen und seinen Nachfolgern bei den Annalisten und Ge- schichtschreibern die höheren Befehlshaber im Heere 32. Auſser- dem wird dux zunächst in nicht amtlichen Schriftstücken als aus- zeichnender Titel für einzelne Grafen, insbesondere für Markgrafen gebraucht, ohne daſs ihnen eine besondere herzogliche Gewalt zu- gestanden hätte. Unter Karl dem Groſsen und Ludwig I. wird dieser Sprachgebrauch in amtlichen Aktenstücken noch vermieden 33. Doch dringt er unter den Söhnen Ludwigs I. auch in die Kanzleisprache ein 34. Das karolingische Herzogtum ist ein Titularherzogtum. Ein neues Herzogtum entstand gegen Ausgang des neunten und zu Anfang des zehnten Jahrhunderts im ostfränkischen Reiche haupt- sächlich auf Grund der militärischen Führung, die es bei einzelnen deutschen Stämmen erlangte. Seine Wurzeln reichen zwar in die fränkische Zeit zurück; doch bleibt die Geschichte des deutschen Stammesherzogtums füglich der Darstellung der folgenden Periode vorbehalten. 31 Nur die Stellung, welche die Herzoge von Benevent und zeitweise die Her- zoge der Britten und Basken einnehmen, mag mit dem Stammesherzogtum ver- glichen werden. 32 Siehe die Stellen bei Waitz, VG III 366. 33 Einzelne Personen erhalten den Titel nicht. Allerdings aber verwendet die Kanzlei das Wort duces, um die Gesamtheit der vornehmsten Beamten unter einem ehrenden Kollektivtitel zusammenzufassen. Th. Sickel, Beitr. zur Diplo- matik V 72 ff. 34 Mühlbacher Nr. 1401.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/178>, abgerufen am 23.04.2024.