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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.

Havet, Questions Merovingiennes, 1885. Th. Sickel, Lehre von den Urkunden
der ersten Karolinger, 1867, S. 208 ff. Grimm, Rechtsalterthümer, S. 239 ff.
Waitz, VG II 1, S. 174; III 64, 249 ff. W. Sickel, Göttinger gel. Anzeigen
1889, S. 963 ff. v. Amira, Abschnitt: Recht in Pauls Grundriss der germ. Philo-
logie II 2, S. 126. Martene, De antiquis ecclesiae ritibus ed. 2. 1736, II 563 ff.
Maskell, Monumenta ritualia ecclesiae anglicanae, 1882, vol. II. preliminary dis-
sertation. Waitz, Die Formeln der deutschen Königs- und der römischen Kaiser-
krönung vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, 1873 (Abh. der Götting. Ges. der Wiss.).

Der merowingische König führte den Titel rex Francorum 1 und
zwar auch dann, wenn er nur über ein Teilreich regierte und dieses
etwa überwiegend romanische Bevölkerung hatte. Das Reich war
eben ein regnum Francorum trotz seiner verschiedenartig zusammen-
gesetzten Bevölkerung, und durch sein Königsgeschlecht herrschte der
Stamm der Franken in allen Teilen des Reiches.

Die Kanzlei der Karolinger 2 fügte jenem Titel das Prädikat vir
inluster 3 hinzu, bis es Karl der Grosse 776 endgiltig aufgab. Seit der
Unterwerfung der Langobarden (774) nannte sich Karl rex Francorum
et Langobardorum. Der 774 gleichfalls aufgenommene Zusatz: ac
patricius Romanorum, weicht nach der Kaiserkrönung dem Kaisertitel.
Dieser lautet unter Karl: serenissimus augustus a Deo coronatus
magnus pacificus imperator, Romanum gubernans imperium, qui et
per misericordiam Dei rex Francorum et Langobardorum. Ludwig I.
führte den kürzeren Titel imperator augustus ein.


1 Die in den merowingischen Diplomen übliche Formel v. inl. ist nach Havet,
Quest. Mer. I: La formule N. rex Francorum v. inl., nicht auf den König, sondern
auf die Adressaten, die königlichen Beamten zu beziehen, und nicht als vir inluster,
sondern als viris inlustribus aufzulösen. Zustimmend Zeumer, Götting. gel. Anz.
1887, S. 361 ff.; dagegen Pirenne im Compte-rendu de la commission royale
d'histoire XIII, Nr. 2, 4e serie, Bruxelles 1886, und Harry Bresslau, Neues
Archiv XII, 353 ff. Der merowingische König heisst praecelsus, die Königin
praecelsa, ohne dieses Prädikat im Titel zu führen. So werden auch im älteren
Prolog zur Lex Salica die Könige Chlodovech, Childebert und Chlothar genannt.
Statt per proconsules regis ist in Cod. 6 u. a. per praecelsos regis zu lesen, wie schon
Mommsen, NA XV 184, vermerkt. Vier Handschriften haben praecelsos oder
precelso, vier andere perculsus oder ähnlich. Sehr mit Unrecht hat man aus jenem
Schreibfehler einen Proconsul Chlodovech abgeleitet. Chlodovech hatte von Ostrom
nur den Titel Konsul erhalten. Greg. Tur. Hist. Franc. II 38.
2 Über die Titel der Karolinger bis 840 siehe Th. Sickel a. O. S. 238 ff.
Über die der Könige aus der lothringischen und aus der deutschen Linie der Karo-
linger Mühlbacher p. LXXIV.
3 Die karolingischen Hausmeier hatten sich regelmässig inluster vir maior
domus genannt, wobei inl. vir dem Namen vorausging.
§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.

Havet, Questions Mérovingiennes, 1885. Th. Sickel, Lehre von den Urkunden
der ersten Karolinger, 1867, S. 208 ff. Grimm, Rechtsalterthümer, S. 239 ff.
Waitz, VG II 1, S. 174; III 64, 249 ff. W. Sickel, Göttinger gel. Anzeigen
1889, S. 963 ff. v. Amira, Abschnitt: Recht in Pauls Grundriſs der germ. Philo-
logie II 2, S. 126. Martène, De antiquis ecclesiae ritibus ed. 2. 1736, II 563 ff.
Maskell, Monumenta ritualia ecclesiae anglicanae, 1882, vol. II. preliminary dis-
sertation. Waitz, Die Formeln der deutschen Königs- und der römischen Kaiser-
krönung vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, 1873 (Abh. der Götting. Ges. der Wiss.).

Der merowingische König führte den Titel rex Francorum 1 und
zwar auch dann, wenn er nur über ein Teilreich regierte und dieses
etwa überwiegend romanische Bevölkerung hatte. Das Reich war
eben ein regnum Francorum trotz seiner verschiedenartig zusammen-
gesetzten Bevölkerung, und durch sein Königsgeschlecht herrschte der
Stamm der Franken in allen Teilen des Reiches.

Die Kanzlei der Karolinger 2 fügte jenem Titel das Prädikat vir
inluster 3 hinzu, bis es Karl der Groſse 776 endgiltig aufgab. Seit der
Unterwerfung der Langobarden (774) nannte sich Karl rex Francorum
et Langobardorum. Der 774 gleichfalls aufgenommene Zusatz: ac
patricius Romanorum, weicht nach der Kaiserkrönung dem Kaisertitel.
Dieser lautet unter Karl: serenissimus augustus a Deo coronatus
magnus pacificus imperator, Romanum gubernans imperium, qui et
per misericordiam Dei rex Francorum et Langobardorum. Ludwig I.
führte den kürzeren Titel imperator augustus ein.


1 Die in den merowingischen Diplomen übliche Formel v. inl. ist nach Havet,
Quest. Mér. I: La formule N. rex Francorum v. inl., nicht auf den König, sondern
auf die Adressaten, die königlichen Beamten zu beziehen, und nicht als vir inluster,
sondern als viris inlustribus aufzulösen. Zustimmend Zeumer, Götting. gel. Anz.
1887, S. 361 ff.; dagegen Pirenne im Compte-rendu de la commission royale
d’histoire XIII, Nr. 2, 4e série, Bruxelles 1886, und Harry Breſslau, Neues
Archiv XII, 353 ff. Der merowingische König heiſst praecelsus, die Königin
praecelsa, ohne dieses Prädikat im Titel zu führen. So werden auch im älteren
Prolog zur Lex Salica die Könige Chlodovech, Childebert und Chlothar genannt.
Statt per proconsules regis ist in Cod. 6 u. a. per praecelsos regis zu lesen, wie schon
Mommsen, NA XV 184, vermerkt. Vier Handschriften haben praecelsos oder
precelso, vier andere perculsus oder ähnlich. Sehr mit Unrecht hat man aus jenem
Schreibfehler einen Proconsul Chlodovech abgeleitet. Chlodovech hatte von Ostrom
nur den Titel Konsul erhalten. Greg. Tur. Hist. Franc. II 38.
2 Über die Titel der Karolinger bis 840 siehe Th. Sickel a. O. S. 238 ff.
Über die der Könige aus der lothringischen und aus der deutschen Linie der Karo-
linger Mühlbacher p. LXXIV.
3 Die karolingischen Hausmeier hatten sich regelmäſsig inluster vir maior
domus genannt, wobei inl. vir dem Namen vorausging.
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[14/0032] § 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt. § 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt. Havet, Questions Mérovingiennes, 1885. Th. Sickel, Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger, 1867, S. 208 ff. Grimm, Rechtsalterthümer, S. 239 ff. Waitz, VG II 1, S. 174; III 64, 249 ff. W. Sickel, Göttinger gel. Anzeigen 1889, S. 963 ff. v. Amira, Abschnitt: Recht in Pauls Grundriſs der germ. Philo- logie II 2, S. 126. Martène, De antiquis ecclesiae ritibus ed. 2. 1736, II 563 ff. Maskell, Monumenta ritualia ecclesiae anglicanae, 1882, vol. II. preliminary dis- sertation. Waitz, Die Formeln der deutschen Königs- und der römischen Kaiser- krönung vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, 1873 (Abh. der Götting. Ges. der Wiss.). Der merowingische König führte den Titel rex Francorum 1 und zwar auch dann, wenn er nur über ein Teilreich regierte und dieses etwa überwiegend romanische Bevölkerung hatte. Das Reich war eben ein regnum Francorum trotz seiner verschiedenartig zusammen- gesetzten Bevölkerung, und durch sein Königsgeschlecht herrschte der Stamm der Franken in allen Teilen des Reiches. Die Kanzlei der Karolinger 2 fügte jenem Titel das Prädikat vir inluster 3 hinzu, bis es Karl der Groſse 776 endgiltig aufgab. Seit der Unterwerfung der Langobarden (774) nannte sich Karl rex Francorum et Langobardorum. Der 774 gleichfalls aufgenommene Zusatz: ac patricius Romanorum, weicht nach der Kaiserkrönung dem Kaisertitel. Dieser lautet unter Karl: serenissimus augustus a Deo coronatus magnus pacificus imperator, Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam Dei rex Francorum et Langobardorum. Ludwig I. führte den kürzeren Titel imperator augustus ein. 1 Die in den merowingischen Diplomen übliche Formel v. inl. ist nach Havet, Quest. Mér. I: La formule N. rex Francorum v. inl., nicht auf den König, sondern auf die Adressaten, die königlichen Beamten zu beziehen, und nicht als vir inluster, sondern als viris inlustribus aufzulösen. Zustimmend Zeumer, Götting. gel. Anz. 1887, S. 361 ff.; dagegen Pirenne im Compte-rendu de la commission royale d’histoire XIII, Nr. 2, 4e série, Bruxelles 1886, und Harry Breſslau, Neues Archiv XII, 353 ff. Der merowingische König heiſst praecelsus, die Königin praecelsa, ohne dieses Prädikat im Titel zu führen. So werden auch im älteren Prolog zur Lex Salica die Könige Chlodovech, Childebert und Chlothar genannt. Statt per proconsules regis ist in Cod. 6 u. a. per praecelsos regis zu lesen, wie schon Mommsen, NA XV 184, vermerkt. Vier Handschriften haben praecelsos oder precelso, vier andere perculsus oder ähnlich. Sehr mit Unrecht hat man aus jenem Schreibfehler einen Proconsul Chlodovech abgeleitet. Chlodovech hatte von Ostrom nur den Titel Konsul erhalten. Greg. Tur. Hist. Franc. II 38. 2 Über die Titel der Karolinger bis 840 siehe Th. Sickel a. O. S. 238 ff. Über die der Könige aus der lothringischen und aus der deutschen Linie der Karo- linger Mühlbacher p. LXXIV. 3 Die karolingischen Hausmeier hatten sich regelmäſsig inluster vir maior domus genannt, wobei inl. vir dem Namen vorausging.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/32>, abgerufen am 29.03.2024.