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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 115. Preisgabe und Verknechtung.
§ 115. Preisgabe und Verknechtung.

Waitz, Altes Recht S. 177. v. Amira, Recht S. 164. 200. H. Brunner, Ab-
spaltungen der Friedlosigkeit in Z2 f. RG XI 88 ff. Grimm, RA S. 613 ff.
Waitz, VG II 1, S. 246, IV 338. 520. Schröder, RG S. 255. Esmein, Etu-
des sur les contrats S. 154. R. Loening, Vertragsbruch S. 193 ff. Osenbrüg-
gen
, Strafrecht der Langobarden S. 30. Schmid, Gesetze der Angelsachsen
S. 657. 679. Kohler, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 1883, S. 20 ff.
Kolderup Rosenvinge, Grundrids af den danske Retshistorie II 204. Konrad
Maurer
, Die Schuldknechtschaft nach altnordischem Rechte, Münchener SB 1874.
v. Amira, Altnorwegisches Vollstreckungsverfahren S. 262. Derselbe, Nord-
germanisches Obligationenrecht I 125. 155. 480, II 154 ff.

Unter gewissen Voraussetzungen erfolgt ein Zugriff auf die Per-
son des Schuldigen und wird diese dem Verletzten preisgegeben. Der
Ausgangspunkt der Preisgabe ist entweder Friedlosigkeit schlecht-
weg oder eine durch das Racherecht modifizierte Friedlosigkeit. Wenn
der Verletzte in Fällen des Fehderechtes die Selbsthilfe verschmäht
und Wergeld oder Busse einklagt, so ist der Missethäter verpflichtet,
Sühne zu leisten. Will oder kann er sie nicht leisten, so verfällt er
der Friedlosigkeit. Die Friedlosigkeit erleidet aber diesfalls die Mo-
difikation, dass der Missethäter dem Verletzten ausgeliefert oder über-
lassen wird. Aus der Auslieferung hat sich in verschiedenen Rechten
eine Personalexekution herausgebildet.

Ist eine Wergeldschuld angelobt worden und sind der Schuldner
und seine beitragspflichtige Magschaft insolvent, so wird jener nach
der Lex Salica dem Gläubiger überantwortet und sodann in vier auf-
einanderfolgenden Gerichtstagen aufgeboten, ob ihn nicht ein Dritter
durch Zahlung der Schuld auslöse. Nach vergeblichem Aufgebots-
verfahren ist sein Leben dem Gläubiger verfallen 1. Ein ähnliches
Aufgebotsverfahren greift nach dem Edikte Chilperichs Platz, wenn
ein Leistungsversprechen des Bussschuldners nicht erfolgt war. Dies-
falls schreitet der Graf zunächst zur Auspfändung. Ist sie erfolglos,
so kommt es zum Zugriff auf die Person des Schuldners 2. Er wird

1 Lex Sal. 58. Gregor von Tours erzählt in Hist. Franc. VI 36, wie die
Verwandten einer Entführten den raptor, einen Kleriker, sicut cogit auri sacra
fames, sub pretio venundare procurant, ea videlicet ratione, ut aut esset qui redi-
meret aut certe morti addiceretur obnoxius. Ein Bischof kauft ihn los. Es han-
delt sich um das Aufgebotsverfahren wegen Auslösung eines insolventen Frauen-
räubers.
2 Nach angelsächsischem Rechte sollen jene, die vom Ding zu dem Säumigen
reiten, um sein Vermögen wegzunehmen, sich seiner bemächtigen lebend oder tot,
wenn er nicht Bürgschaft finden kann.
§ 115. Preisgabe und Verknechtung.
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Waitz, Altes Recht S. 177. v. Amira, Recht S. 164. 200. H. Brunner, Ab-
spaltungen der Friedlosigkeit in Z2 f. RG XI 88 ff. Grimm, RA S. 613 ff.
Waitz, VG II 1, S. 246, IV 338. 520. Schröder, RG S. 255. Esmein, Étu-
des sur les contrats S. 154. R. Loening, Vertragsbruch S. 193 ff. Osenbrüg-
gen
, Strafrecht der Langobarden S. 30. Schmid, Gesetze der Angelsachsen
S. 657. 679. Kohler, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 1883, S. 20 ff.
Kolderup Rosenvinge, Grundrids af den danske Retshistorie II 204. Konrad
Maurer
, Die Schuldknechtschaft nach altnordischem Rechte, Münchener SB 1874.
v. Amira, Altnorwegisches Vollstreckungsverfahren S. 262. Derselbe, Nord-
germanisches Obligationenrecht I 125. 155. 480, II 154 ff.

Unter gewissen Voraussetzungen erfolgt ein Zugriff auf die Per-
son des Schuldigen und wird diese dem Verletzten preisgegeben. Der
Ausgangspunkt der Preisgabe ist entweder Friedlosigkeit schlecht-
weg oder eine durch das Racherecht modifizierte Friedlosigkeit. Wenn
der Verletzte in Fällen des Fehderechtes die Selbsthilfe verschmäht
und Wergeld oder Buſse einklagt, so ist der Missethäter verpflichtet,
Sühne zu leisten. Will oder kann er sie nicht leisten, so verfällt er
der Friedlosigkeit. Die Friedlosigkeit erleidet aber diesfalls die Mo-
difikation, daſs der Missethäter dem Verletzten ausgeliefert oder über-
lassen wird. Aus der Auslieferung hat sich in verschiedenen Rechten
eine Personalexekution herausgebildet.

Ist eine Wergeldschuld angelobt worden und sind der Schuldner
und seine beitragspflichtige Magschaft insolvent, so wird jener nach
der Lex Salica dem Gläubiger überantwortet und sodann in vier auf-
einanderfolgenden Gerichtstagen aufgeboten, ob ihn nicht ein Dritter
durch Zahlung der Schuld auslöse. Nach vergeblichem Aufgebots-
verfahren ist sein Leben dem Gläubiger verfallen 1. Ein ähnliches
Aufgebotsverfahren greift nach dem Edikte Chilperichs Platz, wenn
ein Leistungsversprechen des Buſsschuldners nicht erfolgt war. Dies-
falls schreitet der Graf zunächst zur Auspfändung. Ist sie erfolglos,
so kommt es zum Zugriff auf die Person des Schuldners 2. Er wird

1 Lex Sal. 58. Gregor von Tours erzählt in Hist. Franc. VI 36, wie die
Verwandten einer Entführten den raptor, einen Kleriker, sicut cogit auri sacra
fames, sub pretio venundare procurant, ea videlicet ratione, ut aut esset qui redi-
meret aut certe morti addiceretur obnoxius. Ein Bischof kauft ihn los. Es han-
delt sich um das Aufgebotsverfahren wegen Auslösung eines insolventen Frauen-
räubers.
2 Nach angelsächsischem Rechte sollen jene, die vom Ding zu dem Säumigen
reiten, um sein Vermögen wegzunehmen, sich seiner bemächtigen lebend oder tot,
wenn er nicht Bürgschaft finden kann.
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[477/0495] § 115. Preisgabe und Verknechtung. § 115. Preisgabe und Verknechtung. Waitz, Altes Recht S. 177. v. Amira, Recht S. 164. 200. H. Brunner, Ab- spaltungen der Friedlosigkeit in Z2 f. RG XI 88 ff. Grimm, RA S. 613 ff. Waitz, VG II 1, S. 246, IV 338. 520. Schröder, RG S. 255. Esmein, Étu- des sur les contrats S. 154. R. Loening, Vertragsbruch S. 193 ff. Osenbrüg- gen, Strafrecht der Langobarden S. 30. Schmid, Gesetze der Angelsachsen S. 657. 679. Kohler, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 1883, S. 20 ff. Kolderup Rosenvinge, Grundrids af den danske Retshistorie II 204. Konrad Maurer, Die Schuldknechtschaft nach altnordischem Rechte, Münchener SB 1874. v. Amira, Altnorwegisches Vollstreckungsverfahren S. 262. Derselbe, Nord- germanisches Obligationenrecht I 125. 155. 480, II 154 ff. Unter gewissen Voraussetzungen erfolgt ein Zugriff auf die Per- son des Schuldigen und wird diese dem Verletzten preisgegeben. Der Ausgangspunkt der Preisgabe ist entweder Friedlosigkeit schlecht- weg oder eine durch das Racherecht modifizierte Friedlosigkeit. Wenn der Verletzte in Fällen des Fehderechtes die Selbsthilfe verschmäht und Wergeld oder Buſse einklagt, so ist der Missethäter verpflichtet, Sühne zu leisten. Will oder kann er sie nicht leisten, so verfällt er der Friedlosigkeit. Die Friedlosigkeit erleidet aber diesfalls die Mo- difikation, daſs der Missethäter dem Verletzten ausgeliefert oder über- lassen wird. Aus der Auslieferung hat sich in verschiedenen Rechten eine Personalexekution herausgebildet. Ist eine Wergeldschuld angelobt worden und sind der Schuldner und seine beitragspflichtige Magschaft insolvent, so wird jener nach der Lex Salica dem Gläubiger überantwortet und sodann in vier auf- einanderfolgenden Gerichtstagen aufgeboten, ob ihn nicht ein Dritter durch Zahlung der Schuld auslöse. Nach vergeblichem Aufgebots- verfahren ist sein Leben dem Gläubiger verfallen 1. Ein ähnliches Aufgebotsverfahren greift nach dem Edikte Chilperichs Platz, wenn ein Leistungsversprechen des Buſsschuldners nicht erfolgt war. Dies- falls schreitet der Graf zunächst zur Auspfändung. Ist sie erfolglos, so kommt es zum Zugriff auf die Person des Schuldners 2. Er wird 1 Lex Sal. 58. Gregor von Tours erzählt in Hist. Franc. VI 36, wie die Verwandten einer Entführten den raptor, einen Kleriker, sicut cogit auri sacra fames, sub pretio venundare procurant, ea videlicet ratione, ut aut esset qui redi- meret aut certe morti addiceretur obnoxius. Ein Bischof kauft ihn los. Es han- delt sich um das Aufgebotsverfahren wegen Auslösung eines insolventen Frauen- räubers. 2 Nach angelsächsischem Rechte sollen jene, die vom Ding zu dem Säumigen reiten, um sein Vermögen wegzunehmen, sich seiner bemächtigen lebend oder tot, wenn er nicht Bürgschaft finden kann.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/495>, abgerufen am 25.04.2024.