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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 140. Die Heimsuchung.

Schwedisches und jütisches Recht liessen bei der Heimsuchung
das Erfordernis der Gefolgschaft fallen, so dass auch ein einzelner
Heimsuchung oder Heerwerk verüben konnte und dieses Verbrechen
sich nur noch durch das Merkmal schwerer Gewaltthat vom einfachen
Hausfriedensbruche abhob. Dieselbe Entwickelung begegnet nachmals
in deutschen Rechtsquellen. Ein westfränkisches Kapitular unter-
scheidet harizuht und 'adsalitura in domos', vermutlich in der Weise,
dass diese den weiteren Begriff bildete und auch von einem einzelnen
begangen werden konnte 18.

Die Strafe der Heimsuchung ist in den verschiedenen Rechten
eine ungleichartige, was zum Teil mit der Verschiedenheit des vor-
ausgesetzten Thatbestandes zusammenhängt 19. Bei den Langobarden
verwirkt der Unternehmer sein Leben 20, bei den Angelsachsen sein
Vermögen, während sein Leben im Ermessen des Königs steht 21.
Auf grundsätzliche Lebensverwirkung deutet es auch hin, wenn
schwere Heimsuchung nach salischem Rechte vom Anführer mit dem
Wergelde gebüsst wird. Nordische Rechte behandeln die Heimsuchung
oder doch die schwere Heimsuchung als unsühnbare That 22, eine Auf-
fassung, die vermutlich unter dänischem Einflusse für die als Haus-
bruch ausgezeichnete Heimsuchung 23 auch bei den Angelsachsen ein-
drang.

Die deutschen Volksrechte des fränkischen Reiches setzen auf die
einfache Heimsuchung Bussen, die niedriger sind als das Wergeld und
mitunter für die Mitglieder der Bande nach dem Masse der Beteiligung
abgestuft werden 24. Bei den Baiern büsst der Führer die heriraita
mit 40 Solidi und mit einem fredus von gleicher Höhe, die heimzuht
mit Busse und Brüche von je 12 Solidi 25. Die karolingischen Kapitu-

18 Conv. Silvac. v. J. 863, c. 3, Pertz, LL I 424. Die adsalitura war entweder
adsalitura in domos, die mit Gefolge begangen zu harizuht wurde, oder adsalitura
in via, Wegeraub, Strassenraub.
19 Im allgemeinen gilt schon für die fränkische Zeit das Wort des Schwaben-
spiegels, Lassberg 301: die buss ist etwa ring etwa swer ye nach des landes ge-
wonheit.
20 Siehe oben S. 573.
21 Edmund II 6. Vgl. Aethelred IV 4.
22 Wilda, Strafrecht S. 956.
23 Wenn Knut II 62 auf Heimsuchung eine Busse von fünf Pfund setzt, da-
gegen Knut II 64 Hausbruch (husbryce) und Brand für unsühnbare Thaten erklärt,
so ist unter Hausbruch eine ausgezeichnete Heimsuchung zu verstehen, eine solche,
bei der eine destructio domus stattfindet (vgl. Roth. 379). Dasselbe gilt von Leges
Henrici primi 12, 1.
24 Siehe oben S. 572. 573.
25 Lex Baiuw. IV 23. 24.
§ 140. Die Heimsuchung.

Schwedisches und jütisches Recht lieſsen bei der Heimsuchung
das Erfordernis der Gefolgschaft fallen, so daſs auch ein einzelner
Heimsuchung oder Heerwerk verüben konnte und dieses Verbrechen
sich nur noch durch das Merkmal schwerer Gewaltthat vom einfachen
Hausfriedensbruche abhob. Dieselbe Entwickelung begegnet nachmals
in deutschen Rechtsquellen. Ein westfränkisches Kapitular unter-
scheidet harizuht und ‘adsalitura in domos’, vermutlich in der Weise,
daſs diese den weiteren Begriff bildete und auch von einem einzelnen
begangen werden konnte 18.

Die Strafe der Heimsuchung ist in den verschiedenen Rechten
eine ungleichartige, was zum Teil mit der Verschiedenheit des vor-
ausgesetzten Thatbestandes zusammenhängt 19. Bei den Langobarden
verwirkt der Unternehmer sein Leben 20, bei den Angelsachsen sein
Vermögen, während sein Leben im Ermessen des Königs steht 21.
Auf grundsätzliche Lebensverwirkung deutet es auch hin, wenn
schwere Heimsuchung nach salischem Rechte vom Anführer mit dem
Wergelde gebüſst wird. Nordische Rechte behandeln die Heimsuchung
oder doch die schwere Heimsuchung als unsühnbare That 22, eine Auf-
fassung, die vermutlich unter dänischem Einfluſse für die als Haus-
bruch ausgezeichnete Heimsuchung 23 auch bei den Angelsachsen ein-
drang.

Die deutschen Volksrechte des fränkischen Reiches setzen auf die
einfache Heimsuchung Buſsen, die niedriger sind als das Wergeld und
mitunter für die Mitglieder der Bande nach dem Maſse der Beteiligung
abgestuft werden 24. Bei den Baiern büſst der Führer die heriraita
mit 40 Solidi und mit einem fredus von gleicher Höhe, die heimzuht
mit Buſse und Brüche von je 12 Solidi 25. Die karolingischen Kapitu-

18 Conv. Silvac. v. J. 863, c. 3, Pertz, LL I 424. Die adsalitura war entweder
adsalitura in domos, die mit Gefolge begangen zu harizuht wurde, oder adsalitura
in via, Wegeraub, Straſsenraub.
19 Im allgemeinen gilt schon für die fränkische Zeit das Wort des Schwaben-
spiegels, Laſsberg 301: die bůſs ist etwa ring etwa swer ye nach des landes ge-
wonheit.
20 Siehe oben S. 573.
21 Edmund II 6. Vgl. Aethelred IV 4.
22 Wilda, Strafrecht S. 956.
23 Wenn Knut II 62 auf Heimsuchung eine Buſse von fünf Pfund setzt, da-
gegen Knut II 64 Hausbruch (húsbryce) und Brand für unsühnbare Thaten erklärt,
so ist unter Hausbruch eine ausgezeichnete Heimsuchung zu verstehen, eine solche,
bei der eine destructio domus stattfindet (vgl. Roth. 379). Dasselbe gilt von Leges
Henrici primi 12, 1.
24 Siehe oben S. 572. 573.
25 Lex Baiuw. IV 23. 24.
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[653/0671] § 140. Die Heimsuchung. Schwedisches und jütisches Recht lieſsen bei der Heimsuchung das Erfordernis der Gefolgschaft fallen, so daſs auch ein einzelner Heimsuchung oder Heerwerk verüben konnte und dieses Verbrechen sich nur noch durch das Merkmal schwerer Gewaltthat vom einfachen Hausfriedensbruche abhob. Dieselbe Entwickelung begegnet nachmals in deutschen Rechtsquellen. Ein westfränkisches Kapitular unter- scheidet harizuht und ‘adsalitura in domos’, vermutlich in der Weise, daſs diese den weiteren Begriff bildete und auch von einem einzelnen begangen werden konnte 18. Die Strafe der Heimsuchung ist in den verschiedenen Rechten eine ungleichartige, was zum Teil mit der Verschiedenheit des vor- ausgesetzten Thatbestandes zusammenhängt 19. Bei den Langobarden verwirkt der Unternehmer sein Leben 20, bei den Angelsachsen sein Vermögen, während sein Leben im Ermessen des Königs steht 21. Auf grundsätzliche Lebensverwirkung deutet es auch hin, wenn schwere Heimsuchung nach salischem Rechte vom Anführer mit dem Wergelde gebüſst wird. Nordische Rechte behandeln die Heimsuchung oder doch die schwere Heimsuchung als unsühnbare That 22, eine Auf- fassung, die vermutlich unter dänischem Einfluſse für die als Haus- bruch ausgezeichnete Heimsuchung 23 auch bei den Angelsachsen ein- drang. Die deutschen Volksrechte des fränkischen Reiches setzen auf die einfache Heimsuchung Buſsen, die niedriger sind als das Wergeld und mitunter für die Mitglieder der Bande nach dem Maſse der Beteiligung abgestuft werden 24. Bei den Baiern büſst der Führer die heriraita mit 40 Solidi und mit einem fredus von gleicher Höhe, die heimzuht mit Buſse und Brüche von je 12 Solidi 25. Die karolingischen Kapitu- 18 Conv. Silvac. v. J. 863, c. 3, Pertz, LL I 424. Die adsalitura war entweder adsalitura in domos, die mit Gefolge begangen zu harizuht wurde, oder adsalitura in via, Wegeraub, Straſsenraub. 19 Im allgemeinen gilt schon für die fränkische Zeit das Wort des Schwaben- spiegels, Laſsberg 301: die bůſs ist etwa ring etwa swer ye nach des landes ge- wonheit. 20 Siehe oben S. 573. 21 Edmund II 6. Vgl. Aethelred IV 4. 22 Wilda, Strafrecht S. 956. 23 Wenn Knut II 62 auf Heimsuchung eine Buſse von fünf Pfund setzt, da- gegen Knut II 64 Hausbruch (húsbryce) und Brand für unsühnbare Thaten erklärt, so ist unter Hausbruch eine ausgezeichnete Heimsuchung zu verstehen, eine solche, bei der eine destructio domus stattfindet (vgl. Roth. 379). Dasselbe gilt von Leges Henrici primi 12, 1. 24 Siehe oben S. 572. 573. 25 Lex Baiuw. IV 23. 24.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/671>, abgerufen am 20.04.2024.