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Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.

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Ein Zimmer.
Julie.
Das Volk lief in den Gassen, jetzt ist Alles
still. Keinen Augenblick möcht' ich ihn warten
lassen. (Sie zieht eine Phiole hervor.) Komm, lieb-
ster Priester, dessen Amen uns zu Bette gehen
macht. (Sie tritt an's Fenster.) Es ist so hübsch,
Abschied zu nehmen; ich habe die Thüre nur noch
hinter mir zuzuziehen. (Sie trinkt.) -- Man möchte
immer so stehn. -- Die Sonne ist hinunter, der
Erde Züge waren so scharf in ihrem Licht, doch
jetzt ist ihr Gesicht so still und ernst, wie einer
Sterbenden. -- Wie schön das Abendlicht ihr um
Stirn und Wangen spielt. -- Stets bleicher und
bleicher wird sie, wie eine Leiche treibt sie abwärts
in der Fluth des Äthers; will denn kein Arm sie
bei den goldnen Locken fassen und aus dem Strom
sie ziehen und begraben? -- Ich gehe leise. Ich
küsse sie nicht, daß kein Hauch, kein Seufzer sie
aus dem Schlummer wecke. -- Schlafe, schlafe.

(Sie stirbt.)

Ein Zimmer.
Julie.
Das Volk lief in den Gaſſen, jetzt iſt Alles
ſtill. Keinen Augenblick möcht’ ich ihn warten
laſſen. (Sie zieht eine Phiole hervor.) Komm, lieb-
ſter Prieſter, deſſen Amen uns zu Bette gehen
macht. (Sie tritt an’s Fenſter.) Es iſt ſo hübſch,
Abſchied zu nehmen; ich habe die Thüre nur noch
hinter mir zuzuziehen. (Sie trinkt.) — Man möchte
immer ſo ſtehn. — Die Sonne iſt hinunter, der
Erde Züge waren ſo ſcharf in ihrem Licht, doch
jetzt iſt ihr Geſicht ſo ſtill und ernſt, wie einer
Sterbenden. — Wie ſchön das Abendlicht ihr um
Stirn und Wangen ſpielt. — Stets bleicher und
bleicher wird ſie, wie eine Leiche treibt ſie abwärts
in der Fluth des Äthers; will denn kein Arm ſie
bei den goldnen Locken faſſen und aus dem Strom
ſie ziehen und begraben? — Ich gehe leiſe. Ich
küſſe ſie nicht, daß kein Hauch, kein Seufzer ſie
aus dem Schlummer wecke. — Schlafe, ſchlafe.

(Sie ſtirbt.)

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[146/0150] Ein Zimmer. Julie. Das Volk lief in den Gaſſen, jetzt iſt Alles ſtill. Keinen Augenblick möcht’ ich ihn warten laſſen. (Sie zieht eine Phiole hervor.) Komm, lieb- ſter Prieſter, deſſen Amen uns zu Bette gehen macht. (Sie tritt an’s Fenſter.) Es iſt ſo hübſch, Abſchied zu nehmen; ich habe die Thüre nur noch hinter mir zuzuziehen. (Sie trinkt.) — Man möchte immer ſo ſtehn. — Die Sonne iſt hinunter, der Erde Züge waren ſo ſcharf in ihrem Licht, doch jetzt iſt ihr Geſicht ſo ſtill und ernſt, wie einer Sterbenden. — Wie ſchön das Abendlicht ihr um Stirn und Wangen ſpielt. — Stets bleicher und bleicher wird ſie, wie eine Leiche treibt ſie abwärts in der Fluth des Äthers; will denn kein Arm ſie bei den goldnen Locken faſſen und aus dem Strom ſie ziehen und begraben? — Ich gehe leiſe. Ich küſſe ſie nicht, daß kein Hauch, kein Seufzer ſie aus dem Schlummer wecke. — Schlafe, ſchlafe. (Sie ſtirbt.)

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/150>, abgerufen am 28.03.2024.