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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Barrere. (zuckt die Achseln). Pst! davon darf der Tugend-
hafte nichts wissen.
Billaud. Er ist ein impotenter Masonet.
(Billaud und Collot ab.)
Barrere (allein). Du Ungeheuer! -- "Es ist noch
nicht lange genug, daß du den Tod wünschest!" Diese Worte
hätten die Zunge müssen verdorren machen, die sie gesprochen.
-- Und ich? -- Als die Septembriseurs in die Gefängnisse
drangen, faßt ein Gefangener sein Messer, er drängt sich
unter die Mörder, er stößt es in die Brust eines Priesters,
er ist gerettet! -- Wer kann was dawider haben? -- Ob
ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den Wohl-
fahrts-Ausschuß setze, ob ich ein Guillotinen- oder ein Taschen-
messer nehme? Es ist der nämliche Fall, nur mit etwas
verwickelteren Umständen, die Grundverhältnisse sind sich gleich.
-- Und durft' er Einen morden, durft' er auch Zwei, auch
Drei, auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen die
Gerstenkörner, machen zwei einen Haufen, drei, vier, wie
viel dann? Komm, mein Gewissen, komm, mein Hühnchen,
bi! bi! bi! komm, da ist Futter. -- Doch -- war ich
auch Gefangener? Verdächtig war ich, das läuft auf Eins
hinaus, der Tod war mir gewiß. Komm, mein Gewissen,
wir vertragen uns noch ganz gut!
(Ab)


Die Conciergerie.
Lacroix, Danton, Philippeau, Camille.
Lacroix. Du hast gut geschrieen, Danton; hättest du
dich früher so um dein Leben gequält, es wäre jetzt anders.
Barrère. (zuckt die Achſeln). Pſt! davon darf der Tugend-
hafte nichts wiſſen.
Billaud. Er iſt ein impotenter Maſonet.
(Billaud und Collot ab.)
Barrère (allein). Du Ungeheuer! — "Es iſt noch
nicht lange genug, daß du den Tod wünſcheſt!" Dieſe Worte
hätten die Zunge müſſen verdorren machen, die ſie geſprochen.
— Und ich? — Als die Septembriſeurs in die Gefängniſſe
drangen, faßt ein Gefangener ſein Meſſer, er drängt ſich
unter die Mörder, er ſtößt es in die Bruſt eines Prieſters,
er iſt gerettet! — Wer kann was dawider haben? — Ob
ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den Wohl-
fahrts-Ausſchuß ſetze, ob ich ein Guillotinen- oder ein Taſchen-
meſſer nehme? Es iſt der nämliche Fall, nur mit etwas
verwickelteren Umſtänden, die Grundverhältniſſe ſind ſich gleich.
— Und durft' er Einen morden, durft' er auch Zwei, auch
Drei, auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen die
Gerſtenkörner, machen zwei einen Haufen, drei, vier, wie
viel dann? Komm, mein Gewiſſen, komm, mein Hühnchen,
bi! bi! bi! komm, da iſt Futter. — Doch — war ich
auch Gefangener? Verdächtig war ich, das läuft auf Eins
hinaus, der Tod war mir gewiß. Komm, mein Gewiſſen,
wir vertragen uns noch ganz gut!
(Ab)


Die Conciergerie.
Lacroix, Danton, Philippeau, Camille.
Lacroix. Du haſt gut geſchrieen, Danton; hätteſt du
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[75/0271] Barrère. (zuckt die Achſeln). Pſt! davon darf der Tugend- hafte nichts wiſſen. Billaud. Er iſt ein impotenter Maſonet. (Billaud und Collot ab.) Barrère (allein). Du Ungeheuer! — "Es iſt noch nicht lange genug, daß du den Tod wünſcheſt!" Dieſe Worte hätten die Zunge müſſen verdorren machen, die ſie geſprochen. — Und ich? — Als die Septembriſeurs in die Gefängniſſe drangen, faßt ein Gefangener ſein Meſſer, er drängt ſich unter die Mörder, er ſtößt es in die Bruſt eines Prieſters, er iſt gerettet! — Wer kann was dawider haben? — Ob ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den Wohl- fahrts-Ausſchuß ſetze, ob ich ein Guillotinen- oder ein Taſchen- meſſer nehme? Es iſt der nämliche Fall, nur mit etwas verwickelteren Umſtänden, die Grundverhältniſſe ſind ſich gleich. — Und durft' er Einen morden, durft' er auch Zwei, auch Drei, auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen die Gerſtenkörner, machen zwei einen Haufen, drei, vier, wie viel dann? Komm, mein Gewiſſen, komm, mein Hühnchen, bi! bi! bi! komm, da iſt Futter. — Doch — war ich auch Gefangener? Verdächtig war ich, das läuft auf Eins hinaus, der Tod war mir gewiß. Komm, mein Gewiſſen, wir vertragen uns noch ganz gut! (Ab) Die Conciergerie. Lacroix, Danton, Philippeau, Camille. Lacroix. Du haſt gut geſchrieen, Danton; hätteſt du dich früher ſo um dein Leben gequält, es wäre jetzt anders.

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/271>, abgerufen am 16.04.2024.