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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Niemand hat seinen Werth klarer zu erkennen ver-
mocht, aber auch Niemand unter den Härten dieses Mannes
schmerzlicher gelitten, als die treue Gefährtin seines Lebens.
Ich wollte ein großer Dichter sein, nur um das Bild dieser
edlen Frau unvergänglich hinstellen zu können zur Freude
aller guten Menschen. Wer von ihr berichtet, legt ihr einen
Lichtschein um das Haupt und dankt dem Geschick, daß er
ihr begegnen durfte. Es ist ein seltener Zauber gewesen,
durch den sie die Herzen zwang und noch in der Erinnerung
nüchternen Naturen das duftigste Wort auf die Lippen legt:
der Zauber ächtester Liebenswürdigkeit. Sie habe, berichten
Alle, jedem wohlgethan und keinem wehe; ihre Güte wie
ihre Kenntniß des Menschenherzens seien gleich groß gewesen
und darum unvergleichlich das Product aus beiden: ihr Tact,
ihre zarteste Rücksichtsnahme auf jede Eigenart. Ohne
blendenden Geistes zu sein, habe sie Alles verstanden, ohne
blendende Schönheit zu sein, habe sie schon durch ihr
Aeußeres Männer und Frauen gefesselt. Niemand sei ihr
näher getreten, der sie nicht immer mehr verehren und lieben
gelernt; und ihr Freund zu sein, sei Jedem mit Recht ein
Stolz gewesen. "Denn", sagt einer dieser Erwählten, "ihr
Instinkt für das Edle und das Gemeine war gleich scharf,
und mit derselben stillen Gewalt wußte sie das Eine an-
zuziehen, das Andere abzuwehren. Es wäre vergeblich zu
entscheiden, ob sie als Gattin oder Mutter trefflicher ge-
wesen, ob ihre Gabe, sich für das Höchste zu begeistern,
höher stand, oder jene, sich dem Kleinsten und Nüchternsten
zuzuwenden, sofern es in ihren Pflichtkreis trat. Auch in
ihren Tugenden waltete Harmonie. Caroline Büchner war
ein Musterbild edelster Menschlichkeit." Die Vereinigung

Niemand hat ſeinen Werth klarer zu erkennen ver-
mocht, aber auch Niemand unter den Härten dieſes Mannes
ſchmerzlicher gelitten, als die treue Gefährtin ſeines Lebens.
Ich wollte ein großer Dichter ſein, nur um das Bild dieſer
edlen Frau unvergänglich hinſtellen zu können zur Freude
aller guten Menſchen. Wer von ihr berichtet, legt ihr einen
Lichtſchein um das Haupt und dankt dem Geſchick, daß er
ihr begegnen durfte. Es iſt ein ſeltener Zauber geweſen,
durch den ſie die Herzen zwang und noch in der Erinnerung
nüchternen Naturen das duftigſte Wort auf die Lippen legt:
der Zauber ächteſter Liebenswürdigkeit. Sie habe, berichten
Alle, jedem wohlgethan und keinem wehe; ihre Güte wie
ihre Kenntniß des Menſchenherzens ſeien gleich groß geweſen
und darum unvergleichlich das Product aus beiden: ihr Tact,
ihre zarteſte Rückſichtsnahme auf jede Eigenart. Ohne
blendenden Geiſtes zu ſein, habe ſie Alles verſtanden, ohne
blendende Schönheit zu ſein, habe ſie ſchon durch ihr
Aeußeres Männer und Frauen gefeſſelt. Niemand ſei ihr
näher getreten, der ſie nicht immer mehr verehren und lieben
gelernt; und ihr Freund zu ſein, ſei Jedem mit Recht ein
Stolz geweſen. "Denn", ſagt einer dieſer Erwählten, "ihr
Inſtinkt für das Edle und das Gemeine war gleich ſcharf,
und mit derſelben ſtillen Gewalt wußte ſie das Eine an-
zuziehen, das Andere abzuwehren. Es wäre vergeblich zu
entſcheiden, ob ſie als Gattin oder Mutter trefflicher ge-
weſen, ob ihre Gabe, ſich für das Höchſte zu begeiſtern,
höher ſtand, oder jene, ſich dem Kleinſten und Nüchternſten
zuzuwenden, ſofern es in ihren Pflichtkreis trat. Auch in
ihren Tugenden waltete Harmonie. Caroline Büchner war
ein Muſterbild edelſter Menſchlichkeit." Die Vereinigung

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[XIII/0029] Niemand hat ſeinen Werth klarer zu erkennen ver- mocht, aber auch Niemand unter den Härten dieſes Mannes ſchmerzlicher gelitten, als die treue Gefährtin ſeines Lebens. Ich wollte ein großer Dichter ſein, nur um das Bild dieſer edlen Frau unvergänglich hinſtellen zu können zur Freude aller guten Menſchen. Wer von ihr berichtet, legt ihr einen Lichtſchein um das Haupt und dankt dem Geſchick, daß er ihr begegnen durfte. Es iſt ein ſeltener Zauber geweſen, durch den ſie die Herzen zwang und noch in der Erinnerung nüchternen Naturen das duftigſte Wort auf die Lippen legt: der Zauber ächteſter Liebenswürdigkeit. Sie habe, berichten Alle, jedem wohlgethan und keinem wehe; ihre Güte wie ihre Kenntniß des Menſchenherzens ſeien gleich groß geweſen und darum unvergleichlich das Product aus beiden: ihr Tact, ihre zarteſte Rückſichtsnahme auf jede Eigenart. Ohne blendenden Geiſtes zu ſein, habe ſie Alles verſtanden, ohne blendende Schönheit zu ſein, habe ſie ſchon durch ihr Aeußeres Männer und Frauen gefeſſelt. Niemand ſei ihr näher getreten, der ſie nicht immer mehr verehren und lieben gelernt; und ihr Freund zu ſein, ſei Jedem mit Recht ein Stolz geweſen. "Denn", ſagt einer dieſer Erwählten, "ihr Inſtinkt für das Edle und das Gemeine war gleich ſcharf, und mit derſelben ſtillen Gewalt wußte ſie das Eine an- zuziehen, das Andere abzuwehren. Es wäre vergeblich zu entſcheiden, ob ſie als Gattin oder Mutter trefflicher ge- weſen, ob ihre Gabe, ſich für das Höchſte zu begeiſtern, höher ſtand, oder jene, ſich dem Kleinſten und Nüchternſten zuzuwenden, ſofern es in ihren Pflichtkreis trat. Auch in ihren Tugenden waltete Harmonie. Caroline Büchner war ein Muſterbild edelſter Menſchlichkeit." Die Vereinigung

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/29>, abgerufen am 23.04.2024.