Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie hatten alle rothe Schuh
Und gingen immer zu.
Erstes Mädchen (tritt aus der Reihe). Was Anderes!
Alle. Was Anderes! Was?
Erstes Mädchen. Ich weiß nit. Was Anderes!
Marie. Kommt -- alle im Kreis (singt, die Kinder
singen nach und drehen sich).

"Ringel, Ringel, Rosenkranz,
Ringel, Ringel!
Erstes Mädchen. (zur alten Frau). Großmutter, warum
scheint heute die Sonn'?
Alte Frau. Darum!
Erstes Mädchen. Aber warum -- darum?
Zweites Mädchen. Großmutter, erzählt was!
Marie. Ja, erzählt was, Base.
Alte Frau (erzählt). Es war einmal ein arm Kind
und hatt' keinen Vater und keine Mutter -- war Alles
todt und war Niemand auf der Welt, und es hat gehungert
und geweint Tag und Nacht. Und weil es Niemand mehr
hatt' auf der Welt, wollt's in den Himmel geh'n. Und
der Mond guckt' es so freundlich an, und wie's endlich zum
Mond kommt, ist's ein Stück faul Holz. Da wollt's zur
Sonne geh'n, und die Sonn' guckt es so freundlich an, und
wie's endlich zur Sonne kommt, ist's ein verwelkt Sonn-
blümlein. Da wollt's zu den Sternen geh'n, und die
Sterne gucken es so freundlich an, und wie's endlich zu den
Sternen kommt, da sind's goldene Mücklein, die sind auf-
gespießt auf Schlehendörner und sterben. Da wollt' das
Kind wieder zur Erde, aber wie's zur Erde kam, da war
die Erde ein umgestürzt Häfchen. Und so war das Kind
Sie hatten alle rothe Schuh
Und gingen immer zu.
Erſtes Mädchen (tritt aus der Reihe). Was Anderes!
Alle. Was Anderes! Was?
Erſtes Mädchen. Ich weiß nit. Was Anderes!
Marie. Kommt — alle im Kreis (ſingt, die Kinder
ſingen nach und drehen ſich).

"Ringel, Ringel, Roſenkranz,
Ringel, Ringel!
Erſtes Mädchen. (zur alten Frau). Großmutter, warum
ſcheint heute die Sonn'?
Alte Frau. Darum!
Erſtes Mädchen. Aber warum — darum?
Zweites Mädchen. Großmutter, erzählt was!
Marie. Ja, erzählt was, Baſe.
Alte Frau (erzählt). Es war einmal ein arm Kind
und hatt' keinen Vater und keine Mutter — war Alles
todt und war Niemand auf der Welt, und es hat gehungert
und geweint Tag und Nacht. Und weil es Niemand mehr
hatt' auf der Welt, wollt's in den Himmel geh'n. Und
der Mond guckt' es ſo freundlich an, und wie's endlich zum
Mond kommt, iſt's ein Stück faul Holz. Da wollt's zur
Sonne geh'n, und die Sonn' guckt es ſo freundlich an, und
wie's endlich zur Sonne kommt, iſt's ein verwelkt Sonn-
blümlein. Da wollt's zu den Sternen geh'n, und die
Sterne gucken es ſo freundlich an, und wie's endlich zu den
Sternen kommt, da ſind's goldene Mücklein, die ſind auf-
geſpießt auf Schlehendörner und ſterben. Da wollt' das
Kind wieder zur Erde, aber wie's zur Erde kam, da war
die Erde ein umgeſtürzt Häfchen. Und ſo war das Kind
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="scene" n="3">
            <sp who="#KLEM">
              <lg type="poem">
                <pb facs="#f0390" n="194"/>
                <l>Sie hatten alle rothe Schuh</l><lb/>
                <l>Und gingen immer zu.</l>
              </lg>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ERMAED">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Mädchen</hi> </hi> </speaker>
              <stage>(tritt aus der Reihe).</stage>
              <p>Was Anderes!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ALL">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Alle.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Was Anderes! Was?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ERMAED">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Mädchen.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Ich weiß nit. Was Anderes!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#MARIE">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Kommt &#x2014; alle im Kreis</p>
              <stage>(&#x017F;ingt, die Kinder<lb/>
&#x017F;ingen nach und drehen &#x017F;ich).</stage><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>"Ringel, Ringel, Ro&#x017F;enkranz,</l><lb/>
                <l>Ringel, Ringel!</l>
              </lg>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ERMAED">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Mädchen.</hi> </hi> </speaker>
              <stage>(zur alten Frau).</stage>
              <p>Großmutter, warum<lb/>
&#x017F;cheint heute die Sonn'?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ALTF">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Alte Frau.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Darum!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ERMAED">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Mädchen.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Aber warum &#x2014; darum?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ZWEMAED">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Zweites Mädchen.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Großmutter, erzählt was!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#MARIE">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Ja, erzählt was, Ba&#x017F;e.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ALTF">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Alte Frau</hi> </hi> </speaker>
              <stage>(erzählt).</stage>
              <p>Es war einmal ein arm Kind<lb/>
und hatt' keinen Vater und keine Mutter &#x2014; war Alles<lb/>
todt und war Niemand auf der Welt, und es hat gehungert<lb/>
und geweint Tag und Nacht. Und weil es Niemand mehr<lb/>
hatt' auf der Welt, wollt's in den Himmel geh'n. Und<lb/>
der Mond guckt' es &#x017F;o freundlich an, und wie's endlich zum<lb/>
Mond kommt, i&#x017F;t's ein Stück faul Holz. Da wollt's zur<lb/>
Sonne geh'n, und die Sonn' guckt es &#x017F;o freundlich an, und<lb/>
wie's endlich zur Sonne kommt, i&#x017F;t's ein verwelkt Sonn-<lb/>
blümlein. Da wollt's zu den Sternen geh'n, und die<lb/>
Sterne gucken es &#x017F;o freundlich an, und wie's endlich zu den<lb/>
Sternen kommt, da &#x017F;ind's goldene Mücklein, die &#x017F;ind auf-<lb/>
ge&#x017F;pießt auf Schlehendörner und &#x017F;terben. Da wollt' das<lb/>
Kind wieder zur Erde, aber wie's zur Erde kam, da war<lb/>
die Erde ein umge&#x017F;türzt Häfchen. Und &#x017F;o war das Kind<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0390] Sie hatten alle rothe Schuh Und gingen immer zu. Erſtes Mädchen (tritt aus der Reihe). Was Anderes! Alle. Was Anderes! Was? Erſtes Mädchen. Ich weiß nit. Was Anderes! Marie. Kommt — alle im Kreis (ſingt, die Kinder ſingen nach und drehen ſich). "Ringel, Ringel, Roſenkranz, Ringel, Ringel! Erſtes Mädchen. (zur alten Frau). Großmutter, warum ſcheint heute die Sonn'? Alte Frau. Darum! Erſtes Mädchen. Aber warum — darum? Zweites Mädchen. Großmutter, erzählt was! Marie. Ja, erzählt was, Baſe. Alte Frau (erzählt). Es war einmal ein arm Kind und hatt' keinen Vater und keine Mutter — war Alles todt und war Niemand auf der Welt, und es hat gehungert und geweint Tag und Nacht. Und weil es Niemand mehr hatt' auf der Welt, wollt's in den Himmel geh'n. Und der Mond guckt' es ſo freundlich an, und wie's endlich zum Mond kommt, iſt's ein Stück faul Holz. Da wollt's zur Sonne geh'n, und die Sonn' guckt es ſo freundlich an, und wie's endlich zur Sonne kommt, iſt's ein verwelkt Sonn- blümlein. Da wollt's zu den Sternen geh'n, und die Sterne gucken es ſo freundlich an, und wie's endlich zu den Sternen kommt, da ſind's goldene Mücklein, die ſind auf- geſpießt auf Schlehendörner und ſterben. Da wollt' das Kind wieder zur Erde, aber wie's zur Erde kam, da war die Erde ein umgeſtürzt Häfchen. Und ſo war das Kind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/390
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/390>, abgerufen am 29.03.2024.