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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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mehreren Stellen falsch umbrochen, einige Seiten sind verhoben. In
welcher Stärke dieser erste Abdruck hergestellt worden, ist nicht zu
erkunden gewesen. Selbst das in der Einleitung citirte Werk
Nöllners, eines hessischen Richters, welcher das sämmtliche, im nach-
maligen Hochverrathsprozesse gegen Weidig und Consorten aufge-
häufte Actenmaterial sorgsamst verarbeitet und alle auf den "Land-
boten" bezüglichen Daten mit großer Treue zusammengetragen hat,
weiß über dies numerische Moment ebensowenig Aufschluß zu geben,
als über die Art der Herstellung: wer jene "geheime Presse" ge-
leitet, wer die Kosten getragen u. s. w.

Hingegen ist aus einer, freilich nur ganz flüchtig hingeworfenen
Mittheilung in Nöllner's Werke (Aktenmäßige Darlegung etc. S. 107)
zu entnehmen, daß von der Flugschrift auch ein zweiter Abdruck
veranstaltet worden, welcher sich von dem ersten unter-
schieden. Mehr als dies Factum gibt Nöllner nicht, in sonstigen
Schriften über jene Bewegung findet es sich nirgendwo erwähnt,
doch ist bei der ungemeinen Gewissenhaftigkeit seiner Arbeit an der
Thatsache selbst nicht zu zweifeln. Jedenfalls ist diese zweite Auflage
der ersten bereits binnen zwei bis drei Wochen gefolgt. Anfang
Juli 1834 wurde die erste Auflage aus Offenbach abgeholt und
verbreitet, am 1. August 1834 wurde, wie bereits in der Einleitung
berichtet, stud. jur. Karl Minnigerode an einem Thore Gießens ver-
haftet, als er eben 150 Exemplare der Flugschrift aus Offenbach
nach Gießen bringen wollte. Damit war die Schrift den Behörden
in die Hände gefallen, die Untersuchung begann, die Thätigkeit der
Verschworenen war gelähmt. Daß sie also nach dem letztgenannten
Datum noch an die Herstellung dieser zweiten Auflage geschritten,
ist nicht anzunehmen; dieselbe ist daher spätestens in den letzten
Tagen des Juli 1834 erfolgt. Dadurch wird auch, nebenbei be-
merkt, erklärlich, warum die Verschworenen erst nach Monatsfrist
den Versuch gemacht, den "Landboten" in Gießen zu verbreiten.
Der erste Abdruck war bereits anderweitig vertheilt worden und es
waren Exemplare der zweiten Auflage, die Minnigerode geholt.
Hat sich ferner, wie Nöllner ausdrücklich und gewiß nur auf Grund
actenmäßiger Beweise angibt, dieser zweite Abdruck von dem ersten
unterschieden, so kann es nur Pfarrer Weidig gewesen sein, der

mehreren Stellen falſch umbrochen, einige Seiten ſind verhoben. In
welcher Stärke dieſer erſte Abdruck hergeſtellt worden, iſt nicht zu
erkunden geweſen. Selbſt das in der Einleitung citirte Werk
Nöllners, eines heſſiſchen Richters, welcher das ſämmtliche, im nach-
maligen Hochverrathsprozeſſe gegen Weidig und Conſorten aufge-
häufte Actenmaterial ſorgſamſt verarbeitet und alle auf den "Land-
boten" bezüglichen Daten mit großer Treue zuſammengetragen hat,
weiß über dies numeriſche Moment ebenſowenig Aufſchluß zu geben,
als über die Art der Herſtellung: wer jene "geheime Preſſe" ge-
leitet, wer die Koſten getragen u. ſ. w.

Hingegen iſt aus einer, freilich nur ganz flüchtig hingeworfenen
Mittheilung in Nöllner's Werke (Aktenmäßige Darlegung etc. S. 107)
zu entnehmen, daß von der Flugſchrift auch ein zweiter Abdruck
veranſtaltet worden, welcher ſich von dem erſten unter-
ſchieden. Mehr als dies Factum gibt Nöllner nicht, in ſonſtigen
Schriften über jene Bewegung findet es ſich nirgendwo erwähnt,
doch iſt bei der ungemeinen Gewiſſenhaftigkeit ſeiner Arbeit an der
Thatſache ſelbſt nicht zu zweifeln. Jedenfalls iſt dieſe zweite Auflage
der erſten bereits binnen zwei bis drei Wochen gefolgt. Anfang
Juli 1834 wurde die erſte Auflage aus Offenbach abgeholt und
verbreitet, am 1. Auguſt 1834 wurde, wie bereits in der Einleitung
berichtet, stud. jur. Karl Minnigerode an einem Thore Gießens ver-
haftet, als er eben 150 Exemplare der Flugſchrift aus Offenbach
nach Gießen bringen wollte. Damit war die Schrift den Behörden
in die Hände gefallen, die Unterſuchung begann, die Thätigkeit der
Verſchworenen war gelähmt. Daß ſie alſo nach dem letztgenannten
Datum noch an die Herſtellung dieſer zweiten Auflage geſchritten,
iſt nicht anzunehmen; dieſelbe iſt daher ſpäteſtens in den letzten
Tagen des Juli 1834 erfolgt. Dadurch wird auch, nebenbei be-
merkt, erklärlich, warum die Verſchworenen erſt nach Monatsfriſt
den Verſuch gemacht, den "Landboten" in Gießen zu verbreiten.
Der erſte Abdruck war bereits anderweitig vertheilt worden und es
waren Exemplare der zweiten Auflage, die Minnigerode geholt.
Hat ſich ferner, wie Nöllner ausdrücklich und gewiß nur auf Grund
actenmäßiger Beweiſe angibt, dieſer zweite Abdruck von dem erſten
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[283/0479] mehreren Stellen falſch umbrochen, einige Seiten ſind verhoben. In welcher Stärke dieſer erſte Abdruck hergeſtellt worden, iſt nicht zu erkunden geweſen. Selbſt das in der Einleitung citirte Werk Nöllners, eines heſſiſchen Richters, welcher das ſämmtliche, im nach- maligen Hochverrathsprozeſſe gegen Weidig und Conſorten aufge- häufte Actenmaterial ſorgſamſt verarbeitet und alle auf den "Land- boten" bezüglichen Daten mit großer Treue zuſammengetragen hat, weiß über dies numeriſche Moment ebenſowenig Aufſchluß zu geben, als über die Art der Herſtellung: wer jene "geheime Preſſe" ge- leitet, wer die Koſten getragen u. ſ. w. Hingegen iſt aus einer, freilich nur ganz flüchtig hingeworfenen Mittheilung in Nöllner's Werke (Aktenmäßige Darlegung etc. S. 107) zu entnehmen, daß von der Flugſchrift auch ein zweiter Abdruck veranſtaltet worden, welcher ſich von dem erſten unter- ſchieden. Mehr als dies Factum gibt Nöllner nicht, in ſonſtigen Schriften über jene Bewegung findet es ſich nirgendwo erwähnt, doch iſt bei der ungemeinen Gewiſſenhaftigkeit ſeiner Arbeit an der Thatſache ſelbſt nicht zu zweifeln. Jedenfalls iſt dieſe zweite Auflage der erſten bereits binnen zwei bis drei Wochen gefolgt. Anfang Juli 1834 wurde die erſte Auflage aus Offenbach abgeholt und verbreitet, am 1. Auguſt 1834 wurde, wie bereits in der Einleitung berichtet, stud. jur. Karl Minnigerode an einem Thore Gießens ver- haftet, als er eben 150 Exemplare der Flugſchrift aus Offenbach nach Gießen bringen wollte. Damit war die Schrift den Behörden in die Hände gefallen, die Unterſuchung begann, die Thätigkeit der Verſchworenen war gelähmt. Daß ſie alſo nach dem letztgenannten Datum noch an die Herſtellung dieſer zweiten Auflage geſchritten, iſt nicht anzunehmen; dieſelbe iſt daher ſpäteſtens in den letzten Tagen des Juli 1834 erfolgt. Dadurch wird auch, nebenbei be- merkt, erklärlich, warum die Verſchworenen erſt nach Monatsfriſt den Verſuch gemacht, den "Landboten" in Gießen zu verbreiten. Der erſte Abdruck war bereits anderweitig vertheilt worden und es waren Exemplare der zweiten Auflage, die Minnigerode geholt. Hat ſich ferner, wie Nöllner ausdrücklich und gewiß nur auf Grund actenmäßiger Beweiſe angibt, dieſer zweite Abdruck von dem erſten unterſchieden, ſo kann es nur Pfarrer Weidig geweſen ſein, der

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/479>, abgerufen am 29.03.2024.