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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Rödelheim, der andere in Frankfurt, der dritte in Offenbach.
Auch ist eine Schwester des unglücklichen Neuhof, ein
schönes und liebenswürdiges Mädchen, wie man sagt, ver-
haftet worden. Daß ein Frauenzimmer aus Gießen in das
Darmstädter Arresthaus gebracht wurde, ist gewiß; man
behauptet, sie sei die ....... Die Regierung muß die
Sache sehr geheim halten, denn ihr scheint in Darmstadt
sehr schlecht unterrichtet zu sein. Wir erfahren Alles durch
die Flüchtlinge, welche es am besten wissen, da sie meistens
zuvor in die Untersuchung verwickelt waren. Daß Minnigerode
in Friedberg eine Zeit lang Ketten an den Händen hatte,
weiß ich gewiß, ich weiß es von Einem, der mit ihm saß.
Er soll tödtlich krank sein; wolle der Himmel, daß seine
Leiden ein Ende hätten! Daß die Gefangenen die Gefängniß-
kost bekommen und weder Licht noch Bücher erhalten, ist
ausgemacht. Ich danke dem Himmel, daß ich voraussah,
was kommen würde, ich wäre in so einem Loch verrückt ge-
worden. .... In der Politik fängt es hier wieder an,
lebendig zu werden. Die Höllenmaschine in Paris und die
der Kammer vorgelegten Gesetz-Entwürfe über die Presse
machen viel Aufsehn. Die Regierung zeigt sich sehr un-
moralisch; denn obgleich es gerichtlich erwiesen ist, daß der
Thäter ein verschmitzter Schurke ist, der schon allen Parteien
gedient hat und wahrscheinlich durch Geld zu der That ge-
trieben wurde, so sucht sie doch das Verbrechen den Repub-
likanern und Carlisten auf den Hals zu laden und durch
den momentanen Eindruck die unleidlichsten Beschränkungen
der Presse zu erlangen. Man glaubt, daß das Gesetz in
der Kammer durchgehen und vielleicht noch geschärft werden
wird. Die Regierung ist sehr unklug; in sechs Wochen hat

Rödelheim, der andere in Frankfurt, der dritte in Offenbach.
Auch iſt eine Schweſter des unglücklichen Neuhof, ein
ſchönes und liebenswürdiges Mädchen, wie man ſagt, ver-
haftet worden. Daß ein Frauenzimmer aus Gießen in das
Darmſtädter Arreſthaus gebracht wurde, iſt gewiß; man
behauptet, ſie ſei die ....... Die Regierung muß die
Sache ſehr geheim halten, denn ihr ſcheint in Darmſtadt
ſehr ſchlecht unterrichtet zu ſein. Wir erfahren Alles durch
die Flüchtlinge, welche es am beſten wiſſen, da ſie meiſtens
zuvor in die Unterſuchung verwickelt waren. Daß Minnigerode
in Friedberg eine Zeit lang Ketten an den Händen hatte,
weiß ich gewiß, ich weiß es von Einem, der mit ihm ſaß.
Er ſoll tödtlich krank ſein; wolle der Himmel, daß ſeine
Leiden ein Ende hätten! Daß die Gefangenen die Gefängniß-
koſt bekommen und weder Licht noch Bücher erhalten, iſt
ausgemacht. Ich danke dem Himmel, daß ich vorausſah,
was kommen würde, ich wäre in ſo einem Loch verrückt ge-
worden. .... In der Politik fängt es hier wieder an,
lebendig zu werden. Die Höllenmaſchine in Paris und die
der Kammer vorgelegten Geſetz-Entwürfe über die Preſſe
machen viel Aufſehn. Die Regierung zeigt ſich ſehr un-
moraliſch; denn obgleich es gerichtlich erwieſen iſt, daß der
Thäter ein verſchmitzter Schurke iſt, der ſchon allen Parteien
gedient hat und wahrſcheinlich durch Geld zu der That ge-
trieben wurde, ſo ſucht ſie doch das Verbrechen den Repub-
likanern und Carliſten auf den Hals zu laden und durch
den momentanen Eindruck die unleidlichſten Beſchränkungen
der Preſſe zu erlangen. Man glaubt, daß das Geſetz in
der Kammer durchgehen und vielleicht noch geſchärft werden
wird. Die Regierung iſt ſehr unklug; in ſechs Wochen hat

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[357/0553] Rödelheim, der andere in Frankfurt, der dritte in Offenbach. Auch iſt eine Schweſter des unglücklichen Neuhof, ein ſchönes und liebenswürdiges Mädchen, wie man ſagt, ver- haftet worden. Daß ein Frauenzimmer aus Gießen in das Darmſtädter Arreſthaus gebracht wurde, iſt gewiß; man behauptet, ſie ſei die ....... Die Regierung muß die Sache ſehr geheim halten, denn ihr ſcheint in Darmſtadt ſehr ſchlecht unterrichtet zu ſein. Wir erfahren Alles durch die Flüchtlinge, welche es am beſten wiſſen, da ſie meiſtens zuvor in die Unterſuchung verwickelt waren. Daß Minnigerode in Friedberg eine Zeit lang Ketten an den Händen hatte, weiß ich gewiß, ich weiß es von Einem, der mit ihm ſaß. Er ſoll tödtlich krank ſein; wolle der Himmel, daß ſeine Leiden ein Ende hätten! Daß die Gefangenen die Gefängniß- koſt bekommen und weder Licht noch Bücher erhalten, iſt ausgemacht. Ich danke dem Himmel, daß ich vorausſah, was kommen würde, ich wäre in ſo einem Loch verrückt ge- worden. .... In der Politik fängt es hier wieder an, lebendig zu werden. Die Höllenmaſchine in Paris und die der Kammer vorgelegten Geſetz-Entwürfe über die Preſſe machen viel Aufſehn. Die Regierung zeigt ſich ſehr un- moraliſch; denn obgleich es gerichtlich erwieſen iſt, daß der Thäter ein verſchmitzter Schurke iſt, der ſchon allen Parteien gedient hat und wahrſcheinlich durch Geld zu der That ge- trieben wurde, ſo ſucht ſie doch das Verbrechen den Repub- likanern und Carliſten auf den Hals zu laden und durch den momentanen Eindruck die unleidlichſten Beſchränkungen der Preſſe zu erlangen. Man glaubt, daß das Geſetz in der Kammer durchgehen und vielleicht noch geſchärft werden wird. Die Regierung iſt ſehr unklug; in ſechs Wochen hat

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/553>, abgerufen am 28.03.2024.