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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Untersuchungshaft gehalten werden, bis ihr Geist zum Wahn-
sinne getrieben und ihr Körper zu Tode gequält ist. "In
jener französischen Revolution," so rief er aus, "die wegen
ihrer Grausamkeit so verrufen ist, war man milder als jetzt.
Man schlug seinen Gegnern die Köpfe ab. Gut! Aber
man ließ sie nicht Jahre lang hinschmachten und hinsterben."
Später jedoch, als ihm der Tod näher gerückt war, schien
er sich bereits von allen irdischen Banden losgerissen zu haben,
und mit gehobener Sprache, deren Worte die erhabensten
Stellen der Bibel in's Gedächtniß riefen, ergoß sich seine
Seele in religiösen Phantasieen.

Auf die erste Nachricht von seiner Krankheit eilte seine
Verlobte an das Krankenbett ihres Bräutigams. Die Nähe
der Geliebten leuchtete freundlich in seine Träume hinein,
und seine sichtbar freudige Bewegung weckte einen letzten
Schimmer der Hoffnung bei Denen, die ihm nahe standen.
Aber es war nur ein kurzes Aufflackern des verglimmenden
Lebens! Von Landsleuten und Freunden umgeben, starb er
am 19. Februar, Nachmittags gegen 4 Uhr, und seine treue
Braut schloß ihm das gebrochene Auge. Sein Verscheiden
war schmerzlos und sanft, denn der Segen der Liebe ruhte
auf ihm!



Unterſuchungshaft gehalten werden, bis ihr Geiſt zum Wahn-
ſinne getrieben und ihr Körper zu Tode gequält iſt. "In
jener franzöſiſchen Revolution," ſo rief er aus, "die wegen
ihrer Grauſamkeit ſo verrufen iſt, war man milder als jetzt.
Man ſchlug ſeinen Gegnern die Köpfe ab. Gut! Aber
man ließ ſie nicht Jahre lang hinſchmachten und hinſterben."
Später jedoch, als ihm der Tod näher gerückt war, ſchien
er ſich bereits von allen irdiſchen Banden losgeriſſen zu haben,
und mit gehobener Sprache, deren Worte die erhabenſten
Stellen der Bibel in's Gedächtniß riefen, ergoß ſich ſeine
Seele in religiöſen Phantaſieen.

Auf die erſte Nachricht von ſeiner Krankheit eilte ſeine
Verlobte an das Krankenbett ihres Bräutigams. Die Nähe
der Geliebten leuchtete freundlich in ſeine Träume hinein,
und ſeine ſichtbar freudige Bewegung weckte einen letzten
Schimmer der Hoffnung bei Denen, die ihm nahe ſtanden.
Aber es war nur ein kurzes Aufflackern des verglimmenden
Lebens! Von Landsleuten und Freunden umgeben, ſtarb er
am 19. Februar, Nachmittags gegen 4 Uhr, und ſeine treue
Braut ſchloß ihm das gebrochene Auge. Sein Verſcheiden
war ſchmerzlos und ſanft, denn der Segen der Liebe ruhte
auf ihm!



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[436/0632] Unterſuchungshaft gehalten werden, bis ihr Geiſt zum Wahn- ſinne getrieben und ihr Körper zu Tode gequält iſt. "In jener franzöſiſchen Revolution," ſo rief er aus, "die wegen ihrer Grauſamkeit ſo verrufen iſt, war man milder als jetzt. Man ſchlug ſeinen Gegnern die Köpfe ab. Gut! Aber man ließ ſie nicht Jahre lang hinſchmachten und hinſterben." Später jedoch, als ihm der Tod näher gerückt war, ſchien er ſich bereits von allen irdiſchen Banden losgeriſſen zu haben, und mit gehobener Sprache, deren Worte die erhabenſten Stellen der Bibel in's Gedächtniß riefen, ergoß ſich ſeine Seele in religiöſen Phantaſieen. Auf die erſte Nachricht von ſeiner Krankheit eilte ſeine Verlobte an das Krankenbett ihres Bräutigams. Die Nähe der Geliebten leuchtete freundlich in ſeine Träume hinein, und ſeine ſichtbar freudige Bewegung weckte einen letzten Schimmer der Hoffnung bei Denen, die ihm nahe ſtanden. Aber es war nur ein kurzes Aufflackern des verglimmenden Lebens! Von Landsleuten und Freunden umgeben, ſtarb er am 19. Februar, Nachmittags gegen 4 Uhr, und ſeine treue Braut ſchloß ihm das gebrochene Auge. Sein Verſcheiden war ſchmerzlos und ſanft, denn der Segen der Liebe ruhte auf ihm!

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/632>, abgerufen am 25.04.2024.