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Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778.

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fen möchte, mein selbstzufriednes Ich hier
vor mir her zu lächeln, oder zu schnau-
ben. Denn, wenn auch der Beifal, der mir
widerfährt, wolverdient und von unver-
gänglicher Dauer wäre, so weis und fühlt
es doch gewis und warhaftig keiner meiner
Brüder lebhafter, als ich, daß es noch an-
dre Verdienste zu Tausenden in der Welt ge-
be, denen das Verdienst gute Verse zu ma-
chen, die Schuhriemen auflösen mus: wie-
wol es nun freilich unleügbar, der Lauf
irdischer Dinge mit sich bringt, daß das Eh-
rensiegel auf der Stirn des Dichters heller
und dauerhafter ausgedrukt ist, als auf den
meisten andern. Ich selbst habe daher nie,
weder mit Mund noch Herzen, das Aufhe-
ben davon gemacht, welches meine gütigen
Freunde davon zu machen beliebt haben. Das
werden mir alle diejenigen bezeugen, die je
mit mir umgegangen sind, und ein scherzen-
des Eigenlob, womit ich wol bisweilen zu
spielen pflege, von dem ernstlichen zu unter-

scheiden

fen moͤchte, mein ſelbſtzufriednes Ich hier
vor mir her zu laͤcheln, oder zu ſchnau-
ben. Denn, wenn auch der Beifal, der mir
widerfaͤhrt, wolverdient und von unver-
gaͤnglicher Dauer waͤre, ſo weis und fuͤhlt
es doch gewis und warhaftig keiner meiner
Bruͤder lebhafter, als ich, daß es noch an-
dre Verdienſte zu Tauſenden in der Welt ge-
be, denen das Verdienſt gute Verſe zu ma-
chen, die Schuhriemen aufloͤſen mus: wie-
wol es nun freilich unleuͤgbar, der Lauf
irdiſcher Dinge mit ſich bringt, daß das Eh-
renſiegel auf der Stirn des Dichters heller
und dauerhafter ausgedrukt iſt, als auf den
meiſten andern. Ich ſelbſt habe daher nie,
weder mit Mund noch Herzen, das Aufhe-
ben davon gemacht, welches meine guͤtigen
Freunde davon zu machen beliebt haben. Das
werden mir alle diejenigen bezeugen, die je
mit mir umgegangen ſind, und ein ſcherzen-
des Eigenlob, womit ich wol bisweilen zu
ſpielen pflege, von dem ernſtlichen zu unter-

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[II/0041] fen moͤchte, mein ſelbſtzufriednes Ich hier vor mir her zu laͤcheln, oder zu ſchnau- ben. Denn, wenn auch der Beifal, der mir widerfaͤhrt, wolverdient und von unver- gaͤnglicher Dauer waͤre, ſo weis und fuͤhlt es doch gewis und warhaftig keiner meiner Bruͤder lebhafter, als ich, daß es noch an- dre Verdienſte zu Tauſenden in der Welt ge- be, denen das Verdienſt gute Verſe zu ma- chen, die Schuhriemen aufloͤſen mus: wie- wol es nun freilich unleuͤgbar, der Lauf irdiſcher Dinge mit ſich bringt, daß das Eh- renſiegel auf der Stirn des Dichters heller und dauerhafter ausgedrukt iſt, als auf den meiſten andern. Ich ſelbſt habe daher nie, weder mit Mund noch Herzen, das Aufhe- ben davon gemacht, welches meine guͤtigen Freunde davon zu machen beliebt haben. Das werden mir alle diejenigen bezeugen, die je mit mir umgegangen ſind, und ein ſcherzen- des Eigenlob, womit ich wol bisweilen zu ſpielen pflege, von dem ernſtlichen zu unter- ſcheiden

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Zitationshilfe: Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. II. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/41>, abgerufen am 25.04.2024.