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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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geschwungenen Theilen lebhafter gefärbt sein als in den4. Abschnitt.
flachern, der Saum durchsichtig und rothglänzend wie Gra-Firenzuola's
Ideal.

natenkern. Die Schläfe sind weiß und flach und nicht zu
schmal am schönsten 1). Auf den Wangen muß das Roth
mit der Rundung zunehmen. Die Nase, welche wesentlich
den Werth des Profiles bestimmt, muß nach oben sehr
sanft und gleichmäßig abnehmen; wo der Knorpel aufhört,
darf eine kleine Erhöhung sein, doch nicht daß daraus eine
Adlernase würde, die an Frauen nicht gefällt; der untere
Theil muß sanfter gefärbt sein als die Ohren, nur nicht
erfroren weiß, die mittlere Wand über der Lippe leise ge-
röthet. Den Mund verlangt der Autor eher klein, doch
weder gespitzt noch platt, die Lippen nicht zu subtil, und
schön aufeinander passend; beim zufälligen Oeffnen (d. h.
ohne Lachen oder Reden) darf man höchstens sechs Ober-
zähne sehen. Besondere Delicatessen sind das Grübchen in
der Oberlippe, ein schönes Anschwellen der Unterlippe, ein
liebreizendes Lächeln im linken Mundwinkel etc. Die Zähne
sollen sein: nicht zu winzig, ferner gleichmäßig, schön ge-
trennt, elfenbeinfarbig; das Zahnfleisch nicht zu dunkel,
ja nicht etwa wie rother Sammet. Das Kinn sei rund,
weder gestülpt noch spitzig, gegen die Erhöhung hin sich
röthend; sein besonderer Ruhm ist das Grübchen. Der
Hals muß weiß und rund und eher zu lang als zu kurz
sein, Grube und Adamsapfel nur angedeutet; die Haut
muß bei jeder Wendung schöne Falten bilden. Die Schul-
tern verlangt er breit und bei der Brust erkennt er sogar
in der Breite das höchste Erforderniß der Schönheit; außer-
dem muß daran kein Knochen sichtbar, alles Zu- und Ab-

1) Bei diesem Anlaß, da das Aussehen der Schläfe durch die Anord-
nung der Haare modificirt werden kann, erlaubt sich F. einen komi-
schen Ausfall gegen die allzuvielen Blumen im Haar, welche dem
Gesicht ein Ansehen geben, "gleich einem Topf voll Nelken oder einem
Geißviertel am Bratspieß". Ueberhaupt versteht er recht wohl zu
carikiren.

geſchwungenen Theilen lebhafter gefärbt ſein als in den4. Abſchnitt.
flachern, der Saum durchſichtig und rothglänzend wie Gra-Firenzuola's
Ideal.

natenkern. Die Schläfe ſind weiß und flach und nicht zu
ſchmal am ſchönſten 1). Auf den Wangen muß das Roth
mit der Rundung zunehmen. Die Naſe, welche weſentlich
den Werth des Profiles beſtimmt, muß nach oben ſehr
ſanft und gleichmäßig abnehmen; wo der Knorpel aufhört,
darf eine kleine Erhöhung ſein, doch nicht daß daraus eine
Adlernaſe würde, die an Frauen nicht gefällt; der untere
Theil muß ſanfter gefärbt ſein als die Ohren, nur nicht
erfroren weiß, die mittlere Wand über der Lippe leiſe ge-
röthet. Den Mund verlangt der Autor eher klein, doch
weder geſpitzt noch platt, die Lippen nicht zu ſubtil, und
ſchön aufeinander paſſend; beim zufälligen Oeffnen (d. h.
ohne Lachen oder Reden) darf man höchſtens ſechs Ober-
zähne ſehen. Beſondere Delicateſſen ſind das Grübchen in
der Oberlippe, ein ſchönes Anſchwellen der Unterlippe, ein
liebreizendes Lächeln im linken Mundwinkel ꝛc. Die Zähne
ſollen ſein: nicht zu winzig, ferner gleichmäßig, ſchön ge-
trennt, elfenbeinfarbig; das Zahnfleiſch nicht zu dunkel,
ja nicht etwa wie rother Sammet. Das Kinn ſei rund,
weder geſtülpt noch ſpitzig, gegen die Erhöhung hin ſich
röthend; ſein beſonderer Ruhm iſt das Grübchen. Der
Hals muß weiß und rund und eher zu lang als zu kurz
ſein, Grube und Adamsapfel nur angedeutet; die Haut
muß bei jeder Wendung ſchöne Falten bilden. Die Schul-
tern verlangt er breit und bei der Bruſt erkennt er ſogar
in der Breite das höchſte Erforderniß der Schönheit; außer-
dem muß daran kein Knochen ſichtbar, alles Zu- und Ab-

1) Bei dieſem Anlaß, da das Ausſehen der Schläfe durch die Anord-
nung der Haare modificirt werden kann, erlaubt ſich F. einen komi-
ſchen Ausfall gegen die allzuvielen Blumen im Haar, welche dem
Geſicht ein Anſehen geben, „gleich einem Topf voll Nelken oder einem
Geißviertel am Bratſpieß“. Ueberhaupt verſteht er recht wohl zu
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[345/0355] geſchwungenen Theilen lebhafter gefärbt ſein als in den flachern, der Saum durchſichtig und rothglänzend wie Gra- natenkern. Die Schläfe ſind weiß und flach und nicht zu ſchmal am ſchönſten 1). Auf den Wangen muß das Roth mit der Rundung zunehmen. Die Naſe, welche weſentlich den Werth des Profiles beſtimmt, muß nach oben ſehr ſanft und gleichmäßig abnehmen; wo der Knorpel aufhört, darf eine kleine Erhöhung ſein, doch nicht daß daraus eine Adlernaſe würde, die an Frauen nicht gefällt; der untere Theil muß ſanfter gefärbt ſein als die Ohren, nur nicht erfroren weiß, die mittlere Wand über der Lippe leiſe ge- röthet. Den Mund verlangt der Autor eher klein, doch weder geſpitzt noch platt, die Lippen nicht zu ſubtil, und ſchön aufeinander paſſend; beim zufälligen Oeffnen (d. h. ohne Lachen oder Reden) darf man höchſtens ſechs Ober- zähne ſehen. Beſondere Delicateſſen ſind das Grübchen in der Oberlippe, ein ſchönes Anſchwellen der Unterlippe, ein liebreizendes Lächeln im linken Mundwinkel ꝛc. Die Zähne ſollen ſein: nicht zu winzig, ferner gleichmäßig, ſchön ge- trennt, elfenbeinfarbig; das Zahnfleiſch nicht zu dunkel, ja nicht etwa wie rother Sammet. Das Kinn ſei rund, weder geſtülpt noch ſpitzig, gegen die Erhöhung hin ſich röthend; ſein beſonderer Ruhm iſt das Grübchen. Der Hals muß weiß und rund und eher zu lang als zu kurz ſein, Grube und Adamsapfel nur angedeutet; die Haut muß bei jeder Wendung ſchöne Falten bilden. Die Schul- tern verlangt er breit und bei der Bruſt erkennt er ſogar in der Breite das höchſte Erforderniß der Schönheit; außer- dem muß daran kein Knochen ſichtbar, alles Zu- und Ab- 4. Abſchnitt. Firenzuola's Ideal. 1) Bei dieſem Anlaß, da das Ausſehen der Schläfe durch die Anord- nung der Haare modificirt werden kann, erlaubt ſich F. einen komi- ſchen Ausfall gegen die allzuvielen Blumen im Haar, welche dem Geſicht ein Anſehen geben, „gleich einem Topf voll Nelken oder einem Geißviertel am Bratſpieß“. Ueberhaupt verſteht er recht wohl zu carikiren.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/355>, abgerufen am 25.04.2024.