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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Zweyter Theil.
deshalb unerschütterlicher Wille, die Heilkunst zu stu-
diren.

§ 488.

Zu diesem Vorsatze wird zuerst erfordert eine vorläusige
Kenntniß ihres eigentlichen Wesens, ihrer einzelnen Wissen-
schaften und des Standes des Arztes nach seinen Vortheilen
und Beschwerden: denn der Wunsch nach dem Besitze eines
Gegenstandes, von welchem man keine deutliche Idee hat,
ist weder vernünftig, noch auch fest.

§ 489.

Hat man auf diese Art die Vortheile, welche die Heil-
kunst ihren Jüngern gewährt, überwiegend gefunden, so faßt
man ein Interesse dafür, welches aber, um alle Selbsttäu-
schung zu verhüten, gehörig analysirt werden muß.

§ 490.

1. Wissenschaftliches Interesse ist das erste Erforderniß
für einen Arzt, d. h. er muß bey Erlernung sämmtlicher
Theile der Heilkunst, so wie bey Ausübung derselben, das
Vergnügen, welches die Beobachtung der Natur überhaupt
gewährt, besonders lebhaft empfinden. Er muß Enthusiast
für die Vervollkommung seiner Kunst seyn, die Beyträge
andrer Aerzte hierzu mit Interesse aufnehmen, und so viel
an ihm ist, selbst darauf mitzuwürken suchen.

§ 491.

Dieses Interesse für die Kunst bewürkt es allein, daß
der Arzt für die Mühe ihrer Erlernung und die Beschwerden
ihrer Ausübung vollkommen entschädigt wird, daß er Vor-
urtheile muthig bekämpft, auch ohne Belohnung arbeitet,
seinen Ekel überwindet, erlittenen Undank vergißt, und un-

gerechte

Zweyter Theil.
deshalb unerſchuͤtterlicher Wille, die Heilkunſt zu ſtu-
diren.

§ 488.

Zu dieſem Vorſatze wird zuerſt erfordert eine vorlaͤuſige
Kenntniß ihres eigentlichen Weſens, ihrer einzelnen Wiſſen-
ſchaften und des Standes des Arztes nach ſeinen Vortheilen
und Beſchwerden: denn der Wunſch nach dem Beſitze eines
Gegenſtandes, von welchem man keine deutliche Idee hat,
iſt weder vernuͤnftig, noch auch feſt.

§ 489.

Hat man auf dieſe Art die Vortheile, welche die Heil-
kunſt ihren Juͤngern gewaͤhrt, uͤberwiegend gefunden, ſo faßt
man ein Intereſſe dafuͤr, welches aber, um alle Selbſttaͤu-
ſchung zu verhuͤten, gehoͤrig analyſirt werden muß.

§ 490.

1. Wiſſenſchaftliches Intereſſe iſt das erſte Erforderniß
fuͤr einen Arzt, d. h. er muß bey Erlernung ſaͤmmtlicher
Theile der Heilkunſt, ſo wie bey Ausuͤbung derſelben, das
Vergnuͤgen, welches die Beobachtung der Natur uͤberhaupt
gewaͤhrt, beſonders lebhaft empfinden. Er muß Enthuſiaſt
fuͤr die Vervollkommung ſeiner Kunſt ſeyn, die Beytraͤge
andrer Aerzte hierzu mit Intereſſe aufnehmen, und ſo viel
an ihm iſt, ſelbſt darauf mitzuwuͤrken ſuchen.

§ 491.

Dieſes Intereſſe fuͤr die Kunſt bewuͤrkt es allein, daß
der Arzt fuͤr die Muͤhe ihrer Erlernung und die Beſchwerden
ihrer Ausuͤbung vollkommen entſchaͤdigt wird, daß er Vor-
urtheile muthig bekaͤmpft, auch ohne Belohnung arbeitet,
ſeinen Ekel uͤberwindet, erlittenen Undank vergißt, und un-

gerechte
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[148/0166] Zweyter Theil. deshalb unerſchuͤtterlicher Wille, die Heilkunſt zu ſtu- diren. § 488. Zu dieſem Vorſatze wird zuerſt erfordert eine vorlaͤuſige Kenntniß ihres eigentlichen Weſens, ihrer einzelnen Wiſſen- ſchaften und des Standes des Arztes nach ſeinen Vortheilen und Beſchwerden: denn der Wunſch nach dem Beſitze eines Gegenſtandes, von welchem man keine deutliche Idee hat, iſt weder vernuͤnftig, noch auch feſt. § 489. Hat man auf dieſe Art die Vortheile, welche die Heil- kunſt ihren Juͤngern gewaͤhrt, uͤberwiegend gefunden, ſo faßt man ein Intereſſe dafuͤr, welches aber, um alle Selbſttaͤu- ſchung zu verhuͤten, gehoͤrig analyſirt werden muß. § 490. 1. Wiſſenſchaftliches Intereſſe iſt das erſte Erforderniß fuͤr einen Arzt, d. h. er muß bey Erlernung ſaͤmmtlicher Theile der Heilkunſt, ſo wie bey Ausuͤbung derſelben, das Vergnuͤgen, welches die Beobachtung der Natur uͤberhaupt gewaͤhrt, beſonders lebhaft empfinden. Er muß Enthuſiaſt fuͤr die Vervollkommung ſeiner Kunſt ſeyn, die Beytraͤge andrer Aerzte hierzu mit Intereſſe aufnehmen, und ſo viel an ihm iſt, ſelbſt darauf mitzuwuͤrken ſuchen. § 491. Dieſes Intereſſe fuͤr die Kunſt bewuͤrkt es allein, daß der Arzt fuͤr die Muͤhe ihrer Erlernung und die Beſchwerden ihrer Ausuͤbung vollkommen entſchaͤdigt wird, daß er Vor- urtheile muthig bekaͤmpft, auch ohne Belohnung arbeitet, ſeinen Ekel uͤberwindet, erlittenen Undank vergißt, und un- gerechte

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/166>, abgerufen am 19.04.2024.