Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Theil.
kann durch rastlose Anstrengung auch das unmöglich Schei-
nende würklich machen, die Thätigkeit seiner Geisteskräfte
erhöhen, und dem höchsten vorgesteckten Ziele nahe kommen.
Denn vollendet ist der Mensch von der Natur nie, er hat
aber Anlagen, Alles zu werden, von ihr erhalten, und diese
kann er bis zu einem bewundernswerthen Grade ausbilden.

§ 495.

Weil das Studium der Heilkunst kostspieliger ist, als
irgend ein anderes, so macht die Gewißheit, diese Kosten
bestreiten zu können, eine äußere Bedingung zur Wahl die-
ses Studiums aus, denn ohne die erforderlichen Hülfsmittel
kann die Kunst nur unvollkommen erlernt werden.

§ 496.

Dies (§ 485 -- 495) sind also sämmtliche Bedingun-
gen, welche den Beruf eines jungen Mannes zum Arzte in
sich enthalten. Andere Motiven als jenes wissenschaftliche
und menschliche Interesse kann er nicht haben. Ehre und
Reichthümer können nicht das Ziel seyn, welches man durch
Ausübung der Heilkunst erreichen will.

§ 497.

1. Ehre ist die Achtung der größt möglichen Menge
von Menschen. Diese Menge aber ist besonders in Rücksicht
auf die Heilkunst unaufgeklärt, d. h. sie ist nicht im Stande
die Gegenstände nach ihrem wesentlichen Werthe zu schätzen,
sondern legt einen zu großen Werth auf außerwesentliche
Dinge. Wer ihr gefallen soll, muß mit ihren Begriffen
wenigstens zu harmoniren scheinen: man muß also Charlatan
seyn, nicht Arzt (§ 478).

Hornschuh wie muss es ein Arzt anfangen, um in kurzer
Zeit berühmt zu werden? Coburg 792. 8.

§ 498.

Zweyter Theil.
kann durch raſtloſe Anſtrengung auch das unmoͤglich Schei-
nende wuͤrklich machen, die Thaͤtigkeit ſeiner Geiſteskraͤfte
erhoͤhen, und dem hoͤchſten vorgeſteckten Ziele nahe kommen.
Denn vollendet iſt der Menſch von der Natur nie, er hat
aber Anlagen, Alles zu werden, von ihr erhalten, und dieſe
kann er bis zu einem bewundernswerthen Grade ausbilden.

§ 495.

Weil das Studium der Heilkunſt koſtſpieliger iſt, als
irgend ein anderes, ſo macht die Gewißheit, dieſe Koſten
beſtreiten zu koͤnnen, eine aͤußere Bedingung zur Wahl die-
ſes Studiums aus, denn ohne die erforderlichen Huͤlfsmittel
kann die Kunſt nur unvollkommen erlernt werden.

§ 496.

Dies (§ 485 — 495) ſind alſo ſaͤmmtliche Bedingun-
gen, welche den Beruf eines jungen Mannes zum Arzte in
ſich enthalten. Andere Motiven als jenes wiſſenſchaftliche
und menſchliche Intereſſe kann er nicht haben. Ehre und
Reichthuͤmer koͤnnen nicht das Ziel ſeyn, welches man durch
Ausuͤbung der Heilkunſt erreichen will.

§ 497.

1. Ehre iſt die Achtung der groͤßt moͤglichen Menge
von Menſchen. Dieſe Menge aber iſt beſonders in Ruͤckſicht
auf die Heilkunſt unaufgeklaͤrt, d. h. ſie iſt nicht im Stande
die Gegenſtaͤnde nach ihrem weſentlichen Werthe zu ſchaͤtzen,
ſondern legt einen zu großen Werth auf außerweſentliche
Dinge. Wer ihr gefallen ſoll, muß mit ihren Begriffen
wenigſtens zu harmoniren ſcheinen: man muß alſo Charlatan
ſeyn, nicht Arzt (§ 478).

Hornſchuh wie muſs es ein Arzt anfangen, um in kurzer
Zeit berühmt zu werden? Coburg 792. 8.

§ 498.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <p><pb facs="#f0168" n="150"/><fw place="top" type="header">Zweyter Theil.</fw><lb/>
kann durch ra&#x017F;tlo&#x017F;e An&#x017F;trengung auch das unmo&#x0364;glich Schei-<lb/>
nende wu&#x0364;rklich machen, die Tha&#x0364;tigkeit &#x017F;einer Gei&#x017F;teskra&#x0364;fte<lb/>
erho&#x0364;hen, und dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten vorge&#x017F;teckten Ziele nahe kommen.<lb/>
Denn vollendet i&#x017F;t der Men&#x017F;ch von der Natur nie, er hat<lb/>
aber Anlagen, Alles zu werden, von ihr erhalten, und die&#x017F;e<lb/>
kann er bis zu einem bewundernswerthen Grade ausbilden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="4">
            <head>§ 495.</head><lb/>
            <p>Weil das Studium der Heilkun&#x017F;t ko&#x017F;t&#x017F;pieliger i&#x017F;t, als<lb/>
irgend ein anderes, &#x017F;o macht die Gewißheit, die&#x017F;e Ko&#x017F;ten<lb/>
be&#x017F;treiten zu ko&#x0364;nnen, eine a&#x0364;ußere Bedingung zur Wahl die-<lb/>
&#x017F;es Studiums aus, denn ohne die erforderlichen Hu&#x0364;lfsmittel<lb/>
kann die Kun&#x017F;t nur unvollkommen erlernt werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="4">
            <head>§ 496.</head><lb/>
            <p>Dies (§ 485 &#x2014; 495) &#x017F;ind al&#x017F;o &#x017F;a&#x0364;mmtliche Bedingun-<lb/>
gen, welche den Beruf eines jungen Mannes zum Arzte in<lb/>
&#x017F;ich enthalten. Andere Motiven als jenes wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
und men&#x017F;chliche Intere&#x017F;&#x017F;e kann er nicht haben. Ehre und<lb/>
Reichthu&#x0364;mer ko&#x0364;nnen nicht das Ziel &#x017F;eyn, welches man durch<lb/>
Ausu&#x0364;bung der Heilkun&#x017F;t erreichen will.</p>
          </div><lb/>
          <div n="4">
            <head>§ 497.</head><lb/>
            <p>1. <hi rendition="#g">Ehre</hi> i&#x017F;t die Achtung der gro&#x0364;ßt mo&#x0364;glichen Menge<lb/>
von Men&#x017F;chen. Die&#x017F;e Menge aber i&#x017F;t be&#x017F;onders in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht<lb/>
auf die Heilkun&#x017F;t unaufgekla&#x0364;rt, d. h. &#x017F;ie i&#x017F;t nicht im Stande<lb/>
die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde nach ihrem we&#x017F;entlichen Werthe zu &#x017F;cha&#x0364;tzen,<lb/>
&#x017F;ondern legt einen zu großen Werth auf außerwe&#x017F;entliche<lb/>
Dinge. Wer ihr gefallen &#x017F;oll, muß mit ihren Begriffen<lb/>
wenig&#x017F;tens zu harmoniren &#x017F;cheinen: man muß al&#x017F;o Charlatan<lb/>
&#x017F;eyn, nicht Arzt (§ 478).</p><lb/>
            <list>
              <item> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Horn&#x017F;chuh</hi> wie mu&#x017F;s es ein Arzt anfangen, um in kurzer<lb/>
Zeit berühmt zu werden? Coburg 792. 8.</hi> </item>
            </list>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§ 498.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0168] Zweyter Theil. kann durch raſtloſe Anſtrengung auch das unmoͤglich Schei- nende wuͤrklich machen, die Thaͤtigkeit ſeiner Geiſteskraͤfte erhoͤhen, und dem hoͤchſten vorgeſteckten Ziele nahe kommen. Denn vollendet iſt der Menſch von der Natur nie, er hat aber Anlagen, Alles zu werden, von ihr erhalten, und dieſe kann er bis zu einem bewundernswerthen Grade ausbilden. § 495. Weil das Studium der Heilkunſt koſtſpieliger iſt, als irgend ein anderes, ſo macht die Gewißheit, dieſe Koſten beſtreiten zu koͤnnen, eine aͤußere Bedingung zur Wahl die- ſes Studiums aus, denn ohne die erforderlichen Huͤlfsmittel kann die Kunſt nur unvollkommen erlernt werden. § 496. Dies (§ 485 — 495) ſind alſo ſaͤmmtliche Bedingun- gen, welche den Beruf eines jungen Mannes zum Arzte in ſich enthalten. Andere Motiven als jenes wiſſenſchaftliche und menſchliche Intereſſe kann er nicht haben. Ehre und Reichthuͤmer koͤnnen nicht das Ziel ſeyn, welches man durch Ausuͤbung der Heilkunſt erreichen will. § 497. 1. Ehre iſt die Achtung der groͤßt moͤglichen Menge von Menſchen. Dieſe Menge aber iſt beſonders in Ruͤckſicht auf die Heilkunſt unaufgeklaͤrt, d. h. ſie iſt nicht im Stande die Gegenſtaͤnde nach ihrem weſentlichen Werthe zu ſchaͤtzen, ſondern legt einen zu großen Werth auf außerweſentliche Dinge. Wer ihr gefallen ſoll, muß mit ihren Begriffen wenigſtens zu harmoniren ſcheinen: man muß alſo Charlatan ſeyn, nicht Arzt (§ 478). Hornſchuh wie muſs es ein Arzt anfangen, um in kurzer Zeit berühmt zu werden? Coburg 792. 8. § 498.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/168
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/168>, abgerufen am 18.04.2024.