Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Bildung des Arztes.
von allen ihren Seiten zu beobachten, und auch die versteck-
testen Eigenschaften derselben zu bemerken. Durch Uebung
wird dann eine gewisse Fertigkeit, ein Habitus daraus, und
diesen muß sich der junge Arzt zu verschaffen suchen.

§ 506.

Hierzu dient ihm unter andern auch die Naturbeschrei-
bung. Es ist nämlich nicht nur die bloße Kenntniß gewisser
Körper, was sie ihm mittheilt, sondern auch die Fertigkeit,
die unterscheidenden Merkmahle der Gegenstände zu einem
Ganzen aufzufassen, und dadurch schnell über dieselben ent-
scheiden zu können.

2. Gedächtniß.
§ 507.

Das Gedächtniß, oder das Vermögen, vordem em-
pfangene Vorstellungen zu reproduciren, muß eben so stark
an dem Arzte seyn. Denn zuerst muß er die wissenschaft-
lichen Kenntnisse der Heilkunst immer in Bereitschaft haben,
und diese sind außerordentlich weitläuftig, da sie theils die
ganze äußere Natur (Naturgeschichte), theils die Natur
des Menschen (Anatomie etc.), seine Krankheiten (Patholo-
gie) und Heilkräfte (Materia Medica) umfassen.

§ 508.

Sodann aber muß er auch seine eigenen Erfahrungen
in dem Gedächtnisse aufbewahren, um nöthigenfalls auf der
Stelle davon Gebrauch machen zu können, er muß auch bey
einer ausgebreiteten Praxis den Verlauf der Erscheinungen
an jedem einzelnen Kranken, die angewendeten Mittel, und die
darauf erfolgten Wirkungen in ihrem genauesten Detail immer
gegenwärtig haben, und endlich in Rücksicht auf die Per-

sonen,

Bildung des Arztes.
von allen ihren Seiten zu beobachten, und auch die verſteck-
teſten Eigenſchaften derſelben zu bemerken. Durch Uebung
wird dann eine gewiſſe Fertigkeit, ein Habitus daraus, und
dieſen muß ſich der junge Arzt zu verſchaffen ſuchen.

§ 506.

Hierzu dient ihm unter andern auch die Naturbeſchrei-
bung. Es iſt naͤmlich nicht nur die bloße Kenntniß gewiſſer
Koͤrper, was ſie ihm mittheilt, ſondern auch die Fertigkeit,
die unterſcheidenden Merkmahle der Gegenſtaͤnde zu einem
Ganzen aufzufaſſen, und dadurch ſchnell uͤber dieſelben ent-
ſcheiden zu koͤnnen.

2. Gedaͤchtniß.
§ 507.

Das Gedaͤchtniß, oder das Vermoͤgen, vordem em-
pfangene Vorſtellungen zu reproduciren, muß eben ſo ſtark
an dem Arzte ſeyn. Denn zuerſt muß er die wiſſenſchaft-
lichen Kenntniſſe der Heilkunſt immer in Bereitſchaft haben,
und dieſe ſind außerordentlich weitlaͤuftig, da ſie theils die
ganze aͤußere Natur (Naturgeſchichte), theils die Natur
des Menſchen (Anatomie ꝛc.), ſeine Krankheiten (Patholo-
gie) und Heilkraͤfte (Materia Medica) umfaſſen.

§ 508.

Sodann aber muß er auch ſeine eigenen Erfahrungen
in dem Gedaͤchtniſſe aufbewahren, um noͤthigenfalls auf der
Stelle davon Gebrauch machen zu koͤnnen, er muß auch bey
einer ausgebreiteten Praxis den Verlauf der Erſcheinungen
an jedem einzelnen Kranken, die angewendeten Mittel, und die
darauf erfolgten Wirkungen in ihrem genaueſten Detail immer
gegenwaͤrtig haben, und endlich in Ruͤckſicht auf die Per-

ſonen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <div n="6">
                <p><pb facs="#f0173" n="155"/><fw place="top" type="header">Bildung des Arztes.</fw><lb/>
von allen ihren Seiten zu beobachten, und auch die ver&#x017F;teck-<lb/>
te&#x017F;ten Eigen&#x017F;chaften der&#x017F;elben zu bemerken. Durch Uebung<lb/>
wird dann eine gewi&#x017F;&#x017F;e Fertigkeit, ein Habitus daraus, und<lb/>
die&#x017F;en muß &#x017F;ich der junge Arzt zu ver&#x017F;chaffen &#x017F;uchen.</p>
              </div><lb/>
              <div n="6">
                <head>§ 506.</head><lb/>
                <p>Hierzu dient ihm unter andern auch die Naturbe&#x017F;chrei-<lb/>
bung. Es i&#x017F;t na&#x0364;mlich nicht nur die bloße Kenntniß gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Ko&#x0364;rper, was &#x017F;ie ihm mittheilt, &#x017F;ondern auch die Fertigkeit,<lb/>
die unter&#x017F;cheidenden Merkmahle der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde zu einem<lb/>
Ganzen aufzufa&#x017F;&#x017F;en, und dadurch &#x017F;chnell u&#x0364;ber die&#x017F;elben ent-<lb/>
&#x017F;cheiden zu ko&#x0364;nnen.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>2. <hi rendition="#g">Geda&#x0364;chtniß</hi>.</head><lb/>
              <div n="6">
                <head>§ 507.</head><lb/>
                <p>Das Geda&#x0364;chtniß, oder das Vermo&#x0364;gen, vordem em-<lb/>
pfangene Vor&#x017F;tellungen zu reproduciren, muß eben &#x017F;o &#x017F;tark<lb/>
an dem Arzte &#x017F;eyn. Denn zuer&#x017F;t muß er die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Kenntni&#x017F;&#x017F;e der Heilkun&#x017F;t immer in Bereit&#x017F;chaft haben,<lb/>
und die&#x017F;e &#x017F;ind außerordentlich weitla&#x0364;uftig, da &#x017F;ie theils die<lb/>
ganze a&#x0364;ußere Natur (Naturge&#x017F;chichte), theils die Natur<lb/>
des Men&#x017F;chen (Anatomie &#xA75B;c.), &#x017F;eine Krankheiten (Patholo-<lb/>
gie) und Heilkra&#x0364;fte (Materia Medica) umfa&#x017F;&#x017F;en.</p>
              </div><lb/>
              <div n="6">
                <head>§ 508.</head><lb/>
                <p>Sodann aber muß er auch &#x017F;eine eigenen Erfahrungen<lb/>
in dem Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e aufbewahren, um no&#x0364;thigenfalls auf der<lb/>
Stelle davon Gebrauch machen zu ko&#x0364;nnen, er muß auch bey<lb/>
einer ausgebreiteten Praxis den Verlauf der Er&#x017F;cheinungen<lb/>
an jedem einzelnen Kranken, die angewendeten Mittel, und die<lb/>
darauf erfolgten Wirkungen in ihrem genaue&#x017F;ten Detail immer<lb/>
gegenwa&#x0364;rtig haben, und endlich in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die Per-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;onen,</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0173] Bildung des Arztes. von allen ihren Seiten zu beobachten, und auch die verſteck- teſten Eigenſchaften derſelben zu bemerken. Durch Uebung wird dann eine gewiſſe Fertigkeit, ein Habitus daraus, und dieſen muß ſich der junge Arzt zu verſchaffen ſuchen. § 506. Hierzu dient ihm unter andern auch die Naturbeſchrei- bung. Es iſt naͤmlich nicht nur die bloße Kenntniß gewiſſer Koͤrper, was ſie ihm mittheilt, ſondern auch die Fertigkeit, die unterſcheidenden Merkmahle der Gegenſtaͤnde zu einem Ganzen aufzufaſſen, und dadurch ſchnell uͤber dieſelben ent- ſcheiden zu koͤnnen. 2. Gedaͤchtniß. § 507. Das Gedaͤchtniß, oder das Vermoͤgen, vordem em- pfangene Vorſtellungen zu reproduciren, muß eben ſo ſtark an dem Arzte ſeyn. Denn zuerſt muß er die wiſſenſchaft- lichen Kenntniſſe der Heilkunſt immer in Bereitſchaft haben, und dieſe ſind außerordentlich weitlaͤuftig, da ſie theils die ganze aͤußere Natur (Naturgeſchichte), theils die Natur des Menſchen (Anatomie ꝛc.), ſeine Krankheiten (Patholo- gie) und Heilkraͤfte (Materia Medica) umfaſſen. § 508. Sodann aber muß er auch ſeine eigenen Erfahrungen in dem Gedaͤchtniſſe aufbewahren, um noͤthigenfalls auf der Stelle davon Gebrauch machen zu koͤnnen, er muß auch bey einer ausgebreiteten Praxis den Verlauf der Erſcheinungen an jedem einzelnen Kranken, die angewendeten Mittel, und die darauf erfolgten Wirkungen in ihrem genaueſten Detail immer gegenwaͤrtig haben, und endlich in Ruͤckſicht auf die Per- ſonen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/173
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/173>, abgerufen am 19.04.2024.