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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Dritter Theil.
§ 738.

3) Freyheit von irgend einer Voraussetzung, oder ir-
gend einem Vorurtheile, fester Wille, nicht mehr und nicht
weniger zu finden, als die Natur zeigen wird.

§ 739.

4) Angestrengte und ungestörte Aufmerksamkeit auf den
Kranken, auf alle seine Aeußerungen, seine gegenwärtigen
und vorhergegangenen Verhältnisse.

§ 740.

5) Man muß langsam und bedächtig bey der Beobach-
tung zu Werke gehen; von allen Schwierigkeiten derselben
überzeugt seyn, und sie zu bekämpfen wissen; so lange an
der Beobachtung zweifeln, bis sie von allen Seiten und auf
verschiedenen Wegen zur Gewißheit erhoben ist, dabey me-
thodisch verfahren, um nicht den Faden der Untersuchung
zu verlieren, keinen Umstand für zu geringfügig ansehen *),
aber das Wesentliche von dem Unwesentlichen unterscheiden,
die einzelnen Umstände bis in ihr innerstes Detail verfol-
gen, und sich dann erst ein allgemeines Bild von dem
Ganzen entwerfen.

*) Plaz progr. II de minutiis non semper a medico post-
habendis. Lips.
773 -- 74. 4.
§ 741.

Die Beobachtungskunst erwirbt man sich nun dadurch,
1) daß man diese Erfordernisse kennt, zu erfüllen sucht, und
mit beständiger Hinsicht auf dieselben am Krankenbette sich
übt.


§ 742.
Dritter Theil.
§ 738.

3) Freyheit von irgend einer Vorausſetzung, oder ir-
gend einem Vorurtheile, feſter Wille, nicht mehr und nicht
weniger zu finden, als die Natur zeigen wird.

§ 739.

4) Angeſtrengte und ungeſtoͤrte Aufmerkſamkeit auf den
Kranken, auf alle ſeine Aeußerungen, ſeine gegenwaͤrtigen
und vorhergegangenen Verhaͤltniſſe.

§ 740.

5) Man muß langſam und bedaͤchtig bey der Beobach-
tung zu Werke gehen; von allen Schwierigkeiten derſelben
uͤberzeugt ſeyn, und ſie zu bekaͤmpfen wiſſen; ſo lange an
der Beobachtung zweifeln, bis ſie von allen Seiten und auf
verſchiedenen Wegen zur Gewißheit erhoben iſt, dabey me-
thodiſch verfahren, um nicht den Faden der Unterſuchung
zu verlieren, keinen Umſtand fuͤr zu geringfuͤgig anſehen *),
aber das Weſentliche von dem Unweſentlichen unterſcheiden,
die einzelnen Umſtaͤnde bis in ihr innerſtes Detail verfol-
gen, und ſich dann erſt ein allgemeines Bild von dem
Ganzen entwerfen.

*) Plaz progr. II de minutiis non ſemper a medico poſt-
habendis. Lipſ.
773 — 74. 4.
§ 741.

Die Beobachtungskunſt erwirbt man ſich nun dadurch,
1) daß man dieſe Erforderniſſe kennt, zu erfuͤllen ſucht, und
mit beſtaͤndiger Hinſicht auf dieſelben am Krankenbette ſich
uͤbt.


§ 742.
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[234/0252] Dritter Theil. § 738. 3) Freyheit von irgend einer Vorausſetzung, oder ir- gend einem Vorurtheile, feſter Wille, nicht mehr und nicht weniger zu finden, als die Natur zeigen wird. § 739. 4) Angeſtrengte und ungeſtoͤrte Aufmerkſamkeit auf den Kranken, auf alle ſeine Aeußerungen, ſeine gegenwaͤrtigen und vorhergegangenen Verhaͤltniſſe. § 740. 5) Man muß langſam und bedaͤchtig bey der Beobach- tung zu Werke gehen; von allen Schwierigkeiten derſelben uͤberzeugt ſeyn, und ſie zu bekaͤmpfen wiſſen; ſo lange an der Beobachtung zweifeln, bis ſie von allen Seiten und auf verſchiedenen Wegen zur Gewißheit erhoben iſt, dabey me- thodiſch verfahren, um nicht den Faden der Unterſuchung zu verlieren, keinen Umſtand fuͤr zu geringfuͤgig anſehen *), aber das Weſentliche von dem Unweſentlichen unterſcheiden, die einzelnen Umſtaͤnde bis in ihr innerſtes Detail verfol- gen, und ſich dann erſt ein allgemeines Bild von dem Ganzen entwerfen. *⁾ Plaz progr. II de minutiis non ſemper a medico poſt- habendis. Lipſ. 773 — 74. 4. § 741. Die Beobachtungskunſt erwirbt man ſich nun dadurch, 1) daß man dieſe Erforderniſſe kennt, zu erfuͤllen ſucht, und mit beſtaͤndiger Hinſicht auf dieſelben am Krankenbette ſich uͤbt. § 742.

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/252>, abgerufen am 24.04.2024.