Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Bildung des Arztes.
daselbst angestellten Aerzte handeln zu sehen, sodann um un-
ter ihrer Aufsicht selbst Kranke zu übernehmen. Dies ist die
beste und unentbehrliche Vorbereitung zur Praxis.

Titius de arte clinica opportune in nosocomiis addiscenda
Witeberg.
795. 4.
§ 772.

Anfangs ist es nichts weniger, als rathsam, große
Spitäler zu besuchen. Denn die Aerzte müssen hier wegen
Menge der Kranken, sehr schnell beobachten und ihr Uttheil
fällen, und ihren ganzen Zustand mit wenigen Blicken über-
sehen: der Anfänger kann wegen Mangel an Uebung ihnen
noch nicht folgen, er geräth in die Versuchung, die Erkennt-
niß der Krankheiten für etwas sehr Leichtes zu halten, und
gewöhnt sich an einen Schlendrian, welcher ihn für immer
abhält, Arzt zu werden. Hierzu kömmt noch, daß in man-
chen großen Spitälern die ärztliche Besorgung nicht die ge-
wissenhafteste und nachahmungswürdigste ist.

§ 773.

Man muß also an das Krankenbette zuerst von einem
Arzte geführt werden, welcher jedem einzelnen Kranken
nicht nur seine volle Aufmerksamkeit schenkt, sondern auch
die Untersuchung seines Zustandes langsam, den Kräften und
Kenntnissen des Anfängers gemäß vornimmt, und das Ur-
theil darüber, welches er für sich kürzer zu fassen pflegt
(§ 519), zum Besten desselben analysirt, alle Bestimmungs-
gründe entwickelt, und die Vortheile seiner bestimmten Hand-
lungsweise gehörig auseinander setzt.

§ 774.

Dies geschieht nun in den sogenannten klinischen Anstal-
ten, welche in stehende (perpetua) und wandelnde (ambu-

antia)
Q 4

Bildung des Arztes.
daſelbſt angeſtellten Aerzte handeln zu ſehen, ſodann um un-
ter ihrer Aufſicht ſelbſt Kranke zu uͤbernehmen. Dies iſt die
beſte und unentbehrliche Vorbereitung zur Praxis.

Titius de arte clinica opportune in noſocomiis addiſcenda
Witeberg.
795. 4.
§ 772.

Anfangs iſt es nichts weniger, als rathſam, große
Spitaͤler zu beſuchen. Denn die Aerzte muͤſſen hier wegen
Menge der Kranken, ſehr ſchnell beobachten und ihr Uttheil
faͤllen, und ihren ganzen Zuſtand mit wenigen Blicken uͤber-
ſehen: der Anfaͤnger kann wegen Mangel an Uebung ihnen
noch nicht folgen, er geraͤth in die Verſuchung, die Erkennt-
niß der Krankheiten fuͤr etwas ſehr Leichtes zu halten, und
gewoͤhnt ſich an einen Schlendrian, welcher ihn fuͤr immer
abhaͤlt, Arzt zu werden. Hierzu koͤmmt noch, daß in man-
chen großen Spitaͤlern die aͤrztliche Beſorgung nicht die ge-
wiſſenhafteſte und nachahmungswuͤrdigſte iſt.

§ 773.

Man muß alſo an das Krankenbette zuerſt von einem
Arzte gefuͤhrt werden, welcher jedem einzelnen Kranken
nicht nur ſeine volle Aufmerkſamkeit ſchenkt, ſondern auch
die Unterſuchung ſeines Zuſtandes langſam, den Kraͤften und
Kenntniſſen des Anfaͤngers gemaͤß vornimmt, und das Ur-
theil daruͤber, welches er fuͤr ſich kuͤrzer zu faſſen pflegt
(§ 519), zum Beſten deſſelben analyſirt, alle Beſtimmungs-
gruͤnde entwickelt, und die Vortheile ſeiner beſtimmten Hand-
lungsweiſe gehoͤrig auseinander ſetzt.

§ 774.

Dies geſchieht nun in den ſogenannten kliniſchen Anſtal-
ten, welche in ſtehende (perpetua) und wandelnde (ambu-

antia)
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0265" n="247"/><fw place="top" type="header">Bildung des Arztes.</fw><lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t ange&#x017F;tellten Aerzte handeln zu &#x017F;ehen, &#x017F;odann um un-<lb/>
ter ihrer Auf&#x017F;icht &#x017F;elb&#x017F;t Kranke zu u&#x0364;bernehmen. Dies i&#x017F;t die<lb/>
be&#x017F;te und unentbehrliche Vorbereitung zur Praxis.</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Titius</hi> de arte clinica opportune in no&#x017F;ocomiis addi&#x017F;cenda<lb/>
Witeberg.</hi> 795. 4.</item>
              </list>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 772.</head><lb/>
              <p>Anfangs i&#x017F;t es nichts weniger, als rath&#x017F;am, große<lb/>
Spita&#x0364;ler zu be&#x017F;uchen. Denn die Aerzte mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en hier wegen<lb/>
Menge der Kranken, &#x017F;ehr &#x017F;chnell beobachten und ihr Uttheil<lb/>
fa&#x0364;llen, und ihren ganzen Zu&#x017F;tand mit wenigen Blicken u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;ehen: der Anfa&#x0364;nger kann wegen Mangel an Uebung ihnen<lb/>
noch nicht folgen, er gera&#x0364;th in die Ver&#x017F;uchung, <choice><sic>dle</sic><corr>die</corr></choice> Erkennt-<lb/>
niß der Krankheiten fu&#x0364;r etwas &#x017F;ehr Leichtes zu halten, und<lb/>
gewo&#x0364;hnt &#x017F;ich an einen Schlendrian, welcher ihn fu&#x0364;r immer<lb/>
abha&#x0364;lt, Arzt zu werden. Hierzu ko&#x0364;mmt noch, daß in man-<lb/>
chen großen Spita&#x0364;lern die a&#x0364;rztliche Be&#x017F;orgung nicht die ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enhafte&#x017F;te und nachahmungswu&#x0364;rdig&#x017F;te i&#x017F;t.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 773.</head><lb/>
              <p>Man muß al&#x017F;o an das Krankenbette zuer&#x017F;t von einem<lb/>
Arzte gefu&#x0364;hrt werden, welcher jedem einzelnen Kranken<lb/>
nicht nur &#x017F;eine volle Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;chenkt, &#x017F;ondern auch<lb/>
die Unter&#x017F;uchung &#x017F;eines Zu&#x017F;tandes lang&#x017F;am, den Kra&#x0364;ften und<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;en des Anfa&#x0364;ngers gema&#x0364;ß vornimmt, und das Ur-<lb/>
theil daru&#x0364;ber, welches er fu&#x0364;r &#x017F;ich ku&#x0364;rzer zu fa&#x017F;&#x017F;en pflegt<lb/>
(§ 519), zum Be&#x017F;ten de&#x017F;&#x017F;elben analy&#x017F;irt, alle Be&#x017F;timmungs-<lb/>
gru&#x0364;nde entwickelt, und die Vortheile &#x017F;einer be&#x017F;timmten Hand-<lb/>
lungswei&#x017F;e geho&#x0364;rig auseinander &#x017F;etzt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 774.</head><lb/>
              <p>Dies ge&#x017F;chieht nun in den &#x017F;ogenannten klini&#x017F;chen An&#x017F;tal-<lb/>
ten, welche in &#x017F;tehende (<hi rendition="#aq">perpetua</hi>) und wandelnde (<hi rendition="#aq">ambu</hi>-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">antia</hi>)</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0265] Bildung des Arztes. daſelbſt angeſtellten Aerzte handeln zu ſehen, ſodann um un- ter ihrer Aufſicht ſelbſt Kranke zu uͤbernehmen. Dies iſt die beſte und unentbehrliche Vorbereitung zur Praxis. Titius de arte clinica opportune in noſocomiis addiſcenda Witeberg. 795. 4. § 772. Anfangs iſt es nichts weniger, als rathſam, große Spitaͤler zu beſuchen. Denn die Aerzte muͤſſen hier wegen Menge der Kranken, ſehr ſchnell beobachten und ihr Uttheil faͤllen, und ihren ganzen Zuſtand mit wenigen Blicken uͤber- ſehen: der Anfaͤnger kann wegen Mangel an Uebung ihnen noch nicht folgen, er geraͤth in die Verſuchung, die Erkennt- niß der Krankheiten fuͤr etwas ſehr Leichtes zu halten, und gewoͤhnt ſich an einen Schlendrian, welcher ihn fuͤr immer abhaͤlt, Arzt zu werden. Hierzu koͤmmt noch, daß in man- chen großen Spitaͤlern die aͤrztliche Beſorgung nicht die ge- wiſſenhafteſte und nachahmungswuͤrdigſte iſt. § 773. Man muß alſo an das Krankenbette zuerſt von einem Arzte gefuͤhrt werden, welcher jedem einzelnen Kranken nicht nur ſeine volle Aufmerkſamkeit ſchenkt, ſondern auch die Unterſuchung ſeines Zuſtandes langſam, den Kraͤften und Kenntniſſen des Anfaͤngers gemaͤß vornimmt, und das Ur- theil daruͤber, welches er fuͤr ſich kuͤrzer zu faſſen pflegt (§ 519), zum Beſten deſſelben analyſirt, alle Beſtimmungs- gruͤnde entwickelt, und die Vortheile ſeiner beſtimmten Hand- lungsweiſe gehoͤrig auseinander ſetzt. § 774. Dies geſchieht nun in den ſogenannten kliniſchen Anſtal- ten, welche in ſtehende (perpetua) und wandelnde (ambu- antia) Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/265
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/265>, abgerufen am 19.04.2024.