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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Dritter Theil.
men des scavoir faire, und trägt ihre Grundsätze in der me-
die inischen Politik oder Klugheitslehre vor.

a Castro medicus politicus. Hamb. 614. 4.
Gruner de fortuna et prudentia medica. Jen. 726. 4.
Udens medicinische Politik. Leipz. 783. 8.
Starkens Versuch einer wahren und falschen Politik der
Aerzte. Jena, 784. 8.
Vogels allgemeine Bemerkungen über das scavoir faire, in
der medicinischen Praxis. (In Hufelands Journal 1. Band.
S. 295.
§ 536.

So lange diese Klugheitslehre nur für sich besteht, und
also sich nur auf den eigenen Zweck des Arztes, Beförde-
rung seines individuellen Wohlseyns, bezieht, so ist sie so
verderblich und verächtlich, als ihre ersten Bearbeiter, die
Sophisten. Wird sie aber von der Humanität geleitet,
und hat sie von dieser die Richtung auf Erreichung eines,
die Menschheit interessirenden Zweckes durch Ergreifung der
passendsten Mittel erhalten: so kann sie der Moralität keinen
Eintrag thun, und sie macht dann ein besonderes Bedürfniß
des Arztes aus.

§ 537.

Sie lehrt ihn nämlich, wie er sich gegen jeden einzelnen
Menschen betragen müsse, um sich in den vollkommenen Be-
sitz seines Zutrauens zu setzen, wie er die Delikatesse schonen,
unschädliche Schwachheiten dulden, eingewurzelte Vorur-
theile allmälig ausrotten, Geschlecht, Alter, Stand, Ver-
mögen, Lebensart berücksichtigen müsse etc. Hat er aber
einmal das Zutrauen seines Kranken gewonnen: so ist er da-
durch auch seinem Ziele schon um ein Beträchtliches näher
gerückt, und die Heilung ist ihm erleichtert worden.


§ 538.

Dritter Theil.
men des ſçavoir faire, und traͤgt ihre Grundſaͤtze in der me-
die iniſchen Politik oder Klugheitslehre vor.

a Caſtro medicus politicus. Hamb. 614. 4.
Gruner de fortuna et prudentia medica. Jen. 726. 4.
Udens mediciniſche Politik. Leipz. 783. 8.
Starkens Verſuch einer wahren und falſchen Politik der
Aerzte. Jena, 784. 8.
Vogels allgemeine Bemerkungen uͤber das ſçavoir faire, in
der mediciniſchen Praxis. (In Hufelands Journal 1. Band.
S. 295.
§ 536.

So lange dieſe Klugheitslehre nur fuͤr ſich beſteht, und
alſo ſich nur auf den eigenen Zweck des Arztes, Befoͤrde-
rung ſeines individuellen Wohlſeyns, bezieht, ſo iſt ſie ſo
verderblich und veraͤchtlich, als ihre erſten Bearbeiter, die
Sophiſten. Wird ſie aber von der Humanitaͤt geleitet,
und hat ſie von dieſer die Richtung auf Erreichung eines,
die Menſchheit intereſſirenden Zweckes durch Ergreifung der
paſſendſten Mittel erhalten: ſo kann ſie der Moralitaͤt keinen
Eintrag thun, und ſie macht dann ein beſonderes Beduͤrfniß
des Arztes aus.

§ 537.

Sie lehrt ihn naͤmlich, wie er ſich gegen jeden einzelnen
Menſchen betragen muͤſſe, um ſich in den vollkommenen Be-
ſitz ſeines Zutrauens zu ſetzen, wie er die Delikateſſe ſchonen,
unſchaͤdliche Schwachheiten dulden, eingewurzelte Vorur-
theile allmaͤlig ausrotten, Geſchlecht, Alter, Stand, Ver-
moͤgen, Lebensart beruͤckſichtigen muͤſſe ꝛc. Hat er aber
einmal das Zutrauen ſeines Kranken gewonnen: ſo iſt er da-
durch auch ſeinem Ziele ſchon um ein Betraͤchtliches naͤher
geruͤckt, und die Heilung iſt ihm erleichtert worden.


§ 538.
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[164/0182] Dritter Theil. men des ſçavoir faire, und traͤgt ihre Grundſaͤtze in der me- die iniſchen Politik oder Klugheitslehre vor. a Caſtro medicus politicus. Hamb. 614. 4. Gruner de fortuna et prudentia medica. Jen. 726. 4. Udens mediciniſche Politik. Leipz. 783. 8. Starkens Verſuch einer wahren und falſchen Politik der Aerzte. Jena, 784. 8. Vogels allgemeine Bemerkungen uͤber das ſçavoir faire, in der mediciniſchen Praxis. (In Hufelands Journal 1. Band. S. 295. § 536. So lange dieſe Klugheitslehre nur fuͤr ſich beſteht, und alſo ſich nur auf den eigenen Zweck des Arztes, Befoͤrde- rung ſeines individuellen Wohlſeyns, bezieht, ſo iſt ſie ſo verderblich und veraͤchtlich, als ihre erſten Bearbeiter, die Sophiſten. Wird ſie aber von der Humanitaͤt geleitet, und hat ſie von dieſer die Richtung auf Erreichung eines, die Menſchheit intereſſirenden Zweckes durch Ergreifung der paſſendſten Mittel erhalten: ſo kann ſie der Moralitaͤt keinen Eintrag thun, und ſie macht dann ein beſonderes Beduͤrfniß des Arztes aus. § 537. Sie lehrt ihn naͤmlich, wie er ſich gegen jeden einzelnen Menſchen betragen muͤſſe, um ſich in den vollkommenen Be- ſitz ſeines Zutrauens zu ſetzen, wie er die Delikateſſe ſchonen, unſchaͤdliche Schwachheiten dulden, eingewurzelte Vorur- theile allmaͤlig ausrotten, Geſchlecht, Alter, Stand, Ver- moͤgen, Lebensart beruͤckſichtigen muͤſſe ꝛc. Hat er aber einmal das Zutrauen ſeines Kranken gewonnen: ſo iſt er da- durch auch ſeinem Ziele ſchon um ein Betraͤchtliches naͤher geruͤckt, und die Heilung iſt ihm erleichtert worden. § 538.

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/182>, abgerufen am 28.03.2024.