Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Theil.
Nachgeben gegen alle ihre willkührlichen Einrichtungen,
seine Freyheit behaupten; sie lehrt ihn die wahre Liberalität,
schützt ihn vor dem pöbelhaften Hochmuthe gegen Niedere,
und vor dem Kriechen bey Höhern, und ist die einzige
Richtschnur seines Verhaltens, um seine Würde in jedem
Falle zu behaupten.

Carl, decorum medici. Budingen, 719. 8.
§ 542.

Um aber bloß sein Glück zu machen, bedarf der Arzt
dieser ächten Bildung ganz und gar nicht. Hier unterstützt
ihm nur ein gewisser Grad von Klugheit, mit deren Hülfe
er die schwache Seite eines Jeden entdeckt, um ihr zu
schmeicheln; denn er weiß, daß der, welcher das Stecken-
pferd des Publikums liebkoset, allgemein beliebt ist. Diese
Klugheit kann ihren Besitzer bey dem großen ungebildeten
Haufen geachtet, und daher auch reich und berühmt machen;
allein sie scheitert bey dem gebildeten Theile des Publikums.
Daher ist ein bloß kluger Arzt nur ein Localgeschöpf, an
seinen Boden und an seines Gleichen geheftet; der Arzt aber,
welcher Humanität mit Klugheit verbindet, ist der allge-
meine Mensch: nicht sein unreines Ich, sondern die Stim-
me der Humanität in ihm beherrscht die Welt.

§ 543.

Klugheit läßt sich freylich nicht lehren und Humanität
nicht gebieten; auf die Wege aber, welche dahin führen,
kann man wohl aufmerksam machen. Aufmerksame Beob-
achtung der Menschen, mit welchen man umgeht, ist der
einzige Weg zur Klugheit zu gelangen, welchen man
auch schon so früh als möglich einschlagen muß.


§ 544.

Dritter Theil.
Nachgeben gegen alle ihre willkuͤhrlichen Einrichtungen,
ſeine Freyheit behaupten; ſie lehrt ihn die wahre Liberalitaͤt,
ſchuͤtzt ihn vor dem poͤbelhaften Hochmuthe gegen Niedere,
und vor dem Kriechen bey Hoͤhern, und iſt die einzige
Richtſchnur ſeines Verhaltens, um ſeine Wuͤrde in jedem
Falle zu behaupten.

Carl, decorum medici. Budingen, 719. 8.
§ 542.

Um aber bloß ſein Gluͤck zu machen, bedarf der Arzt
dieſer aͤchten Bildung ganz und gar nicht. Hier unterſtuͤtzt
ihm nur ein gewiſſer Grad von Klugheit, mit deren Huͤlfe
er die ſchwache Seite eines Jeden entdeckt, um ihr zu
ſchmeicheln; denn er weiß, daß der, welcher das Stecken-
pferd des Publikums liebkoſet, allgemein beliebt iſt. Dieſe
Klugheit kann ihren Beſitzer bey dem großen ungebildeten
Haufen geachtet, und daher auch reich und beruͤhmt machen;
allein ſie ſcheitert bey dem gebildeten Theile des Publikums.
Daher iſt ein bloß kluger Arzt nur ein Localgeſchoͤpf, an
ſeinen Boden und an ſeines Gleichen geheftet; der Arzt aber,
welcher Humanitaͤt mit Klugheit verbindet, iſt der allge-
meine Menſch: nicht ſein unreines Ich, ſondern die Stim-
me der Humanitaͤt in ihm beherrſcht die Welt.

§ 543.

Klugheit laͤßt ſich freylich nicht lehren und Humanitaͤt
nicht gebieten; auf die Wege aber, welche dahin fuͤhren,
kann man wohl aufmerkſam machen. Aufmerkſame Beob-
achtung der Menſchen, mit welchen man umgeht, iſt der
einzige Weg zur Klugheit zu gelangen, welchen man
auch ſchon ſo fruͤh als moͤglich einſchlagen muß.


§ 544.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0184" n="166"/><fw place="top" type="header">Dritter Theil.</fw><lb/>
Nachgeben gegen alle ihre willku&#x0364;hrlichen Einrichtungen,<lb/>
&#x017F;eine Freyheit behaupten; &#x017F;ie lehrt ihn die wahre Liberalita&#x0364;t,<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzt ihn vor dem po&#x0364;belhaften Hochmuthe gegen Niedere,<lb/>
und vor dem Kriechen bey Ho&#x0364;hern, und i&#x017F;t die einzige<lb/>
Richt&#x017F;chnur &#x017F;eines Verhaltens, um &#x017F;eine Wu&#x0364;rde in jedem<lb/>
Falle zu behaupten.</p><lb/>
              <list>
                <item> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Carl</hi>, decorum medici. Budingen, 719. 8.</hi> </item>
              </list>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 542.</head><lb/>
              <p>Um aber bloß &#x017F;ein Glu&#x0364;ck zu machen, bedarf der Arzt<lb/>
die&#x017F;er a&#x0364;chten Bildung ganz und gar nicht. Hier unter&#x017F;tu&#x0364;tzt<lb/>
ihm nur ein gewi&#x017F;&#x017F;er Grad von Klugheit, mit deren Hu&#x0364;lfe<lb/>
er die &#x017F;chwache Seite eines Jeden entdeckt, um ihr zu<lb/>
&#x017F;chmeicheln; denn er weiß, daß der, welcher das Stecken-<lb/>
pferd des Publikums liebko&#x017F;et, allgemein beliebt i&#x017F;t. Die&#x017F;e<lb/>
Klugheit kann ihren Be&#x017F;itzer bey dem großen ungebildeten<lb/>
Haufen geachtet, und daher auch reich und beru&#x0364;hmt machen;<lb/>
allein &#x017F;ie &#x017F;cheitert bey dem gebildeten Theile des Publikums.<lb/>
Daher i&#x017F;t ein bloß kluger Arzt nur ein Localge&#x017F;cho&#x0364;pf, an<lb/>
&#x017F;einen Boden und an &#x017F;eines Gleichen geheftet; der Arzt aber,<lb/>
welcher Humanita&#x0364;t mit Klugheit verbindet, i&#x017F;t der allge-<lb/>
meine Men&#x017F;ch: nicht &#x017F;ein unreines Ich, &#x017F;ondern die Stim-<lb/>
me der Humanita&#x0364;t in ihm beherr&#x017F;cht die Welt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head>§ 543.</head><lb/>
              <p>Klugheit la&#x0364;ßt &#x017F;ich freylich nicht lehren und Humanita&#x0364;t<lb/>
nicht gebieten; auf die Wege aber, welche dahin fu&#x0364;hren,<lb/>
kann man wohl aufmerk&#x017F;am machen. Aufmerk&#x017F;ame Beob-<lb/>
achtung der Men&#x017F;chen, mit welchen man umgeht, i&#x017F;t der<lb/>
einzige Weg zur Klugheit zu gelangen, welchen man<lb/>
auch &#x017F;chon &#x017F;o fru&#x0364;h als mo&#x0364;glich ein&#x017F;chlagen muß.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§ 544.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0184] Dritter Theil. Nachgeben gegen alle ihre willkuͤhrlichen Einrichtungen, ſeine Freyheit behaupten; ſie lehrt ihn die wahre Liberalitaͤt, ſchuͤtzt ihn vor dem poͤbelhaften Hochmuthe gegen Niedere, und vor dem Kriechen bey Hoͤhern, und iſt die einzige Richtſchnur ſeines Verhaltens, um ſeine Wuͤrde in jedem Falle zu behaupten. Carl, decorum medici. Budingen, 719. 8. § 542. Um aber bloß ſein Gluͤck zu machen, bedarf der Arzt dieſer aͤchten Bildung ganz und gar nicht. Hier unterſtuͤtzt ihm nur ein gewiſſer Grad von Klugheit, mit deren Huͤlfe er die ſchwache Seite eines Jeden entdeckt, um ihr zu ſchmeicheln; denn er weiß, daß der, welcher das Stecken- pferd des Publikums liebkoſet, allgemein beliebt iſt. Dieſe Klugheit kann ihren Beſitzer bey dem großen ungebildeten Haufen geachtet, und daher auch reich und beruͤhmt machen; allein ſie ſcheitert bey dem gebildeten Theile des Publikums. Daher iſt ein bloß kluger Arzt nur ein Localgeſchoͤpf, an ſeinen Boden und an ſeines Gleichen geheftet; der Arzt aber, welcher Humanitaͤt mit Klugheit verbindet, iſt der allge- meine Menſch: nicht ſein unreines Ich, ſondern die Stim- me der Humanitaͤt in ihm beherrſcht die Welt. § 543. Klugheit laͤßt ſich freylich nicht lehren und Humanitaͤt nicht gebieten; auf die Wege aber, welche dahin fuͤhren, kann man wohl aufmerkſam machen. Aufmerkſame Beob- achtung der Menſchen, mit welchen man umgeht, iſt der einzige Weg zur Klugheit zu gelangen, welchen man auch ſchon ſo fruͤh als moͤglich einſchlagen muß. § 544.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/184
Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/184>, abgerufen am 29.03.2024.