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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Erster Theil.
denkende Wesen im Menschen vermag nämlich eben sowohl
diese Heilung, als eine besondere Modification der Natur-
kräfte herbeizuführen, als überhaupt irgend eine Naturkraft
durch Veranlassung neuer Verhältnisse nach seinem Willen
zu modificiren.

§ 40.

Da also sowohl Erkenntniß (§. 37) als planmäßige
Heilung der Krankheiten (§. 39) möglich ist, so ist auch die
Heilkunst, als welche einzig und allein diese beyden Geschäf-
te hat (§. 34), möglich *). Sie leistet nämlich allen Forde-
rungen Genüge, welche man an irgend eine Kunst thut **),
indem sie 1) ihren Zweck (Wiederherstellung der Gesundheit)
deutlich darstellt, 2) die Mittel zu Erreichung desselben (in
der äußern Natur und in dem Menschen selbst) besitzt, und 3)
mit Sicherheit die Art erkennt, diese Mittel zum vorgesetzten
Zwecke anzuwenden (Heilplan).

*) Erhard über die Möglichkeit der Heilkunst -- (in Rösch-
laub's
Magazin. I. Bd. S. 23 f. f.)
**) Crausii Progr. de necessariis medici practici requisitis.
Jenae
709. 4.
§ 41.

Wenn wir die Erscheinungen einer Krankheit ihrem we-
sentlichen und ursachlichen Zusammenhange nach kennen;
wenn wir wissen, wie sie durch die Eigenschaften und Wür-
kungsgesetze der menschlichen Natur, so wie der auf sie ein-
würkenden Kräfte, allmählig bestimmt, und auf den gegen-
wärtigen Punct gebracht worden sind, und uns dem
zufolge auch die Würkung der Heilmittel auf sie, eben so
bekannt ist: so besitzen wir eine vollständige Theorie
einer Krankheit
.


§ 42.

Erſter Theil.
denkende Weſen im Menſchen vermag naͤmlich eben ſowohl
dieſe Heilung, als eine beſondere Modification der Natur-
kraͤfte herbeizufuͤhren, als uͤberhaupt irgend eine Naturkraft
durch Veranlaſſung neuer Verhaͤltniſſe nach ſeinem Willen
zu modificiren.

§ 40.

Da alſo ſowohl Erkenntniß (§. 37) als planmaͤßige
Heilung der Krankheiten (§. 39) moͤglich iſt, ſo iſt auch die
Heilkunſt, als welche einzig und allein dieſe beyden Geſchaͤf-
te hat (§. 34), moͤglich *). Sie leiſtet naͤmlich allen Forde-
rungen Genuͤge, welche man an irgend eine Kunſt thut **),
indem ſie 1) ihren Zweck (Wiederherſtellung der Geſundheit)
deutlich darſtellt, 2) die Mittel zu Erreichung deſſelben (in
der aͤußern Natur und in dem Menſchen ſelbſt) beſitzt, und 3)
mit Sicherheit die Art erkennt, dieſe Mittel zum vorgeſetzten
Zwecke anzuwenden (Heilplan).

*) Erhard uͤber die Moͤglichkeit der Heilkunſt — (in Roͤſch-
laub’s
Magazin. I. Bd. S. 23 f. f.)
**) Crauſii Progr. de neceſſariis medici practici requiſitis.
Jenae
709. 4.
§ 41.

Wenn wir die Erſcheinungen einer Krankheit ihrem we-
ſentlichen und urſachlichen Zuſammenhange nach kennen;
wenn wir wiſſen, wie ſie durch die Eigenſchaften und Wuͤr-
kungsgeſetze der menſchlichen Natur, ſo wie der auf ſie ein-
wuͤrkenden Kraͤfte, allmaͤhlig beſtimmt, und auf den gegen-
waͤrtigen Punct gebracht worden ſind, und uns dem
zufolge auch die Wuͤrkung der Heilmittel auf ſie, eben ſo
bekannt iſt: ſo beſitzen wir eine vollſtaͤndige Theorie
einer Krankheit
.


§ 42.
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[16/0034] Erſter Theil. denkende Weſen im Menſchen vermag naͤmlich eben ſowohl dieſe Heilung, als eine beſondere Modification der Natur- kraͤfte herbeizufuͤhren, als uͤberhaupt irgend eine Naturkraft durch Veranlaſſung neuer Verhaͤltniſſe nach ſeinem Willen zu modificiren. § 40. Da alſo ſowohl Erkenntniß (§. 37) als planmaͤßige Heilung der Krankheiten (§. 39) moͤglich iſt, ſo iſt auch die Heilkunſt, als welche einzig und allein dieſe beyden Geſchaͤf- te hat (§. 34), moͤglich *). Sie leiſtet naͤmlich allen Forde- rungen Genuͤge, welche man an irgend eine Kunſt thut **), indem ſie 1) ihren Zweck (Wiederherſtellung der Geſundheit) deutlich darſtellt, 2) die Mittel zu Erreichung deſſelben (in der aͤußern Natur und in dem Menſchen ſelbſt) beſitzt, und 3) mit Sicherheit die Art erkennt, dieſe Mittel zum vorgeſetzten Zwecke anzuwenden (Heilplan). *⁾ Erhard uͤber die Moͤglichkeit der Heilkunſt — (in Roͤſch- laub’s Magazin. I. Bd. S. 23 f. f.) **⁾ Crauſii Progr. de neceſſariis medici practici requiſitis. Jenae 709. 4. § 41. Wenn wir die Erſcheinungen einer Krankheit ihrem we- ſentlichen und urſachlichen Zuſammenhange nach kennen; wenn wir wiſſen, wie ſie durch die Eigenſchaften und Wuͤr- kungsgeſetze der menſchlichen Natur, ſo wie der auf ſie ein- wuͤrkenden Kraͤfte, allmaͤhlig beſtimmt, und auf den gegen- waͤrtigen Punct gebracht worden ſind, und uns dem zufolge auch die Wuͤrkung der Heilmittel auf ſie, eben ſo bekannt iſt: ſo beſitzen wir eine vollſtaͤndige Theorie einer Krankheit. § 42.

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/34>, abgerufen am 18.04.2024.