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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Kritik der Heilkunst.
seyn würde, wenn sie auch möglich wäre: so genügt es uns,
die Gesetze aufzusuchen, nach welchen die ihrem Wesen nach
uns für immer unbekannten Naturkräfte würken, und also
für uns existiren.

§ 67.

Hierzu führt uns nun die Inductionsmethode.
Da uns nemlich die Gesetze der Vernunft gebieten, zu glei-
chen Würkungen gleiche Ursachen zu denken, so schließen
wir durch die Induction von dem Aufeinanderfolgen oder
Beysammenseyn der Erscheinungen, auf ein gemeinschaftli-
ches Caussalverhältniß, welches ihnen zum Grunde liegt.

§ 68.

Um hier nicht zu rasch zu folgern, und um allen mög-
lichen Täuschungen vorzubeugen, müssen wir ausmitteln, ob
gewisse Erscheinungen immer beysammen sind, immer auf
einander folgen? -- Ist dies nicht der Fall, sind sie durch
das Werk des Zufalls, oder, richtiger zu sagen, durch Ur-
sachen, welche ausser ihnen liegen, verbunden worden, so
können wir ihnen kein gemeinschaftliches Caussalverhältniß
zuschreiben. -- Die in dieser Absicht unternommenen Ver-
änderungen der Verhältnisse, wodurch die Erscheinungen
selbst verändert werden, nennen wir Versuche.

§ 69.

Wenn endlich alle mit einer Erscheinung verbundenen
Verhältnisse hinweggenommen und geändert wurden, und
doch die Erscheinung sich allemal gleich blieb, sobald nur das
eine Verhältniß Statt fand, so haben wir den entschei-
denden Versuch
gewonnen, und wir sind gewiß, daß

jenes
B 5

Kritik der Heilkunſt.
ſeyn wuͤrde, wenn ſie auch moͤglich waͤre: ſo genuͤgt es uns,
die Geſetze aufzuſuchen, nach welchen die ihrem Weſen nach
uns fuͤr immer unbekannten Naturkraͤfte wuͤrken, und alſo
fuͤr uns exiſtiren.

§ 67.

Hierzu fuͤhrt uns nun die Inductionsmethode.
Da uns nemlich die Geſetze der Vernunft gebieten, zu glei-
chen Wuͤrkungen gleiche Urſachen zu denken, ſo ſchließen
wir durch die Induction von dem Aufeinanderfolgen oder
Beyſammenſeyn der Erſcheinungen, auf ein gemeinſchaftli-
ches Cauſſalverhaͤltniß, welches ihnen zum Grunde liegt.

§ 68.

Um hier nicht zu raſch zu folgern, und um allen moͤg-
lichen Taͤuſchungen vorzubeugen, muͤſſen wir ausmitteln, ob
gewiſſe Erſcheinungen immer beyſammen ſind, immer auf
einander folgen? — Iſt dies nicht der Fall, ſind ſie durch
das Werk des Zufalls, oder, richtiger zu ſagen, durch Ur-
ſachen, welche auſſer ihnen liegen, verbunden worden, ſo
koͤnnen wir ihnen kein gemeinſchaftliches Cauſſalverhaͤltniß
zuſchreiben. — Die in dieſer Abſicht unternommenen Ver-
aͤnderungen der Verhaͤltniſſe, wodurch die Erſcheinungen
ſelbſt veraͤndert werden, nennen wir Verſuche.

§ 69.

Wenn endlich alle mit einer Erſcheinung verbundenen
Verhaͤltniſſe hinweggenommen und geaͤndert wurden, und
doch die Erſcheinung ſich allemal gleich blieb, ſobald nur das
eine Verhaͤltniß Statt fand, ſo haben wir den entſchei-
denden Verſuch
gewonnen, und wir ſind gewiß, daß

jenes
B 5
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[25/0043] Kritik der Heilkunſt. ſeyn wuͤrde, wenn ſie auch moͤglich waͤre: ſo genuͤgt es uns, die Geſetze aufzuſuchen, nach welchen die ihrem Weſen nach uns fuͤr immer unbekannten Naturkraͤfte wuͤrken, und alſo fuͤr uns exiſtiren. § 67. Hierzu fuͤhrt uns nun die Inductionsmethode. Da uns nemlich die Geſetze der Vernunft gebieten, zu glei- chen Wuͤrkungen gleiche Urſachen zu denken, ſo ſchließen wir durch die Induction von dem Aufeinanderfolgen oder Beyſammenſeyn der Erſcheinungen, auf ein gemeinſchaftli- ches Cauſſalverhaͤltniß, welches ihnen zum Grunde liegt. § 68. Um hier nicht zu raſch zu folgern, und um allen moͤg- lichen Taͤuſchungen vorzubeugen, muͤſſen wir ausmitteln, ob gewiſſe Erſcheinungen immer beyſammen ſind, immer auf einander folgen? — Iſt dies nicht der Fall, ſind ſie durch das Werk des Zufalls, oder, richtiger zu ſagen, durch Ur- ſachen, welche auſſer ihnen liegen, verbunden worden, ſo koͤnnen wir ihnen kein gemeinſchaftliches Cauſſalverhaͤltniß zuſchreiben. — Die in dieſer Abſicht unternommenen Ver- aͤnderungen der Verhaͤltniſſe, wodurch die Erſcheinungen ſelbſt veraͤndert werden, nennen wir Verſuche. § 69. Wenn endlich alle mit einer Erſcheinung verbundenen Verhaͤltniſſe hinweggenommen und geaͤndert wurden, und doch die Erſcheinung ſich allemal gleich blieb, ſobald nur das eine Verhaͤltniß Statt fand, ſo haben wir den entſchei- denden Verſuch gewonnen, und wir ſind gewiß, daß jenes B 5

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/43>, abgerufen am 23.04.2024.