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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Zweyter Theil.
haupt, und in der Gesundheit insbesondere, verbunden mit
der Untersuchung ihres Wesens, ihrer Ursachen und ihrer
Würkungen. Sie ist also ganz das für die geistige Natur
des Menschen, was die Physiologie für seine körperliche Na-
tur ist.

§ 247.

Ihre Quelle ist ursprünglich das dem Menschen inwoh-
nende Bewußtseyn seiner selbst. Der Mensch vermag näm-
lich bey allen geistigen Würkungen, welche er äußert, seine
Aufmerksamkeit auf diese Acte zu lenken, und ihre eigen-
thümlichen Merkmahle vermittelst seines innern Sinnes wahr-
zunehmen.

§ 248.

Er findet, daß mit jeder geistigen Würkung eine Vor-
stellung verbunden ist, stellt aber ihre Modiflcationen unter
den drey Klassen des Erkennens, Begehrens und Fühlens
auf.

§ 249.

Diese Erscheinungen machen also den ersten und histori-
schen Theil der Psychologie aus, denn sie sind blos durch
die Beobachtung, durch die Anschauung seiner selbst ge-
geben.

§ 250.

Was nun aber die Untersuchung des Grundes dieser Er-
scheinungen anlangt, so steht sie, von der Kritik des Erkennt-
nißvermögens geleitet, von der Anmaßung ab, denselben an
sich, in seinem innern Wesen zu erkennen, begnügt sich,
(wie die Physiologie in Rücksicht auf die körperlichen Erschei-
nungen (§ 234) einen, seinem Wesen nach unbekannten Grund
der bekannten geistigen Erscheinungen zu denken, (welchen sie
an sich betrachtet, Geist, in Rücksicht auf seine Verbindung

mit

Zweyter Theil.
haupt, und in der Geſundheit insbeſondere, verbunden mit
der Unterſuchung ihres Weſens, ihrer Urſachen und ihrer
Wuͤrkungen. Sie iſt alſo ganz das fuͤr die geiſtige Natur
des Menſchen, was die Phyſiologie fuͤr ſeine koͤrperliche Na-
tur iſt.

§ 247.

Ihre Quelle iſt urſpruͤnglich das dem Menſchen inwoh-
nende Bewußtſeyn ſeiner ſelbſt. Der Menſch vermag naͤm-
lich bey allen geiſtigen Wuͤrkungen, welche er aͤußert, ſeine
Aufmerkſamkeit auf dieſe Acte zu lenken, und ihre eigen-
thuͤmlichen Merkmahle vermittelſt ſeines innern Sinnes wahr-
zunehmen.

§ 248.

Er findet, daß mit jeder geiſtigen Wuͤrkung eine Vor-
ſtellung verbunden iſt, ſtellt aber ihre Modiflcationen unter
den drey Klaſſen des Erkennens, Begehrens und Fuͤhlens
auf.

§ 249.

Dieſe Erſcheinungen machen alſo den erſten und hiſtori-
ſchen Theil der Pſychologie aus, denn ſie ſind blos durch
die Beobachtung, durch die Anſchauung ſeiner ſelbſt ge-
geben.

§ 250.

Was nun aber die Unterſuchung des Grundes dieſer Er-
ſcheinungen anlangt, ſo ſteht ſie, von der Kritik des Erkennt-
nißvermoͤgens geleitet, von der Anmaßung ab, denſelben an
ſich, in ſeinem innern Weſen zu erkennen, begnuͤgt ſich,
(wie die Phyſiologie in Ruͤckſicht auf die koͤrperlichen Erſchei-
nungen (§ 234) einen, ſeinem Weſen nach unbekannten Grund
der bekannten geiſtigen Erſcheinungen zu denken, (welchen ſie
an ſich betrachtet, Geiſt, in Ruͤckſicht auf ſeine Verbindung

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[76/0094] Zweyter Theil. haupt, und in der Geſundheit insbeſondere, verbunden mit der Unterſuchung ihres Weſens, ihrer Urſachen und ihrer Wuͤrkungen. Sie iſt alſo ganz das fuͤr die geiſtige Natur des Menſchen, was die Phyſiologie fuͤr ſeine koͤrperliche Na- tur iſt. § 247. Ihre Quelle iſt urſpruͤnglich das dem Menſchen inwoh- nende Bewußtſeyn ſeiner ſelbſt. Der Menſch vermag naͤm- lich bey allen geiſtigen Wuͤrkungen, welche er aͤußert, ſeine Aufmerkſamkeit auf dieſe Acte zu lenken, und ihre eigen- thuͤmlichen Merkmahle vermittelſt ſeines innern Sinnes wahr- zunehmen. § 248. Er findet, daß mit jeder geiſtigen Wuͤrkung eine Vor- ſtellung verbunden iſt, ſtellt aber ihre Modiflcationen unter den drey Klaſſen des Erkennens, Begehrens und Fuͤhlens auf. § 249. Dieſe Erſcheinungen machen alſo den erſten und hiſtori- ſchen Theil der Pſychologie aus, denn ſie ſind blos durch die Beobachtung, durch die Anſchauung ſeiner ſelbſt ge- geben. § 250. Was nun aber die Unterſuchung des Grundes dieſer Er- ſcheinungen anlangt, ſo ſteht ſie, von der Kritik des Erkennt- nißvermoͤgens geleitet, von der Anmaßung ab, denſelben an ſich, in ſeinem innern Weſen zu erkennen, begnuͤgt ſich, (wie die Phyſiologie in Ruͤckſicht auf die koͤrperlichen Erſchei- nungen (§ 234) einen, ſeinem Weſen nach unbekannten Grund der bekannten geiſtigen Erſcheinungen zu denken, (welchen ſie an ſich betrachtet, Geiſt, in Ruͤckſicht auf ſeine Verbindung mit

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/94>, abgerufen am 24.04.2024.