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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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wenn er sich eben einem tiefen Schlaf entrissen oder vielmehr, wie wenn dieser Schlaf seinen Kräften nicht völlig wieder aufgeholfen hatte. Seine Blicke richten sich nach verschiedenen Puncten der Straße hin, als ob er auf Jemand warte. Und in der That, er wartet auf Jemand, er erwartet den, welchen er Tags und die Tage vorher auch erwartet hatte, den er morgen und die folgenden und alle Tage erwarten wird, bis er endlich, sein noch übriges Leben kraftlos und von Schmerzen gefoltert auf seinem Lager dahin seufzend, dasselbe nur verläßt, um in einen Sarg eingenagelt zu werden. Doch ich will ja von der Gelegenheit zu den fraglichen Ausschweifungen reden......

Also sein Warten wird endlich mit dem gewünschten Erfolge gekrönt, und nachdem er einige Vorübergehende kurz angeredet hat, nähert sich ihm ein Mann; Beide unterhalten sich eine Weile stehend mit einander und setzen dann zusammen ihren Weg in der Straße fort, zwischendurch lachend und links und rechts den Vorübergehenden gemeine Witzworte zuschleudernd, bis endlich eine Strecke weiter ein Dritter sich ihnen anschließt und unser Kleeblatt dann in den Laden eines Schnapsschenken tritt. Dieser empfängt seine täglichen Kunden mit einem freundlichen Kopfnicken, und ohne nach ihren Bedürfnissen irgend zu fragen, da er diese nur zu gut kennt, stellt er sofort die nöthige Anzahl Gläser auf den Ladentisch, füllt sie, und diese werden nun geleert unter wechselndem Gelächter, Zoten und den verschiedenen Mittheilungen aus der scandalösen Stadtchronik, in deren komischer Ausstaffirung Einer den Andern zu überbieten sucht.

Man meint vielleicht, daß, einmal die Glaser geleert, unsere Trinker sich dann wieder fortbegeben werden; o nein! man täusche sich nicht und warte vielmehr ab, was nun weiter vorgeht. Ein Vierter nämlich ist mittlerweile in den Laden getreten und hat sich den Andern zugesellt, so daß dann das Lachen von Neuem beginnt, es förmlich Anecdoten regnet, ein volles Glas für den neuen Ankömmling

wenn er sich eben einem tiefen Schlaf entrissen oder vielmehr, wie wenn dieser Schlaf seinen Kräften nicht völlig wieder aufgeholfen hatte. Seine Blicke richten sich nach verschiedenen Puncten der Straße hin, als ob er auf Jemand warte. Und in der That, er wartet auf Jemand, er erwartet den, welchen er Tags und die Tage vorher auch erwartet hatte, den er morgen und die folgenden und alle Tage erwarten wird, bis er endlich, sein noch übriges Leben kraftlos und von Schmerzen gefoltert auf seinem Lager dahin seufzend, dasselbe nur verläßt, um in einen Sarg eingenagelt zu werden. Doch ich will ja von der Gelegenheit zu den fraglichen Ausschweifungen reden......

Also sein Warten wird endlich mit dem gewünschten Erfolge gekrönt, und nachdem er einige Vorübergehende kurz angeredet hat, nähert sich ihm ein Mann; Beide unterhalten sich eine Weile stehend mit einander und setzen dann zusammen ihren Weg in der Straße fort, zwischendurch lachend und links und rechts den Vorübergehenden gemeine Witzworte zuschleudernd, bis endlich eine Strecke weiter ein Dritter sich ihnen anschließt und unser Kleeblatt dann in den Laden eines Schnapsschenken tritt. Dieser empfängt seine täglichen Kunden mit einem freundlichen Kopfnicken, und ohne nach ihren Bedürfnissen irgend zu fragen, da er diese nur zu gut kennt, stellt er sofort die nöthige Anzahl Gläser auf den Ladentisch, füllt sie, und diese werden nun geleert unter wechselndem Gelächter, Zoten und den verschiedenen Mittheilungen aus der scandalösen Stadtchronik, in deren komischer Ausstaffirung Einer den Andern zu überbieten sucht.

Man meint vielleicht, daß, einmal die Glaser geleert, unsere Trinker sich dann wieder fortbegeben werden; o nein! man täusche sich nicht und warte vielmehr ab, was nun weiter vorgeht. Ein Vierter nämlich ist mittlerweile in den Laden getreten und hat sich den Andern zugesellt, so daß dann das Lachen von Neuem beginnt, es förmlich Anecdoten regnet, ein volles Glas für den neuen Ankömmling

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[17/0027] wenn er sich eben einem tiefen Schlaf entrissen oder vielmehr, wie wenn dieser Schlaf seinen Kräften nicht völlig wieder aufgeholfen hatte. Seine Blicke richten sich nach verschiedenen Puncten der Straße hin, als ob er auf Jemand warte. Und in der That, er wartet auf Jemand, er erwartet den, welchen er Tags und die Tage vorher auch erwartet hatte, den er morgen und die folgenden und alle Tage erwarten wird, bis er endlich, sein noch übriges Leben kraftlos und von Schmerzen gefoltert auf seinem Lager dahin seufzend, dasselbe nur verläßt, um in einen Sarg eingenagelt zu werden. Doch ich will ja von der Gelegenheit zu den fraglichen Ausschweifungen reden...... Also sein Warten wird endlich mit dem gewünschten Erfolge gekrönt, und nachdem er einige Vorübergehende kurz angeredet hat, nähert sich ihm ein Mann; Beide unterhalten sich eine Weile stehend mit einander und setzen dann zusammen ihren Weg in der Straße fort, zwischendurch lachend und links und rechts den Vorübergehenden gemeine Witzworte zuschleudernd, bis endlich eine Strecke weiter ein Dritter sich ihnen anschließt und unser Kleeblatt dann in den Laden eines Schnapsschenken tritt. Dieser empfängt seine täglichen Kunden mit einem freundlichen Kopfnicken, und ohne nach ihren Bedürfnissen irgend zu fragen, da er diese nur zu gut kennt, stellt er sofort die nöthige Anzahl Gläser auf den Ladentisch, füllt sie, und diese werden nun geleert unter wechselndem Gelächter, Zoten und den verschiedenen Mittheilungen aus der scandalösen Stadtchronik, in deren komischer Ausstaffirung Einer den Andern zu überbieten sucht. Man meint vielleicht, daß, einmal die Glaser geleert, unsere Trinker sich dann wieder fortbegeben werden; o nein! man täusche sich nicht und warte vielmehr ab, was nun weiter vorgeht. Ein Vierter nämlich ist mittlerweile in den Laden getreten und hat sich den Andern zugesellt, so daß dann das Lachen von Neuem beginnt, es förmlich Anecdoten regnet, ein volles Glas für den neuen Ankömmling

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/27>, abgerufen am 28.03.2024.