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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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Fünftes Capitel.
Geistige und sittliche Zerrüttung der Säufer.

Der Müssiggang ist, nächst dem häufigen Besuche der schlechten Gesellschaften, eine der vornehmsten Erzeugungsursachen der Trunksucht. Dieß ist eine so ausgemachte Wahrheit, daß die beiden Laster, in gleichsam solidarischer Haftpflicht, eines nicht ohne das andere bestehen zu können scheinen. Der, welcher heute trinkt, um die Zeit zu tödten, wird morgen trinken um des Vergnügens willen, nichts zu thun.

Wehe also Dem, der, ohne Beschäftigung lebend, sich deren nicht zu schaffen weiß; denn die eigene Langeweile, sowie die Länge des Tages werden ihn alle und jede Gelegenheit, um sich irgendwie die Zeit zu vertreiben, aufsuchen lassen. Was er so Anfangs nur zum Zeitvertreib that, wird er bald aus Gewohnheit und endlich aus Neigung thun. Aber dreifach Wehe Dem, welcher, entgegen der Pflicht, für die Erziehung und den Unterhalt seiner Familie zu sorgen, seine Arbeit vernachlässigt, um der Schwelgerei zu fröhnen. Dieser stiehlt seiner Familie das Brod, dieser macht sich zum Mitschuldigen und verantwortlich für alle Sorgen, welche jedem seiner Familienglieder auflasten, denn er ist es, welcher die Thüre seines Hauses öffnet, um dem Elend und den Krankheiten, welche sich in dessen Gefolge befinden, den Zutritt in dasselbe zu bahnen. Ich behaupte, bei einem solchen Menschen giebt es keine

Fünftes Capitel.
Geistige und sittliche Zerrüttung der Säufer.

Der Müssiggang ist, nächst dem häufigen Besuche der schlechten Gesellschaften, eine der vornehmsten Erzeugungsursachen der Trunksucht. Dieß ist eine so ausgemachte Wahrheit, daß die beiden Laster, in gleichsam solidarischer Haftpflicht, eines nicht ohne das andere bestehen zu können scheinen. Der, welcher heute trinkt, um die Zeit zu tödten, wird morgen trinken um des Vergnügens willen, nichts zu thun.

Wehe also Dem, der, ohne Beschäftigung lebend, sich deren nicht zu schaffen weiß; denn die eigene Langeweile, sowie die Länge des Tages werden ihn alle und jede Gelegenheit, um sich irgendwie die Zeit zu vertreiben, aufsuchen lassen. Was er so Anfangs nur zum Zeitvertreib that, wird er bald aus Gewohnheit und endlich aus Neigung thun. Aber dreifach Wehe Dem, welcher, entgegen der Pflicht, für die Erziehung und den Unterhalt seiner Familie zu sorgen, seine Arbeit vernachlässigt, um der Schwelgerei zu fröhnen. Dieser stiehlt seiner Familie das Brod, dieser macht sich zum Mitschuldigen und verantwortlich für alle Sorgen, welche jedem seiner Familienglieder auflasten, denn er ist es, welcher die Thüre seines Hauses öffnet, um dem Elend und den Krankheiten, welche sich in dessen Gefolge befinden, den Zutritt in dasselbe zu bahnen. Ich behaupte, bei einem solchen Menschen giebt es keine

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[[40]/0050] Fünftes Capitel. Geistige und sittliche Zerrüttung der Säufer. Der Müssiggang ist, nächst dem häufigen Besuche der schlechten Gesellschaften, eine der vornehmsten Erzeugungsursachen der Trunksucht. Dieß ist eine so ausgemachte Wahrheit, daß die beiden Laster, in gleichsam solidarischer Haftpflicht, eines nicht ohne das andere bestehen zu können scheinen. Der, welcher heute trinkt, um die Zeit zu tödten, wird morgen trinken um des Vergnügens willen, nichts zu thun. Wehe also Dem, der, ohne Beschäftigung lebend, sich deren nicht zu schaffen weiß; denn die eigene Langeweile, sowie die Länge des Tages werden ihn alle und jede Gelegenheit, um sich irgendwie die Zeit zu vertreiben, aufsuchen lassen. Was er so Anfangs nur zum Zeitvertreib that, wird er bald aus Gewohnheit und endlich aus Neigung thun. Aber dreifach Wehe Dem, welcher, entgegen der Pflicht, für die Erziehung und den Unterhalt seiner Familie zu sorgen, seine Arbeit vernachlässigt, um der Schwelgerei zu fröhnen. Dieser stiehlt seiner Familie das Brod, dieser macht sich zum Mitschuldigen und verantwortlich für alle Sorgen, welche jedem seiner Familienglieder auflasten, denn er ist es, welcher die Thüre seines Hauses öffnet, um dem Elend und den Krankheiten, welche sich in dessen Gefolge befinden, den Zutritt in dasselbe zu bahnen. Ich behaupte, bei einem solchen Menschen giebt es keine

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. [40]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/50>, abgerufen am 28.03.2024.