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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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worden sind, die Rechte Dritter verletze. Er fühlt darum
unwillkürlich das Bedürfniß, solche Einrichtungen zu treffen,
daß seine Handlung nicht zu dem Erfolge hinführe, oder
sich doch wenigstens der Hoffnung hinzugeben, daß der Erfolg
werde vermieden werden. Thut er dies, so hat er damit
seinen Willen zu erkennen gegeben, daß der Erfolg nicht
eintreten solle. Thut er es nicht, drängt er dieses ganz von
selbst hervortretende Nichtwollen gewaltsam zurück, so liegt
darin der Beweis, daß er ein das Jnteresse, nicht bestraft zu
werden, beziehungsweise nicht als Schuldner des Verletzten
zu erscheinen, überwiegendes anderes Jnteresse -- und sei es
auch nur die bloße Lust an dem Verbrechen oder die Trägheit,
sich zu einem anderen Entschlusse aufzuraffen -- an dem
Erfolge besitzt, mithin denselben bestimmt gewollt hat. --
Wäre Gleichgültigkeit gegenüber einem nur als wahrscheinlich
vorausgesehenen Erfolg gestattet, so müßte das Nämliche auch
gegenüber einem als nothwendig bevorstehend erkannten
Erfolge statthaft sein. Denn auch hier ist die Haftbarkeit
für den Erfolg nicht durch ein besonderes, auf dessen Herbei-
führung gerichtetes, Wollen bedingt. Der Grund für die
Haftbarkeit liegt darum hier vielmehr lediglich darin, daß der
Handelnde nicht in der Lage ist, die Causalität seiner
Handlung von sich ablehnen zu können, was, wenn der
Erfolg nur als wahrscheinlich bevorstehend erkannt wurde,
allerdings möglich ist. Aber es muß dann auch besonders
von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. -- Auch
Köstlin, System S. 183 rechnet die Gleichgültigkeit gegen den
Eintritt eines möglichen Erfolgs zum Dolus.

Eventuelles und alternatives Wollen.

Sieht der Handelnde zwei Erfolge als mit einigem, sei
es auch verschiedenem, Grade von Wahrscheinlichkeit bevor-

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worden ſind, die Rechte Dritter verletze. Er fühlt darum
unwillkürlich das Bedürfniß, ſolche Einrichtungen zu treffen,
daß ſeine Handlung nicht zu dem Erfolge hinführe, oder
ſich doch wenigſtens der Hoffnung hinzugeben, daß der Erfolg
werde vermieden werden. Thut er dies, ſo hat er damit
ſeinen Willen zu erkennen gegeben, daß der Erfolg nicht
eintreten ſolle. Thut er es nicht, drängt er dieſes ganz von
ſelbſt hervortretende Nichtwollen gewaltſam zurück, ſo liegt
darin der Beweis, daß er ein das Jntereſſe, nicht beſtraft zu
werden, beziehungsweiſe nicht als Schuldner des Verletzten
zu erſcheinen, überwiegendes anderes Jntereſſe — und ſei es
auch nur die bloße Luſt an dem Verbrechen oder die Trägheit,
ſich zu einem anderen Entſchluſſe aufzuraffen — an dem
Erfolge beſitzt, mithin denſelben beſtimmt gewollt hat. —
Wäre Gleichgültigkeit gegenüber einem nur als wahrſcheinlich
vorausgeſehenen Erfolg geſtattet, ſo müßte das Nämliche auch
gegenüber einem als nothwendig bevorſtehend erkannten
Erfolge ſtatthaft ſein. Denn auch hier iſt die Haftbarkeit
für den Erfolg nicht durch ein beſonderes, auf deſſen Herbei-
führung gerichtetes, Wollen bedingt. Der Grund für die
Haftbarkeit liegt darum hier vielmehr lediglich darin, daß der
Handelnde nicht in der Lage iſt, die Cauſalität ſeiner
Handlung von ſich ablehnen zu können, was, wenn der
Erfolg nur als wahrſcheinlich bevorſtehend erkannt wurde,
allerdings möglich iſt. Aber es muß dann auch beſonders
von dieſer Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. — Auch
Köſtlin, Syſtem S. 183 rechnet die Gleichgültigkeit gegen den
Eintritt eines möglichen Erfolgs zum Dolus.

Eventuelles und alternatives Wollen.

Sieht der Handelnde zwei Erfolge als mit einigem, ſei
es auch verſchiedenem, Grade von Wahrſcheinlichkeit bevor-

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[33/0037] worden ſind, die Rechte Dritter verletze. Er fühlt darum unwillkürlich das Bedürfniß, ſolche Einrichtungen zu treffen, daß ſeine Handlung nicht zu dem Erfolge hinführe, oder ſich doch wenigſtens der Hoffnung hinzugeben, daß der Erfolg werde vermieden werden. Thut er dies, ſo hat er damit ſeinen Willen zu erkennen gegeben, daß der Erfolg nicht eintreten ſolle. Thut er es nicht, drängt er dieſes ganz von ſelbſt hervortretende Nichtwollen gewaltſam zurück, ſo liegt darin der Beweis, daß er ein das Jntereſſe, nicht beſtraft zu werden, beziehungsweiſe nicht als Schuldner des Verletzten zu erſcheinen, überwiegendes anderes Jntereſſe — und ſei es auch nur die bloße Luſt an dem Verbrechen oder die Trägheit, ſich zu einem anderen Entſchluſſe aufzuraffen — an dem Erfolge beſitzt, mithin denſelben beſtimmt gewollt hat. — Wäre Gleichgültigkeit gegenüber einem nur als wahrſcheinlich vorausgeſehenen Erfolg geſtattet, ſo müßte das Nämliche auch gegenüber einem als nothwendig bevorſtehend erkannten Erfolge ſtatthaft ſein. Denn auch hier iſt die Haftbarkeit für den Erfolg nicht durch ein beſonderes, auf deſſen Herbei- führung gerichtetes, Wollen bedingt. Der Grund für die Haftbarkeit liegt darum hier vielmehr lediglich darin, daß der Handelnde nicht in der Lage iſt, die Cauſalität ſeiner Handlung von ſich ablehnen zu können, was, wenn der Erfolg nur als wahrſcheinlich bevorſtehend erkannt wurde, allerdings möglich iſt. Aber es muß dann auch beſonders von dieſer Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. — Auch Köſtlin, Syſtem S. 183 rechnet die Gleichgültigkeit gegen den Eintritt eines möglichen Erfolgs zum Dolus. Eventuelles und alternatives Wollen. Sieht der Handelnde zwei Erfolge als mit einigem, ſei es auch verſchiedenem, Grade von Wahrſcheinlichkeit bevor- 3

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/37>, abgerufen am 16.04.2024.