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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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selbst, doch noch immer bei dir mit Rath und Kraft,
wenn du beständig auf seinen Wegen wandelst.
Und das wirst du; dein Herz, welches ich zu
kennen glaube, ist mir Bürge dafür. Umarme
mich, mein Theurer, und laß an meinem väter-
lichen Busen dein klopfendes Herz dem meinigen
die stumme Versicherung geben, daß es ihn nie
gereuen sol, diese Bürgschaft angenommen zu
haben!

Kleon flog mit Inbrunst in seine Arme, und
lange hielten sie sich in wehmüthiger, sprachloser
Rührung umschlungen.

Endlich ermante sich der Vater, und fuhr fol-
gendermaßen fort.

Mein Sohn, du stehst in Begrif, ein un-
sicheres Meer zu befahren, wo es der Klippen,
der Sandbänke und der Stürme viele gibt.
Ich habe diese Fahrt vor dir gethan; lief oft Ge-
fahr, bin aber endlich, Gott sei Dank! noch ziem-
lich unversehrt, und mit mancherlei Erfahrungen
bereichert, in diesem kleinen stillen Hafen glüklich
vor Anker gekommen. Da ich ausfuhr, hatte
ich keinen, der mir guten Rath gewährte; ich

mußte

ſelbſt, doch noch immer bei dir mit Rath und Kraft,
wenn du beſtaͤndig auf ſeinen Wegen wandelſt.
Und das wirſt du; dein Herz, welches ich zu
kennen glaube, iſt mir Buͤrge dafuͤr. Umarme
mich, mein Theurer, und laß an meinem vaͤter-
lichen Buſen dein klopfendes Herz dem meinigen
die ſtumme Verſicherung geben, daß es ihn nie
gereuen ſol, dieſe Buͤrgſchaft angenommen zu
haben!

Kleon flog mit Inbrunſt in ſeine Arme, und
lange hielten ſie ſich in wehmuͤthiger, ſprachloſer
Ruͤhrung umſchlungen.

Endlich ermante ſich der Vater, und fuhr fol-
gendermaßen fort.

Mein Sohn, du ſtehſt in Begrif, ein un-
ſicheres Meer zu befahren, wo es der Klippen,
der Sandbaͤnke und der Stuͤrme viele gibt.
Ich habe dieſe Fahrt vor dir gethan; lief oft Ge-
fahr, bin aber endlich, Gott ſei Dank! noch ziem-
lich unverſehrt, und mit mancherlei Erfahrungen
bereichert, in dieſem kleinen ſtillen Hafen gluͤklich
vor Anker gekommen. Da ich ausfuhr, hatte
ich keinen, der mir guten Rath gewaͤhrte; ich

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[6/0036] ſelbſt, doch noch immer bei dir mit Rath und Kraft, wenn du beſtaͤndig auf ſeinen Wegen wandelſt. Und das wirſt du; dein Herz, welches ich zu kennen glaube, iſt mir Buͤrge dafuͤr. Umarme mich, mein Theurer, und laß an meinem vaͤter- lichen Buſen dein klopfendes Herz dem meinigen die ſtumme Verſicherung geben, daß es ihn nie gereuen ſol, dieſe Buͤrgſchaft angenommen zu haben! Kleon flog mit Inbrunſt in ſeine Arme, und lange hielten ſie ſich in wehmuͤthiger, ſprachloſer Ruͤhrung umſchlungen. Endlich ermante ſich der Vater, und fuhr fol- gendermaßen fort. Mein Sohn, du ſtehſt in Begrif, ein un- ſicheres Meer zu befahren, wo es der Klippen, der Sandbaͤnke und der Stuͤrme viele gibt. Ich habe dieſe Fahrt vor dir gethan; lief oft Ge- fahr, bin aber endlich, Gott ſei Dank! noch ziem- lich unverſehrt, und mit mancherlei Erfahrungen bereichert, in dieſem kleinen ſtillen Hafen gluͤklich vor Anker gekommen. Da ich ausfuhr, hatte ich keinen, der mir guten Rath gewaͤhrte; ich mußte

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/36>, abgerufen am 16.04.2024.