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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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vielmehr in diesem Maaße gerade für das Wohlbefinden des
Körpers nöthig sey, wohin z. B. die verminderte Menstrua-
tion bey angehender Schwangerschaft, bey acuten oder chro-
nischen Krankheitszuständen anderer Organe, während der
Reconvalescenz u. s. w. gehört; zweitens, daß man nicht etwa
glaube, dem Willen der Natur Genüge gethan zu haben,
wenn man überhaupt die Blutergießung zu Stande bringe,
als in welchem Falle sonst eine künstliche Blutentziehung ja
schon hinreichen würde, die Krankheit zu heben, und die
Menstruation zu ersetzen. Offenbar muß es nämlich bey die-
sem Heilungsgeschäft Hauptaugenmerk des Arztes seyn, die
Genesis des Krankheitszustandes von dem die unvollkomne
Menstruation das äußere Zeichen abgiebt, sich klar vor Au-
gen zu legen, und dann die Momente, deren Produkt das
Uebel ist, zu beseitigen.

§. 183.

Wenden wir uns daher zuerst zur Behandlung ei-
ner wegen ursprünglichen Bildungsfehlern der
Geschlechtstheile unvollkommnen Menstrualfunk-
tion
, so kann allerdings hier die Kunst am wenigsten aus-
reichen, um die Wurzel der Krankheit zu zerstören, es wird
vielmehr Hauptzweck bleiben müssen, die Folgen dieses Miß-
verhältnißes zu verhüten oder zu heben, welches am sicher-
sten auf ähnliche Weise geschehen wird, wie es oben (§. 167
u. 169.) für die verzögerte oder mangelnde Menstruation an-
gegeben worden war, und wobey denn in der zweckmäßig
eingerichteten Diät und Lebensordnung bey weitem wieder
das wichtigste Moment zur Linderung dargeboten ist. Was
ferner die Behandlung der unvollkommenen Menstrualfunktion
wegen später entstandener Verbildung der Geschlechtstheile be-
trifft, so ist zu unterscheiden, ob der Verbildungsproceß noch
im Gange, oder ob derselbe abgeschlossen und die Verbildung
als fertiges Produkt zurückgeblieben ist. Im erstern Falle
ist eher die Rückbildung zu normaler Form, oder doch Ver-
minderung des Uebels zu hoffen, und man behandelt daher
dasselbe ganz abgesehen von der abnormen Menstruation nach
den Regeln, die wir im Folgenden für jene Bildungskrank-

vielmehr in dieſem Maaße gerade fuͤr das Wohlbefinden des
Koͤrpers noͤthig ſey, wohin z. B. die verminderte Menſtrua-
tion bey angehender Schwangerſchaft, bey acuten oder chro-
niſchen Krankheitszuſtaͤnden anderer Organe, waͤhrend der
Reconvalescenz u. ſ. w. gehoͤrt; zweitens, daß man nicht etwa
glaube, dem Willen der Natur Genuͤge gethan zu haben,
wenn man uͤberhaupt die Blutergießung zu Stande bringe,
als in welchem Falle ſonſt eine kuͤnſtliche Blutentziehung ja
ſchon hinreichen wuͤrde, die Krankheit zu heben, und die
Menſtruation zu erſetzen. Offenbar muß es naͤmlich bey die-
ſem Heilungsgeſchaͤft Hauptaugenmerk des Arztes ſeyn, die
Geneſis des Krankheitszuſtandes von dem die unvollkomne
Menſtruation das aͤußere Zeichen abgiebt, ſich klar vor Au-
gen zu legen, und dann die Momente, deren Produkt das
Uebel iſt, zu beſeitigen.

§. 183.

Wenden wir uns daher zuerſt zur Behandlung ei-
ner wegen urſpruͤnglichen Bildungsfehlern der
Geſchlechtstheile unvollkommnen Menſtrualfunk-
tion
, ſo kann allerdings hier die Kunſt am wenigſten aus-
reichen, um die Wurzel der Krankheit zu zerſtoͤren, es wird
vielmehr Hauptzweck bleiben muͤſſen, die Folgen dieſes Miß-
verhaͤltnißes zu verhuͤten oder zu heben, welches am ſicher-
ſten auf aͤhnliche Weiſe geſchehen wird, wie es oben (§. 167
u. 169.) fuͤr die verzoͤgerte oder mangelnde Menſtruation an-
gegeben worden war, und wobey denn in der zweckmaͤßig
eingerichteten Diaͤt und Lebensordnung bey weitem wieder
das wichtigſte Moment zur Linderung dargeboten iſt. Was
ferner die Behandlung der unvollkommenen Menſtrualfunktion
wegen ſpaͤter entſtandener Verbildung der Geſchlechtstheile be-
trifft, ſo iſt zu unterſcheiden, ob der Verbildungsproceß noch
im Gange, oder ob derſelbe abgeſchloſſen und die Verbildung
als fertiges Produkt zuruͤckgeblieben iſt. Im erſtern Falle
iſt eher die Ruͤckbildung zu normaler Form, oder doch Ver-
minderung des Uebels zu hoffen, und man behandelt daher
daſſelbe ganz abgeſehen von der abnormen Menſtruation nach
den Regeln, die wir im Folgenden fuͤr jene Bildungskrank-

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[137/0157] vielmehr in dieſem Maaße gerade fuͤr das Wohlbefinden des Koͤrpers noͤthig ſey, wohin z. B. die verminderte Menſtrua- tion bey angehender Schwangerſchaft, bey acuten oder chro- niſchen Krankheitszuſtaͤnden anderer Organe, waͤhrend der Reconvalescenz u. ſ. w. gehoͤrt; zweitens, daß man nicht etwa glaube, dem Willen der Natur Genuͤge gethan zu haben, wenn man uͤberhaupt die Blutergießung zu Stande bringe, als in welchem Falle ſonſt eine kuͤnſtliche Blutentziehung ja ſchon hinreichen wuͤrde, die Krankheit zu heben, und die Menſtruation zu erſetzen. Offenbar muß es naͤmlich bey die- ſem Heilungsgeſchaͤft Hauptaugenmerk des Arztes ſeyn, die Geneſis des Krankheitszuſtandes von dem die unvollkomne Menſtruation das aͤußere Zeichen abgiebt, ſich klar vor Au- gen zu legen, und dann die Momente, deren Produkt das Uebel iſt, zu beſeitigen. §. 183. Wenden wir uns daher zuerſt zur Behandlung ei- ner wegen urſpruͤnglichen Bildungsfehlern der Geſchlechtstheile unvollkommnen Menſtrualfunk- tion, ſo kann allerdings hier die Kunſt am wenigſten aus- reichen, um die Wurzel der Krankheit zu zerſtoͤren, es wird vielmehr Hauptzweck bleiben muͤſſen, die Folgen dieſes Miß- verhaͤltnißes zu verhuͤten oder zu heben, welches am ſicher- ſten auf aͤhnliche Weiſe geſchehen wird, wie es oben (§. 167 u. 169.) fuͤr die verzoͤgerte oder mangelnde Menſtruation an- gegeben worden war, und wobey denn in der zweckmaͤßig eingerichteten Diaͤt und Lebensordnung bey weitem wieder das wichtigſte Moment zur Linderung dargeboten iſt. Was ferner die Behandlung der unvollkommenen Menſtrualfunktion wegen ſpaͤter entſtandener Verbildung der Geſchlechtstheile be- trifft, ſo iſt zu unterſcheiden, ob der Verbildungsproceß noch im Gange, oder ob derſelbe abgeſchloſſen und die Verbildung als fertiges Produkt zuruͤckgeblieben iſt. Im erſtern Falle iſt eher die Ruͤckbildung zu normaler Form, oder doch Ver- minderung des Uebels zu hoffen, und man behandelt daher daſſelbe ganz abgeſehen von der abnormen Menſtruation nach den Regeln, die wir im Folgenden fuͤr jene Bildungskrank-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/157>, abgerufen am 20.04.2024.