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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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gnose. Gewöhnlich nimmt die Wassersucht der Gebärmut-
ter einen dem Leben weit weniger gefährlichen Gang, als
die übrigen Wassersuchten. Größtentheils entscheidet sie sich
nämlich durch die Heilkräfte der Natur mittelst des Abflusses
durch die Mutterscheide, obwohl die Anhäufung auch zu-
weilen von neuem sich bildete. Die Ursachen dieser Entlee-
rung sind entweder wahre eintretende Contractionen des Uterus,
oder auch wohl äußere mechanische Einflüsse, wie z. B. von
Dreißig*) ein Fall mit angeführt wird, wo nach einem
Sturz auf den Leib das Abfließen von Wasser erfolgte. Nach
dem Abflusse selbst bleibt zwar gewöhnlich noch eine beträcht-
liche Erschlaffung der Geburtstheile längere Zeit zurück, so
daß man zuweilen nachfolgende passive Blutungen entstehen,
oder auch wohl Neigung zu Luftentwicklung im Uterus, und
zu Gebärmutterblähungen gegeben sieht; ja selbst allgemeine
und zwar die beträchtlichsten Abspannungen sah man nach die-
sen Entleerungen eintreten und Ohnmachten oder wohl gar
den Tod veranlassen. Endlich hat man wohl auch Beyspiele
von ungewöhnlichen Wegen der Wasserentleerung, wie durch
Geschwüre, und zwar selbst durch die Bauchbedeckungen und
durch verstärkt eintretende anderweitige Absonderungen, z. B.
durch vermehrten Harnabgang, Schweiß, ja selbst durch
Speichelflnß.

§. 404.

Wenn daher auch im Allgemeinen die Prognose nicht
sehr ungünstig zu nennen ist, so muß sie doch besonders auf
folgende Momente Rücksicht nehmen: 1) auf die gesammte
Constitution, je weniger schlaff und phlegmatisch dieselbe ist,
um so leichter und vollkommner ist die Heilung durch frey-
willige Entleerung zu erwarten; 2) auf die Dauer der Krank-
heit, je länger dieselbe ist, je öfter sich das Wasser von neuem
angesammelt hat, um so schwieriger wird die gänzliche Ge-
nesung zu bewirken seyn; 3) auf die veranlassenden Ursachen,

*) Pathologie d. chron. Krankh. Thl. 2. S. 496.

gnoſe. Gewoͤhnlich nimmt die Waſſerſucht der Gebaͤrmut-
ter einen dem Leben weit weniger gefaͤhrlichen Gang, als
die uͤbrigen Waſſerſuchten. Groͤßtentheils entſcheidet ſie ſich
naͤmlich durch die Heilkraͤfte der Natur mittelſt des Abfluſſes
durch die Mutterſcheide, obwohl die Anhaͤufung auch zu-
weilen von neuem ſich bildete. Die Urſachen dieſer Entlee-
rung ſind entweder wahre eintretende Contractionen des Uterus,
oder auch wohl aͤußere mechaniſche Einfluͤſſe, wie z. B. von
Dreißig*) ein Fall mit angefuͤhrt wird, wo nach einem
Sturz auf den Leib das Abfließen von Waſſer erfolgte. Nach
dem Abfluſſe ſelbſt bleibt zwar gewoͤhnlich noch eine betraͤcht-
liche Erſchlaffung der Geburtstheile laͤngere Zeit zuruͤck, ſo
daß man zuweilen nachfolgende paſſive Blutungen entſtehen,
oder auch wohl Neigung zu Luftentwicklung im Uterus, und
zu Gebaͤrmutterblaͤhungen gegeben ſieht; ja ſelbſt allgemeine
und zwar die betraͤchtlichſten Abſpannungen ſah man nach die-
ſen Entleerungen eintreten und Ohnmachten oder wohl gar
den Tod veranlaſſen. Endlich hat man wohl auch Beyſpiele
von ungewoͤhnlichen Wegen der Waſſerentleerung, wie durch
Geſchwuͤre, und zwar ſelbſt durch die Bauchbedeckungen und
durch verſtaͤrkt eintretende anderweitige Abſonderungen, z. B.
durch vermehrten Harnabgang, Schweiß, ja ſelbſt durch
Speichelflnß.

§. 404.

Wenn daher auch im Allgemeinen die Prognoſe nicht
ſehr unguͤnſtig zu nennen iſt, ſo muß ſie doch beſonders auf
folgende Momente Ruͤckſicht nehmen: 1) auf die geſammte
Conſtitution, je weniger ſchlaff und phlegmatiſch dieſelbe iſt,
um ſo leichter und vollkommner iſt die Heilung durch frey-
willige Entleerung zu erwarten; 2) auf die Dauer der Krank-
heit, je laͤnger dieſelbe iſt, je oͤfter ſich das Waſſer von neuem
angeſammelt hat, um ſo ſchwieriger wird die gaͤnzliche Ge-
neſung zu bewirken ſeyn; 3) auf die veranlaſſenden Urſachen,

*) Pathologie d. chron. Krankh. Thl. 2. S. 496.
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[313/0333] gnoſe. Gewoͤhnlich nimmt die Waſſerſucht der Gebaͤrmut- ter einen dem Leben weit weniger gefaͤhrlichen Gang, als die uͤbrigen Waſſerſuchten. Groͤßtentheils entſcheidet ſie ſich naͤmlich durch die Heilkraͤfte der Natur mittelſt des Abfluſſes durch die Mutterſcheide, obwohl die Anhaͤufung auch zu- weilen von neuem ſich bildete. Die Urſachen dieſer Entlee- rung ſind entweder wahre eintretende Contractionen des Uterus, oder auch wohl aͤußere mechaniſche Einfluͤſſe, wie z. B. von Dreißig *) ein Fall mit angefuͤhrt wird, wo nach einem Sturz auf den Leib das Abfließen von Waſſer erfolgte. Nach dem Abfluſſe ſelbſt bleibt zwar gewoͤhnlich noch eine betraͤcht- liche Erſchlaffung der Geburtstheile laͤngere Zeit zuruͤck, ſo daß man zuweilen nachfolgende paſſive Blutungen entſtehen, oder auch wohl Neigung zu Luftentwicklung im Uterus, und zu Gebaͤrmutterblaͤhungen gegeben ſieht; ja ſelbſt allgemeine und zwar die betraͤchtlichſten Abſpannungen ſah man nach die- ſen Entleerungen eintreten und Ohnmachten oder wohl gar den Tod veranlaſſen. Endlich hat man wohl auch Beyſpiele von ungewoͤhnlichen Wegen der Waſſerentleerung, wie durch Geſchwuͤre, und zwar ſelbſt durch die Bauchbedeckungen und durch verſtaͤrkt eintretende anderweitige Abſonderungen, z. B. durch vermehrten Harnabgang, Schweiß, ja ſelbſt durch Speichelflnß. §. 404. Wenn daher auch im Allgemeinen die Prognoſe nicht ſehr unguͤnſtig zu nennen iſt, ſo muß ſie doch beſonders auf folgende Momente Ruͤckſicht nehmen: 1) auf die geſammte Conſtitution, je weniger ſchlaff und phlegmatiſch dieſelbe iſt, um ſo leichter und vollkommner iſt die Heilung durch frey- willige Entleerung zu erwarten; 2) auf die Dauer der Krank- heit, je laͤnger dieſelbe iſt, je oͤfter ſich das Waſſer von neuem angeſammelt hat, um ſo ſchwieriger wird die gaͤnzliche Ge- neſung zu bewirken ſeyn; 3) auf die veranlaſſenden Urſachen, *) Pathologie d. chron. Krankh. Thl. 2. S. 496.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/333>, abgerufen am 20.04.2024.