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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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zog mit der rechten Hand das eine Ende des Fadens an und das
andere mit den Zähnen. Auf diese Weise wurden vier Ligaturen au-
gelegt, worauf die Blutung stand. Nach der Operation war die
Operirte sehr schwach, erholte sich aber bald wieder. Das Cavum
ward mit Charpie ausgefüllt. Die Heilung ging rasch von Statten,
und die Kranke ist bis auf diesen Augenblick vollkommen gesund.
Das Peritonaeum und die Vagina haben sich so stark contrahirt,
daß, wenn man die Labia majora auseinander zieht, man nicht den
Finger hinaufbringen kann, sondern man sieht eine fest benarbte
Haut, als wäre es eine Imperforatio vulvae. Mit dem herausge-
nommenen Uterus waren in Verbindung die Ovaria und die abge-
schnittenen Ligamenta rotunda.

§. 469.

Noch wäre nun die Frage aufzuwerfen, ob außer und
nach der Operation, einem Mittel, welches bey dem Gebär-
mutterkrebs, gleich allen andern, nur selten helfen kann und
noch seltener wirklich geholfen hat, noch etwas durch innere
oder äußere dynamische Mittel zu wirken sey? -- H. Osian-
der
empfiehlt nämlich die, nach der auf seine Weise ver-
richteten Operation rückbleibenden Verhärtungen nach und nach
durch den Gebrauch resolvirender Mittel, vorzüglich der Aqua
laurocerasi,
wo möglich zu erweichen und so die Heilung
zu beendigen; allein mit Recht zweifelt man wohl an dem
Gelingen dieser Behandlung, wenn man erwägt, wie wenig
bey andern äußerlichen und folglich genauer zu beobachtenden
Krebsschäden die bloß partielle Ausrottung nützt; und man
darf folglich wohl den Satz aufstellen, daß überhaupt die
Operation nur dann gründliche Heilung hoffen lassen werde,
wenn alles Krankhafte wirklich ausgerottet worden ist, daß
aber auch nach einer solchen vollständig verrichteten Operation
ein weiteres Heilverfahren überflüssig werde, außer daß man
sich bemühe, die Ursachen, welche, vom allgemeinen Befin-
den ausgehend, die Heilung erschweren (als Fehler des Lymph-
systems u. s. w.) zu beseitigen und die Reproduction immer
regelmäßiger und vollkommner wiederherzustellen.


zog mit der rechten Hand das eine Ende des Fadens an und das
andere mit den Zaͤhnen. Auf dieſe Weiſe wurden vier Ligaturen au-
gelegt, worauf die Blutung ſtand. Nach der Operation war die
Operirte ſehr ſchwach, erholte ſich aber bald wieder. Das Cavum
ward mit Charpie ausgefuͤllt. Die Heilung ging raſch von Statten,
und die Kranke iſt bis auf dieſen Augenblick vollkommen geſund.
Das Peritonaeum und die Vagina haben ſich ſo ſtark contrahirt,
daß, wenn man die Labia majora auseinander zieht, man nicht den
Finger hinaufbringen kann, ſondern man ſieht eine feſt benarbte
Haut, als waͤre es eine Imperforatio vulvae. Mit dem herausge-
nommenen Uterus waren in Verbindung die Ovaria und die abge-
ſchnittenen Ligamenta rotunda.

§. 469.

Noch waͤre nun die Frage aufzuwerfen, ob außer und
nach der Operation, einem Mittel, welches bey dem Gebaͤr-
mutterkrebs, gleich allen andern, nur ſelten helfen kann und
noch ſeltener wirklich geholfen hat, noch etwas durch innere
oder aͤußere dynamiſche Mittel zu wirken ſey? — H. Oſian-
der
empfiehlt naͤmlich die, nach der auf ſeine Weiſe ver-
richteten Operation ruͤckbleibenden Verhaͤrtungen nach und nach
durch den Gebrauch reſolvirender Mittel, vorzuͤglich der Aqua
laurocerasi,
wo moͤglich zu erweichen und ſo die Heilung
zu beendigen; allein mit Recht zweifelt man wohl an dem
Gelingen dieſer Behandlung, wenn man erwaͤgt, wie wenig
bey andern aͤußerlichen und folglich genauer zu beobachtenden
Krebsſchaͤden die bloß partielle Ausrottung nuͤtzt; und man
darf folglich wohl den Satz aufſtellen, daß uͤberhaupt die
Operation nur dann gruͤndliche Heilung hoffen laſſen werde,
wenn alles Krankhafte wirklich ausgerottet worden iſt, daß
aber auch nach einer ſolchen vollſtaͤndig verrichteten Operation
ein weiteres Heilverfahren uͤberfluͤſſig werde, außer daß man
ſich bemuͤhe, die Urſachen, welche, vom allgemeinen Befin-
den ausgehend, die Heilung erſchweren (als Fehler des Lymph-
ſyſtems u. ſ. w.) zu beſeitigen und die Reproduction immer
regelmaͤßiger und vollkommner wiederherzuſtellen.


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[363/0383] zog mit der rechten Hand das eine Ende des Fadens an und das andere mit den Zaͤhnen. Auf dieſe Weiſe wurden vier Ligaturen au- gelegt, worauf die Blutung ſtand. Nach der Operation war die Operirte ſehr ſchwach, erholte ſich aber bald wieder. Das Cavum ward mit Charpie ausgefuͤllt. Die Heilung ging raſch von Statten, und die Kranke iſt bis auf dieſen Augenblick vollkommen geſund. Das Peritonaeum und die Vagina haben ſich ſo ſtark contrahirt, daß, wenn man die Labia majora auseinander zieht, man nicht den Finger hinaufbringen kann, ſondern man ſieht eine feſt benarbte Haut, als waͤre es eine Imperforatio vulvae. Mit dem herausge- nommenen Uterus waren in Verbindung die Ovaria und die abge- ſchnittenen Ligamenta rotunda. §. 469. Noch waͤre nun die Frage aufzuwerfen, ob außer und nach der Operation, einem Mittel, welches bey dem Gebaͤr- mutterkrebs, gleich allen andern, nur ſelten helfen kann und noch ſeltener wirklich geholfen hat, noch etwas durch innere oder aͤußere dynamiſche Mittel zu wirken ſey? — H. Oſian- der empfiehlt naͤmlich die, nach der auf ſeine Weiſe ver- richteten Operation ruͤckbleibenden Verhaͤrtungen nach und nach durch den Gebrauch reſolvirender Mittel, vorzuͤglich der Aqua laurocerasi, wo moͤglich zu erweichen und ſo die Heilung zu beendigen; allein mit Recht zweifelt man wohl an dem Gelingen dieſer Behandlung, wenn man erwaͤgt, wie wenig bey andern aͤußerlichen und folglich genauer zu beobachtenden Krebsſchaͤden die bloß partielle Ausrottung nuͤtzt; und man darf folglich wohl den Satz aufſtellen, daß uͤberhaupt die Operation nur dann gruͤndliche Heilung hoffen laſſen werde, wenn alles Krankhafte wirklich ausgerottet worden iſt, daß aber auch nach einer ſolchen vollſtaͤndig verrichteten Operation ein weiteres Heilverfahren uͤberfluͤſſig werde, außer daß man ſich bemuͤhe, die Urſachen, welche, vom allgemeinen Befin- den ausgehend, die Heilung erſchweren (als Fehler des Lymph- ſyſtems u. ſ. w.) zu beſeitigen und die Reproduction immer regelmaͤßiger und vollkommner wiederherzuſtellen.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/383>, abgerufen am 20.04.2024.