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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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ganisation ist aber in so ferne wichtig, als damit gerade
das außerordentlich thätige Bildungsvermögen des Organs
zusammenhängt. Im ganzen Thierreiche sehen wir nämlich
die Thätigkeit der Reproduktion, und die Entwicklung des
Nervensystems im umgekehrten Verhältniße; Thiere, bey
welchen gar kein, oder nur ein sehr unvollkommenes Nerven-
system nachzuweisen ist, zeigen das größte Reproduktionsver-
mögen (man denke z. B. an die ungeheuere Regenerations-
kraft der Polypen, der Krebse, Schnecken, Salamander u. s.
w.), ja selbst im Menschen sehen wir die nervenlosen Ge-
bilde der größten Regeneration fähig, z. B. der Haare, Nä-
gel u. s. w. Es ist also hiermit vollkommen im Einklange,
wenn der Uterus überhaupt, und namentlich in der Gegend
des Körpers und Grundes, nervenärmer gefunden wird, die
Gegend des Muttermundes aber empfindlicher und nerven-
reicher sich zeigt, indem das letztere eben sowohl mit der
zur Empfängniß nöthigen Reitzung, als das erstere mit der
außerordentlichen Entwicklung des obern Gebärmuttertheils in
der Schwangerschaft zusammenhängt.

§. 31.

Die Muskelfasern endlich sind als integrirende Theile
des Uterus bekanntlich von mehreren Anatomen und Phy-
siologen (noch neuerlich von Wenzel) geläugnet worden,
wir haben daher die Gründe anzuführen, welche uns zu de-
ren Annahme berechtigen. Nämlich 1) die Bildungsgeschichte
des Uterus als eines vollkommen darmartigen Gebildes,
2) die Analogie, indem bey dem darmartigen Uterus der
größern Säugethiere, selbst im ungeschwängerten Zustande, die
Muskelfasern deutlichst erscheinen; 3) die unläugbare Anwe-
senheit von starken Faserlagen am schwangern menschlichen
Uterus, welche ihrer Farbe, Gestalt, und ihrem Verlaufe
nach ganz mit den Faserlagen der Harnblase u. s. w. überein-
stimmen, und welchen man nicht etwa aus dem Grunde die
muskulöse Beschaffenheit absprechen darf, weil sie außer der
Schwangerschaft beynahe unmerklich sind, indem a) der Ute-
rus in der Schwangerschaft erst als in seiner wahrhaften
und vollkommenen Ausbildung begriffen anzusehen ist, und

ganiſation iſt aber in ſo ferne wichtig, als damit gerade
das außerordentlich thaͤtige Bildungsvermoͤgen des Organs
zuſammenhaͤngt. Im ganzen Thierreiche ſehen wir naͤmlich
die Thaͤtigkeit der Reproduktion, und die Entwicklung des
Nervenſyſtems im umgekehrten Verhaͤltniße; Thiere, bey
welchen gar kein, oder nur ein ſehr unvollkommenes Nerven-
ſyſtem nachzuweiſen iſt, zeigen das groͤßte Reproduktionsver-
moͤgen (man denke z. B. an die ungeheuere Regenerations-
kraft der Polypen, der Krebſe, Schnecken, Salamander u. ſ.
w.), ja ſelbſt im Menſchen ſehen wir die nervenloſen Ge-
bilde der groͤßten Regeneration faͤhig, z. B. der Haare, Naͤ-
gel u. ſ. w. Es iſt alſo hiermit vollkommen im Einklange,
wenn der Uterus uͤberhaupt, und namentlich in der Gegend
des Koͤrpers und Grundes, nervenaͤrmer gefunden wird, die
Gegend des Muttermundes aber empfindlicher und nerven-
reicher ſich zeigt, indem das letztere eben ſowohl mit der
zur Empfaͤngniß noͤthigen Reitzung, als das erſtere mit der
außerordentlichen Entwicklung des obern Gebaͤrmuttertheils in
der Schwangerſchaft zuſammenhaͤngt.

§. 31.

Die Muskelfaſern endlich ſind als integrirende Theile
des Uterus bekanntlich von mehreren Anatomen und Phy-
ſiologen (noch neuerlich von Wenzel) gelaͤugnet worden,
wir haben daher die Gruͤnde anzufuͤhren, welche uns zu de-
ren Annahme berechtigen. Naͤmlich 1) die Bildungsgeſchichte
des Uterus als eines vollkommen darmartigen Gebildes,
2) die Analogie, indem bey dem darmartigen Uterus der
groͤßern Saͤugethiere, ſelbſt im ungeſchwaͤngerten Zuſtande, die
Muskelfaſern deutlichſt erſcheinen; 3) die unlaͤugbare Anwe-
ſenheit von ſtarken Faſerlagen am ſchwangern menſchlichen
Uterus, welche ihrer Farbe, Geſtalt, und ihrem Verlaufe
nach ganz mit den Faſerlagen der Harnblaſe u. ſ. w. uͤberein-
ſtimmen, und welchen man nicht etwa aus dem Grunde die
muskuloͤſe Beſchaffenheit abſprechen darf, weil ſie außer der
Schwangerſchaft beynahe unmerklich ſind, indem a) der Ute-
rus in der Schwangerſchaft erſt als in ſeiner wahrhaften
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[24/0044] ganiſation iſt aber in ſo ferne wichtig, als damit gerade das außerordentlich thaͤtige Bildungsvermoͤgen des Organs zuſammenhaͤngt. Im ganzen Thierreiche ſehen wir naͤmlich die Thaͤtigkeit der Reproduktion, und die Entwicklung des Nervenſyſtems im umgekehrten Verhaͤltniße; Thiere, bey welchen gar kein, oder nur ein ſehr unvollkommenes Nerven- ſyſtem nachzuweiſen iſt, zeigen das groͤßte Reproduktionsver- moͤgen (man denke z. B. an die ungeheuere Regenerations- kraft der Polypen, der Krebſe, Schnecken, Salamander u. ſ. w.), ja ſelbſt im Menſchen ſehen wir die nervenloſen Ge- bilde der groͤßten Regeneration faͤhig, z. B. der Haare, Naͤ- gel u. ſ. w. Es iſt alſo hiermit vollkommen im Einklange, wenn der Uterus uͤberhaupt, und namentlich in der Gegend des Koͤrpers und Grundes, nervenaͤrmer gefunden wird, die Gegend des Muttermundes aber empfindlicher und nerven- reicher ſich zeigt, indem das letztere eben ſowohl mit der zur Empfaͤngniß noͤthigen Reitzung, als das erſtere mit der außerordentlichen Entwicklung des obern Gebaͤrmuttertheils in der Schwangerſchaft zuſammenhaͤngt. §. 31. Die Muskelfaſern endlich ſind als integrirende Theile des Uterus bekanntlich von mehreren Anatomen und Phy- ſiologen (noch neuerlich von Wenzel) gelaͤugnet worden, wir haben daher die Gruͤnde anzufuͤhren, welche uns zu de- ren Annahme berechtigen. Naͤmlich 1) die Bildungsgeſchichte des Uterus als eines vollkommen darmartigen Gebildes, 2) die Analogie, indem bey dem darmartigen Uterus der groͤßern Saͤugethiere, ſelbſt im ungeſchwaͤngerten Zuſtande, die Muskelfaſern deutlichſt erſcheinen; 3) die unlaͤugbare Anwe- ſenheit von ſtarken Faſerlagen am ſchwangern menſchlichen Uterus, welche ihrer Farbe, Geſtalt, und ihrem Verlaufe nach ganz mit den Faſerlagen der Harnblaſe u. ſ. w. uͤberein- ſtimmen, und welchen man nicht etwa aus dem Grunde die muskuloͤſe Beſchaffenheit abſprechen darf, weil ſie außer der Schwangerſchaft beynahe unmerklich ſind, indem a) der Ute- rus in der Schwangerſchaft erſt als in ſeiner wahrhaften und vollkómmenen Ausbildung begriffen anzuſehen iſt, und

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/44>, abgerufen am 28.03.2024.