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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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II. Zeichen des regelmäßig gebildeten Beckens.
§. 54.

Als hierher gehörige Kennzeichen sind zunächst die all-
gemeine regelmäßige Bildung des Körpers und insbesondre
des Skeletts nach ächt weiblichem Typus zu bemerken, in-
dem Verbiegungen der Wirbelsäule, gekrümmte Gliederkno-
chen oder gehinderte Bewegungen der Glieder, wie beym
Hinken, sehr häufig mit fehlerhafter Beckenbildung sich ver-
binden. Ferner hinlängliche Breite der Hüften- (9--10 Zoll)
und Rollhügelgegend (13 Zoll), regelmäßige Wölbung des
Schambogens und Kreuzbeines, regelmäßige Tiefe des gan-
zen Beckens (7 Zoll), normale Vorwärtsneigung der Darm-
beinkämme, und weder zu weit vorwärts noch zu weit rück-
wärts gerichtete äußere Schamtheile (Genitalia quoad situm
media
). Außerdem giebt vorzüglich die Geschichte vorher-
gegangener Geburten (namentlich kurz vorhergegangener)
über die Beschaffenheit des Beckens Aufschluß, indem die
normale Geburt eines ausgetragenen normal gebauten Kindes
undenkbar ist ohne ein regelmäßig gebildetes Becken, obwohl
auch ein solches späterhin sich verändern und vom Normal-
baue beträchtlich abweichen kann. Das sicherste Merkmal
bleibt daher immer die Anstellung einer genauen innern ge-
burtshülflichen Untersuchung (von welcher späterhin die Rede
seyn wird), auch wegen möglicher Weise vorhandener innerer
Geschwülste und Knochenauswüchse, welche in der äußern
Form sich nicht andeuten.

3. Eigenthümlichkeit der weiblichen physischen
und psychischen Lebensäußerungen
.
§. 55.

Wenn wir überhaupt an dem wichtigen physiologischen
Satze festhalten, daß der Organismus nur eins sey und
folglich seine Thätigkeit nicht etwas vom Organe wesent-
lich
verschiedenes, sondern beydes nur verschiedene Seiten
eines Einzigen, so werden auch die §. 16--24 betrachteten

II. Zeichen des regelmaͤßig gebildeten Beckens.
§. 54.

Als hierher gehoͤrige Kennzeichen ſind zunaͤchſt die all-
gemeine regelmaͤßige Bildung des Koͤrpers und insbeſondre
des Skeletts nach aͤcht weiblichem Typus zu bemerken, in-
dem Verbiegungen der Wirbelſaͤule, gekruͤmmte Gliederkno-
chen oder gehinderte Bewegungen der Glieder, wie beym
Hinken, ſehr haͤufig mit fehlerhafter Beckenbildung ſich ver-
binden. Ferner hinlaͤngliche Breite der Huͤften- (9—10 Zoll)
und Rollhuͤgelgegend (13 Zoll), regelmaͤßige Woͤlbung des
Schambogens und Kreuzbeines, regelmaͤßige Tiefe des gan-
zen Beckens (7 Zoll), normale Vorwaͤrtsneigung der Darm-
beinkaͤmme, und weder zu weit vorwaͤrts noch zu weit ruͤck-
waͤrts gerichtete aͤußere Schamtheile (Genitalia quoad situm
media
). Außerdem giebt vorzuͤglich die Geſchichte vorher-
gegangener Geburten (namentlich kurz vorhergegangener)
uͤber die Beſchaffenheit des Beckens Aufſchluß, indem die
normale Geburt eines ausgetragenen normal gebauten Kindes
undenkbar iſt ohne ein regelmaͤßig gebildetes Becken, obwohl
auch ein ſolches ſpaͤterhin ſich veraͤndern und vom Normal-
baue betraͤchtlich abweichen kann. Das ſicherſte Merkmal
bleibt daher immer die Anſtellung einer genauen innern ge-
burtshuͤlflichen Unterſuchung (von welcher ſpaͤterhin die Rede
ſeyn wird), auch wegen moͤglicher Weiſe vorhandener innerer
Geſchwuͤlſte und Knochenauswuͤchſe, welche in der aͤußern
Form ſich nicht andeuten.

3. Eigenthuͤmlichkeit der weiblichen phyſiſchen
und pſychiſchen Lebensaͤußerungen
.
§. 55.

Wenn wir uͤberhaupt an dem wichtigen phyſiologiſchen
Satze feſthalten, daß der Organismus nur eins ſey und
folglich ſeine Thaͤtigkeit nicht etwas vom Organe weſent-
lich
verſchiedenes, ſondern beydes nur verſchiedene Seiten
eines Einzigen, ſo werden auch die §. 16—24 betrachteten

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[40/0060] II. Zeichen des regelmaͤßig gebildeten Beckens. §. 54. Als hierher gehoͤrige Kennzeichen ſind zunaͤchſt die all- gemeine regelmaͤßige Bildung des Koͤrpers und insbeſondre des Skeletts nach aͤcht weiblichem Typus zu bemerken, in- dem Verbiegungen der Wirbelſaͤule, gekruͤmmte Gliederkno- chen oder gehinderte Bewegungen der Glieder, wie beym Hinken, ſehr haͤufig mit fehlerhafter Beckenbildung ſich ver- binden. Ferner hinlaͤngliche Breite der Huͤften- (9—10 Zoll) und Rollhuͤgelgegend (13 Zoll), regelmaͤßige Woͤlbung des Schambogens und Kreuzbeines, regelmaͤßige Tiefe des gan- zen Beckens (7 Zoll), normale Vorwaͤrtsneigung der Darm- beinkaͤmme, und weder zu weit vorwaͤrts noch zu weit ruͤck- waͤrts gerichtete aͤußere Schamtheile (Genitalia quoad situm media). Außerdem giebt vorzuͤglich die Geſchichte vorher- gegangener Geburten (namentlich kurz vorhergegangener) uͤber die Beſchaffenheit des Beckens Aufſchluß, indem die normale Geburt eines ausgetragenen normal gebauten Kindes undenkbar iſt ohne ein regelmaͤßig gebildetes Becken, obwohl auch ein ſolches ſpaͤterhin ſich veraͤndern und vom Normal- baue betraͤchtlich abweichen kann. Das ſicherſte Merkmal bleibt daher immer die Anſtellung einer genauen innern ge- burtshuͤlflichen Unterſuchung (von welcher ſpaͤterhin die Rede ſeyn wird), auch wegen moͤglicher Weiſe vorhandener innerer Geſchwuͤlſte und Knochenauswuͤchſe, welche in der aͤußern Form ſich nicht andeuten. 3. Eigenthuͤmlichkeit der weiblichen phyſiſchen und pſychiſchen Lebensaͤußerungen. §. 55. Wenn wir uͤberhaupt an dem wichtigen phyſiologiſchen Satze feſthalten, daß der Organismus nur eins ſey und folglich ſeine Thaͤtigkeit nicht etwas vom Organe weſent- lich verſchiedenes, ſondern beydes nur verſchiedene Seiten eines Einzigen, ſo werden auch die §. 16—24 betrachteten

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/60>, abgerufen am 29.03.2024.