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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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terhaupt von der linken Kreuz- und Darmbeinverbindung
nach der linken Scham- und Darmbeinverbindung (also um
1/4 eines Kreises) sich drehte und dann der weitere Verlauf
wie bei der ersten Lage Statt fand. Diese Erscheinung war
mir um so merkwürdiger, als ich ihrer in keinem Lehrbuche
gedacht fand, bis ich späterhin las, daß auch vom Prof.
Nägele *) dasselbe beobachtet worden war. Seitdem habe
ich diese Fälle alljährlich mehrere Mal beobachtet, und mich
ganz davon überzeugt, wie auch hier oft die Natur ein
sicheres und einfaches Mittel ergreift, um einen leichtern Ge-
burtsverlauf, (da natürlich der Kopf so mit dem Hinter-
haupte vorwärts gekehrt, nun weit leichter als mit demsel-
ben nach rückwärts gestellt, durchschneidet) zu bewirken.

§. 826.

Die vierte Hinterhauptslage ist die umgekehrte
erste. Die Stirn ruht hier über der linken Scham- und
Darmbeinverbindung, das Hinterhaupt sinkt von der rechten
Kreuz- und Darmbeinverbindung herab. Man erkennt sie
an der im ersten schiefen Durchmesser verlaufenden Pfeilnath,
an der nach links und vorn häufig erreichharen großen, und
der nach rechts und hinten fühlbaren kleinen Fontanelle. Der
Regel nach dreht sich auch hier der Kopf mit der Stirn
nach der Schamfuge, und wird mit dem Gesichte aufwärts
geboren; allein auch hier ändert zuweilen die Natur selbst,
auf die im vorigen Paragraph beschriebene Weise die Lage
um, der Kopf richtet sich nach und nach in die zweite
Hinterhauptslage, indem sich das Hinterhaupt von der rech-
ten Kreuz- und Darmbeinverbindung nach der rechten Scham-
und Darmbeinverbindung dreht und es kommt so der Kopf
mit der Stirn nach unten zum Durchschneiden, wodurch
die weit schwierigere Entwicklungsweise mit der Stirn nach
oben, erspart wird. -- Dritte und vierte Lage gehören schon
zu den seltnern Geburtsweisen (oft kommt auf 150 bis
200 Hinterhauptsgeburten kaum eine oder zwei völlig in
dieser Lage verlaufende), und wir bemerken nur noch

*) S. Salzburg. med. chir. Zeitung 1817. Nr. 57.

terhaupt von der linken Kreuz- und Darmbeinverbindung
nach der linken Scham- und Darmbeinverbindung (alſo um
¼ eines Kreiſes) ſich drehte und dann der weitere Verlauf
wie bei der erſten Lage Statt fand. Dieſe Erſcheinung war
mir um ſo merkwuͤrdiger, als ich ihrer in keinem Lehrbuche
gedacht fand, bis ich ſpaͤterhin las, daß auch vom Prof.
Naͤgele *) daſſelbe beobachtet worden war. Seitdem habe
ich dieſe Faͤlle alljaͤhrlich mehrere Mal beobachtet, und mich
ganz davon uͤberzeugt, wie auch hier oft die Natur ein
ſicheres und einfaches Mittel ergreift, um einen leichtern Ge-
burtsverlauf, (da natuͤrlich der Kopf ſo mit dem Hinter-
haupte vorwaͤrts gekehrt, nun weit leichter als mit demſel-
ben nach ruͤckwaͤrts geſtellt, durchſchneidet) zu bewirken.

§. 826.

Die vierte Hinterhauptslage iſt die umgekehrte
erſte. Die Stirn ruht hier uͤber der linken Scham- und
Darmbeinverbindung, das Hinterhaupt ſinkt von der rechten
Kreuz- und Darmbeinverbindung herab. Man erkennt ſie
an der im erſten ſchiefen Durchmeſſer verlaufenden Pfeilnath,
an der nach links und vorn haͤufig erreichharen großen, und
der nach rechts und hinten fuͤhlbaren kleinen Fontanelle. Der
Regel nach dreht ſich auch hier der Kopf mit der Stirn
nach der Schamfuge, und wird mit dem Geſichte aufwaͤrts
geboren; allein auch hier aͤndert zuweilen die Natur ſelbſt,
auf die im vorigen Paragraph beſchriebene Weiſe die Lage
um, der Kopf richtet ſich nach und nach in die zweite
Hinterhauptslage, indem ſich das Hinterhaupt von der rech-
ten Kreuz- und Darmbeinverbindung nach der rechten Scham-
und Darmbeinverbindung dreht und es kommt ſo der Kopf
mit der Stirn nach unten zum Durchſchneiden, wodurch
die weit ſchwierigere Entwicklungsweiſe mit der Stirn nach
oben, erſpart wird. — Dritte und vierte Lage gehoͤren ſchon
zu den ſeltnern Geburtsweiſen (oft kommt auf 150 bis
200 Hinterhauptsgeburten kaum eine oder zwei voͤllig in
dieſer Lage verlaufende), und wir bemerken nur noch

*) S. Salzburg. med. chir. Zeitung 1817. Nr. 57.
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[112/0136] terhaupt von der linken Kreuz- und Darmbeinverbindung nach der linken Scham- und Darmbeinverbindung (alſo um ¼ eines Kreiſes) ſich drehte und dann der weitere Verlauf wie bei der erſten Lage Statt fand. Dieſe Erſcheinung war mir um ſo merkwuͤrdiger, als ich ihrer in keinem Lehrbuche gedacht fand, bis ich ſpaͤterhin las, daß auch vom Prof. Naͤgele *) daſſelbe beobachtet worden war. Seitdem habe ich dieſe Faͤlle alljaͤhrlich mehrere Mal beobachtet, und mich ganz davon uͤberzeugt, wie auch hier oft die Natur ein ſicheres und einfaches Mittel ergreift, um einen leichtern Ge- burtsverlauf, (da natuͤrlich der Kopf ſo mit dem Hinter- haupte vorwaͤrts gekehrt, nun weit leichter als mit demſel- ben nach ruͤckwaͤrts geſtellt, durchſchneidet) zu bewirken. §. 826. Die vierte Hinterhauptslage iſt die umgekehrte erſte. Die Stirn ruht hier uͤber der linken Scham- und Darmbeinverbindung, das Hinterhaupt ſinkt von der rechten Kreuz- und Darmbeinverbindung herab. Man erkennt ſie an der im erſten ſchiefen Durchmeſſer verlaufenden Pfeilnath, an der nach links und vorn haͤufig erreichharen großen, und der nach rechts und hinten fuͤhlbaren kleinen Fontanelle. Der Regel nach dreht ſich auch hier der Kopf mit der Stirn nach der Schamfuge, und wird mit dem Geſichte aufwaͤrts geboren; allein auch hier aͤndert zuweilen die Natur ſelbſt, auf die im vorigen Paragraph beſchriebene Weiſe die Lage um, der Kopf richtet ſich nach und nach in die zweite Hinterhauptslage, indem ſich das Hinterhaupt von der rech- ten Kreuz- und Darmbeinverbindung nach der rechten Scham- und Darmbeinverbindung dreht und es kommt ſo der Kopf mit der Stirn nach unten zum Durchſchneiden, wodurch die weit ſchwierigere Entwicklungsweiſe mit der Stirn nach oben, erſpart wird. — Dritte und vierte Lage gehoͤren ſchon zu den ſeltnern Geburtsweiſen (oft kommt auf 150 bis 200 Hinterhauptsgeburten kaum eine oder zwei voͤllig in dieſer Lage verlaufende), und wir bemerken nur noch *) S. Salzburg. med. chir. Zeitung 1817. Nr. 57.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/136>, abgerufen am 25.04.2024.