Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Sinken bestehende Bewegung der Hirnmasse, welche durch
Anschwellen der Hirnvenen beim Athmen bewirkt wird, zu-
gleich mit der Respiration beginnt. Die Seelenthätig-
keit
fängt an nach und nach in dunkeln Regungen des Ge-
müths und Willens sich kund zu geben, und überhaupt tritt
jetzt zuerst nach langem und tiefem Schlafe das Erwachen
ein, obwohl so, daß immer von Zeit zu Zeit (und zwar im
Säuglingsalter noch bey weitem im größten Theil der Zeit)
das Leben zurückkehrt in den ursprünglichen Zustand des
Schlafs.

§. 885.

Was die Bewegungsthätigkeit betrifft, so kann sich
allerdings nun, bey einer vollkommnern Ausbildung der Re-
spiration auch die Muskelfaser allmählig mehr ausbilden;
demohnerachtet sind die Bewegungen noch schwach und un-
geregelt, wie denn überhaupt im Säugling in der ganzen
animalen Seite die Receptivität noch vorherrschend, die Re-
aktion nur gering ist. Merkwürdig ist aber noch, als Pro-
dukt der Seelenthätigkeit, Bewegungs- und Athmungsthätig-
keit, das Erwachen der Stimme, die wenn auch jetzt
noch unartikulirt, späterhin doch für die geistige Entwicke-
lung von so unendlicher Wichtigkeit wird. -- Endlich auch
die eigenthümliche Wärme als Produkt von Nerven-
wirkung und Gefäßthätigkeit, nimmt im Säuglinge zu, ob-
wohl sie noch immer mit der späterhin sich erzeugenden, nicht
zu vergleichen ist.

§. 886.

Alle diese so wichtigen Umänderungen im Kindeskörper
nun, sind das Werk der Geburtsperiode, welche eben deß-
halb, und weil diese Veränderungen so plötzlich erfolgen, mit
Recht als die bedeutendste Revolution des menschlichen Or-
ganismus betrachtet wird. Man erkennt daher aber auch,
wie sehr es von Wichtigkeit seyn muß, daß diese Periode eine
gewisse Dauer habe, daß nicht zu plötzlich das eben
noch in genauer Wechselwirkung mit dem Uterus stehende
Ovulum abgetrennt und ausgestoßen werde, sondern daß erst

Sinken beſtehende Bewegung der Hirnmaſſe, welche durch
Anſchwellen der Hirnvenen beim Athmen bewirkt wird, zu-
gleich mit der Reſpiration beginnt. Die Seelenthaͤtig-
keit
faͤngt an nach und nach in dunkeln Regungen des Ge-
muͤths und Willens ſich kund zu geben, und uͤberhaupt tritt
jetzt zuerſt nach langem und tiefem Schlafe das Erwachen
ein, obwohl ſo, daß immer von Zeit zu Zeit (und zwar im
Saͤuglingsalter noch bey weitem im groͤßten Theil der Zeit)
das Leben zuruͤckkehrt in den urſpruͤnglichen Zuſtand des
Schlafs.

§. 885.

Was die Bewegungsthaͤtigkeit betrifft, ſo kann ſich
allerdings nun, bey einer vollkommnern Ausbildung der Re-
ſpiration auch die Muskelfaſer allmaͤhlig mehr ausbilden;
demohnerachtet ſind die Bewegungen noch ſchwach und un-
geregelt, wie denn uͤberhaupt im Saͤugling in der ganzen
animalen Seite die Receptivitaͤt noch vorherrſchend, die Re-
aktion nur gering iſt. Merkwuͤrdig iſt aber noch, als Pro-
dukt der Seelenthaͤtigkeit, Bewegungs- und Athmungsthaͤtig-
keit, das Erwachen der Stimme, die wenn auch jetzt
noch unartikulirt, ſpaͤterhin doch fuͤr die geiſtige Entwicke-
lung von ſo unendlicher Wichtigkeit wird. — Endlich auch
die eigenthuͤmliche Waͤrme als Produkt von Nerven-
wirkung und Gefaͤßthaͤtigkeit, nimmt im Saͤuglinge zu, ob-
wohl ſie noch immer mit der ſpaͤterhin ſich erzeugenden, nicht
zu vergleichen iſt.

§. 886.

Alle dieſe ſo wichtigen Umaͤnderungen im Kindeskoͤrper
nun, ſind das Werk der Geburtsperiode, welche eben deß-
halb, und weil dieſe Veraͤnderungen ſo ploͤtzlich erfolgen, mit
Recht als die bedeutendſte Revolution des menſchlichen Or-
ganismus betrachtet wird. Man erkennt daher aber auch,
wie ſehr es von Wichtigkeit ſeyn muß, daß dieſe Periode eine
gewiſſe Dauer habe, daß nicht zu ploͤtzlich das eben
noch in genauer Wechſelwirkung mit dem Uterus ſtehende
Ovulum abgetrennt und ausgeſtoßen werde, ſondern daß erſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0172" n="148"/>
Sinken be&#x017F;tehende Bewegung der Hirnma&#x017F;&#x017F;e, welche durch<lb/>
An&#x017F;chwellen der Hirnvenen beim Athmen bewirkt wird, zu-<lb/>
gleich mit der Re&#x017F;piration beginnt. Die <hi rendition="#g">Seelentha&#x0364;tig-<lb/>
keit</hi> fa&#x0364;ngt an nach und nach in dunkeln Regungen des Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths und Willens &#x017F;ich kund zu geben, und u&#x0364;berhaupt tritt<lb/>
jetzt zuer&#x017F;t nach langem und tiefem Schlafe das Erwachen<lb/>
ein, obwohl &#x017F;o, daß immer von Zeit zu Zeit (und zwar im<lb/>
Sa&#x0364;uglingsalter noch bey weitem im gro&#x0364;ßten Theil der Zeit)<lb/>
das Leben zuru&#x0364;ckkehrt in den ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Zu&#x017F;tand des<lb/>
Schlafs.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 885.</head><lb/>
                    <p>Was die Bewegungstha&#x0364;tigkeit betrifft, &#x017F;o kann &#x017F;ich<lb/>
allerdings nun, bey einer vollkommnern Ausbildung der Re-<lb/>
&#x017F;piration auch die Muskelfa&#x017F;er allma&#x0364;hlig mehr ausbilden;<lb/>
demohnerachtet &#x017F;ind die Bewegungen noch &#x017F;chwach und un-<lb/>
geregelt, wie denn u&#x0364;berhaupt im Sa&#x0364;ugling in der ganzen<lb/>
animalen Seite die Receptivita&#x0364;t noch vorherr&#x017F;chend, die Re-<lb/>
aktion nur gering i&#x017F;t. Merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t aber noch, als Pro-<lb/>
dukt der Seelentha&#x0364;tigkeit, Bewegungs- und Athmungstha&#x0364;tig-<lb/>
keit, das Erwachen der <hi rendition="#g">Stimme</hi>, die wenn auch jetzt<lb/>
noch unartikulirt, &#x017F;pa&#x0364;terhin doch fu&#x0364;r die gei&#x017F;tige Entwicke-<lb/>
lung von &#x017F;o unendlicher Wichtigkeit wird. &#x2014; Endlich auch<lb/>
die <hi rendition="#g">eigenthu&#x0364;mliche Wa&#x0364;rme</hi> als Produkt von Nerven-<lb/>
wirkung und Gefa&#x0364;ßtha&#x0364;tigkeit, nimmt im Sa&#x0364;uglinge zu, ob-<lb/>
wohl &#x017F;ie noch immer mit der &#x017F;pa&#x0364;terhin &#x017F;ich erzeugenden, nicht<lb/>
zu vergleichen i&#x017F;t.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 886.</head><lb/>
                    <p>Alle die&#x017F;e &#x017F;o wichtigen Uma&#x0364;nderungen im Kindesko&#x0364;rper<lb/>
nun, &#x017F;ind das Werk der Geburtsperiode, welche eben deß-<lb/>
halb, und weil die&#x017F;e Vera&#x0364;nderungen &#x017F;o plo&#x0364;tzlich erfolgen, mit<lb/>
Recht als die bedeutend&#x017F;te Revolution des men&#x017F;chlichen Or-<lb/>
ganismus betrachtet wird. Man erkennt daher aber auch,<lb/>
wie &#x017F;ehr es von Wichtigkeit &#x017F;eyn muß, daß die&#x017F;e Periode eine<lb/><hi rendition="#g">gewi&#x017F;&#x017F;e Dauer</hi> habe, daß nicht zu plo&#x0364;tzlich das eben<lb/>
noch in genauer Wech&#x017F;elwirkung mit dem Uterus &#x017F;tehende<lb/>
Ovulum abgetrennt und ausge&#x017F;toßen werde, &#x017F;ondern daß er&#x017F;t<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0172] Sinken beſtehende Bewegung der Hirnmaſſe, welche durch Anſchwellen der Hirnvenen beim Athmen bewirkt wird, zu- gleich mit der Reſpiration beginnt. Die Seelenthaͤtig- keit faͤngt an nach und nach in dunkeln Regungen des Ge- muͤths und Willens ſich kund zu geben, und uͤberhaupt tritt jetzt zuerſt nach langem und tiefem Schlafe das Erwachen ein, obwohl ſo, daß immer von Zeit zu Zeit (und zwar im Saͤuglingsalter noch bey weitem im groͤßten Theil der Zeit) das Leben zuruͤckkehrt in den urſpruͤnglichen Zuſtand des Schlafs. §. 885. Was die Bewegungsthaͤtigkeit betrifft, ſo kann ſich allerdings nun, bey einer vollkommnern Ausbildung der Re- ſpiration auch die Muskelfaſer allmaͤhlig mehr ausbilden; demohnerachtet ſind die Bewegungen noch ſchwach und un- geregelt, wie denn uͤberhaupt im Saͤugling in der ganzen animalen Seite die Receptivitaͤt noch vorherrſchend, die Re- aktion nur gering iſt. Merkwuͤrdig iſt aber noch, als Pro- dukt der Seelenthaͤtigkeit, Bewegungs- und Athmungsthaͤtig- keit, das Erwachen der Stimme, die wenn auch jetzt noch unartikulirt, ſpaͤterhin doch fuͤr die geiſtige Entwicke- lung von ſo unendlicher Wichtigkeit wird. — Endlich auch die eigenthuͤmliche Waͤrme als Produkt von Nerven- wirkung und Gefaͤßthaͤtigkeit, nimmt im Saͤuglinge zu, ob- wohl ſie noch immer mit der ſpaͤterhin ſich erzeugenden, nicht zu vergleichen iſt. §. 886. Alle dieſe ſo wichtigen Umaͤnderungen im Kindeskoͤrper nun, ſind das Werk der Geburtsperiode, welche eben deß- halb, und weil dieſe Veraͤnderungen ſo ploͤtzlich erfolgen, mit Recht als die bedeutendſte Revolution des menſchlichen Or- ganismus betrachtet wird. Man erkennt daher aber auch, wie ſehr es von Wichtigkeit ſeyn muß, daß dieſe Periode eine gewiſſe Dauer habe, daß nicht zu ploͤtzlich das eben noch in genauer Wechſelwirkung mit dem Uterus ſtehende Ovulum abgetrennt und ausgeſtoßen werde, ſondern daß erſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/172
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/172>, abgerufen am 23.04.2024.