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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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der in der Kniegegend mehr als einen Fuß breit auseinan-
der gespreizt, noch im Knie zu sehr gebogen seyn, vielmehr
ist das völlige Ausstrecken der untern Extremitäten, welches
neuerlich H. Jörg vorzüglich empfohlen hat, wenn auch
für sich keinesweges zur Abwendung des Einrisses bei Erst-
gebärenden hinreichend, doch eine nicht unzweckmäßige Maaß-
regel.

§. 934.

Endlich das sonstige Verhalten der Kreisenden betref-
fend, so ist vorzüglich wichtig, daß das Pressen während der
Wehen beim Durchschneiden des Kopfs gehörig gemäßigt
werde. Viel trägt es nämlich zur Erhaltung des Dammes
bei, daß der Kopf nur langsam aus den Geburtstheilen hervor-
rolle. Fängt derselbe daher an sichtbar zu werden, so läßt man,
sobald die Wehen kräftig genug sind, und der Kopf in der
untern Beckenöffnung keine Schwierigkeit findet, das Verar-
beiten der Wehen einstellen, oder erlaubt dasselbe, wenn der
Kopf nur schwer zum Durchschneiden kommt, doch nur in
geringerm Grade. Hebt sich endlich der Kopf wirklich her-
vor, so benutzt man die freie Hand dazu, sie auf das Hin-
terhaupt zu legen, und auch dadurch ein zu schnelles Her-
ausgleiten der Stirn über den Damm, wobei letzterer vor-
züglich leicht einreißt zu verhüten.

§. 935.

Sind nun unter dieser Vorsicht Kopf und Schultern zum
Durchschneiden gekommen, so müssen beide Hände der Hülfe
leistenden Person dazu benutzt werden, das Kind gehörig zu
empfangen. Man richtet sich hierbei nach der Drehung des
Kindes; erfolgt diese mit dem Gesicht gegen den rechten
Schenkel der Mutter, so gebraucht man die linke Hand, um
den Nacken des Kindes, die rechte Hand, um die Hüften
desselben zu fassen, und legt es auf diese Weise queer zwi-
schen die Schenkel der Gebärenden, und nahe an die Ge-
burtstheile, um den Nabelstrang nicht zu dehnen, auf den
Boden des Geburtsbettes, so daß das Kind mit dem Ge-

der in der Kniegegend mehr als einen Fuß breit auseinan-
der geſpreizt, noch im Knie zu ſehr gebogen ſeyn, vielmehr
iſt das voͤllige Ausſtrecken der untern Extremitaͤten, welches
neuerlich H. Joͤrg vorzuͤglich empfohlen hat, wenn auch
fuͤr ſich keinesweges zur Abwendung des Einriſſes bei Erſt-
gebaͤrenden hinreichend, doch eine nicht unzweckmaͤßige Maaß-
regel.

§. 934.

Endlich das ſonſtige Verhalten der Kreiſenden betref-
fend, ſo iſt vorzuͤglich wichtig, daß das Preſſen waͤhrend der
Wehen beim Durchſchneiden des Kopfs gehoͤrig gemaͤßigt
werde. Viel traͤgt es naͤmlich zur Erhaltung des Dammes
bei, daß der Kopf nur langſam aus den Geburtstheilen hervor-
rolle. Faͤngt derſelbe daher an ſichtbar zu werden, ſo laͤßt man,
ſobald die Wehen kraͤftig genug ſind, und der Kopf in der
untern Beckenoͤffnung keine Schwierigkeit findet, das Verar-
beiten der Wehen einſtellen, oder erlaubt daſſelbe, wenn der
Kopf nur ſchwer zum Durchſchneiden kommt, doch nur in
geringerm Grade. Hebt ſich endlich der Kopf wirklich her-
vor, ſo benutzt man die freie Hand dazu, ſie auf das Hin-
terhaupt zu legen, und auch dadurch ein zu ſchnelles Her-
ausgleiten der Stirn uͤber den Damm, wobei letzterer vor-
zuͤglich leicht einreißt zu verhuͤten.

§. 935.

Sind nun unter dieſer Vorſicht Kopf und Schultern zum
Durchſchneiden gekommen, ſo muͤſſen beide Haͤnde der Huͤlfe
leiſtenden Perſon dazu benutzt werden, das Kind gehoͤrig zu
empfangen. Man richtet ſich hierbei nach der Drehung des
Kindes; erfolgt dieſe mit dem Geſicht gegen den rechten
Schenkel der Mutter, ſo gebraucht man die linke Hand, um
den Nacken des Kindes, die rechte Hand, um die Huͤften
deſſelben zu faſſen, und legt es auf dieſe Weiſe queer zwi-
ſchen die Schenkel der Gebaͤrenden, und nahe an die Ge-
burtstheile, um den Nabelſtrang nicht zu dehnen, auf den
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[176/0200] der in der Kniegegend mehr als einen Fuß breit auseinan- der geſpreizt, noch im Knie zu ſehr gebogen ſeyn, vielmehr iſt das voͤllige Ausſtrecken der untern Extremitaͤten, welches neuerlich H. Joͤrg vorzuͤglich empfohlen hat, wenn auch fuͤr ſich keinesweges zur Abwendung des Einriſſes bei Erſt- gebaͤrenden hinreichend, doch eine nicht unzweckmaͤßige Maaß- regel. §. 934. Endlich das ſonſtige Verhalten der Kreiſenden betref- fend, ſo iſt vorzuͤglich wichtig, daß das Preſſen waͤhrend der Wehen beim Durchſchneiden des Kopfs gehoͤrig gemaͤßigt werde. Viel traͤgt es naͤmlich zur Erhaltung des Dammes bei, daß der Kopf nur langſam aus den Geburtstheilen hervor- rolle. Faͤngt derſelbe daher an ſichtbar zu werden, ſo laͤßt man, ſobald die Wehen kraͤftig genug ſind, und der Kopf in der untern Beckenoͤffnung keine Schwierigkeit findet, das Verar- beiten der Wehen einſtellen, oder erlaubt daſſelbe, wenn der Kopf nur ſchwer zum Durchſchneiden kommt, doch nur in geringerm Grade. Hebt ſich endlich der Kopf wirklich her- vor, ſo benutzt man die freie Hand dazu, ſie auf das Hin- terhaupt zu legen, und auch dadurch ein zu ſchnelles Her- ausgleiten der Stirn uͤber den Damm, wobei letzterer vor- zuͤglich leicht einreißt zu verhuͤten. §. 935. Sind nun unter dieſer Vorſicht Kopf und Schultern zum Durchſchneiden gekommen, ſo muͤſſen beide Haͤnde der Huͤlfe leiſtenden Perſon dazu benutzt werden, das Kind gehoͤrig zu empfangen. Man richtet ſich hierbei nach der Drehung des Kindes; erfolgt dieſe mit dem Geſicht gegen den rechten Schenkel der Mutter, ſo gebraucht man die linke Hand, um den Nacken des Kindes, die rechte Hand, um die Huͤften deſſelben zu faſſen, und legt es auf dieſe Weiſe queer zwi- ſchen die Schenkel der Gebaͤrenden, und nahe an die Ge- burtstheile, um den Nabelſtrang nicht zu dehnen, auf den Boden des Geburtsbettes, ſo daß das Kind mit dem Ge-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/200>, abgerufen am 29.03.2024.