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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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der ins Leben zurückzurufen oder nicht; immer bleibt es so-
nach Gesetz, erst dann den Nabelstrang zu trennen, wenn
seine Pulsation nachgelassen hat. -- Die Art wie diese Tren-
nung vorgenommen wird, ist folgende: -- Zuerst fühlt man
auf den Unterleib, um sich zu überzeugen, ob nicht vielleicht
ein zweites Kind noch zurück ist. In jedem Falle legt man
sodann ohngefähr drei Zoll vom Nabel die erste Unterbindung
mitelst eines schmalen aber festen Bändchens um den Nabel-
strang, indem man einen einfachen Knoten schlingt und fest
zuzieht, dann den Nabelstrang umbiegt, und mit demselben
Bande zum zweitenmale faßt, und diese Stelle auf die vorige
festknüpft. -- Wäre nun aber noch ein zweites Kind im
Uterus zurück, so wird eine zweite einfache Unterbindung,
einen bis zwei Zoll weiter, nach dem Mutterkuchen hin an-
gelegt, und nun erst der Nabelstrang zwischen beiden Unter-
bindungen getrennt.

§. 941.

Man hat zwar neuerlich die Unterbindung des Nabel-
stranges als etwas höchst nachtheiliges darstellen wollen; allein
ohne allen vernünftigen Grund. Zwar wird man, wenn
man das Ende der Pulsation im Nabelstrange gehörig ab-
wartet, den Nabelstrang auch ohne Unterbindung durch-
schneiden können, und keinen Blutausfluß aus den Gefäßen
desselben bemerken, allein man wird finden, daß der Andrang
des Blutes im Bade, oder wenn das Kind angekleidet und
in ein Bett gehüllt ist, leicht wiederkehrt *), und dadurch
selbst Verblutung des Kindes herbeigeführt werden kann.
Da nun aber alle Nachtheile, welche man der Unterbindung
des Nabelstranges Schuld gegeben hat (als Veranlassung
apoplektischer Anfälle, der Gelbsucht u. s. w.) blos und
allein das zu zeitige Unterbinden treffen, für die Anle-

*) H. D. Kluge, welcher in der Charite zu Berlin bei einer Reihe
von Kindern den Nabelstrang nicht unterbinden ließ, hatte im
Jahr 1818 allein 12 Fälle von nachher entstandenen Blutun-
gen bemerkt, s. Hufeland's Journal d. prakt. Heilkunde 1819
Januar. S. 118.

der ins Leben zuruͤckzurufen oder nicht; immer bleibt es ſo-
nach Geſetz, erſt dann den Nabelſtrang zu trennen, wenn
ſeine Pulſation nachgelaſſen hat. — Die Art wie dieſe Tren-
nung vorgenommen wird, iſt folgende: — Zuerſt fuͤhlt man
auf den Unterleib, um ſich zu uͤberzeugen, ob nicht vielleicht
ein zweites Kind noch zuruͤck iſt. In jedem Falle legt man
ſodann ohngefaͤhr drei Zoll vom Nabel die erſte Unterbindung
mitelſt eines ſchmalen aber feſten Baͤndchens um den Nabel-
ſtrang, indem man einen einfachen Knoten ſchlingt und feſt
zuzieht, dann den Nabelſtrang umbiegt, und mit demſelben
Bande zum zweitenmale faßt, und dieſe Stelle auf die vorige
feſtknuͤpft. — Waͤre nun aber noch ein zweites Kind im
Uterus zuruͤck, ſo wird eine zweite einfache Unterbindung,
einen bis zwei Zoll weiter, nach dem Mutterkuchen hin an-
gelegt, und nun erſt der Nabelſtrang zwiſchen beiden Unter-
bindungen getrennt.

§. 941.

Man hat zwar neuerlich die Unterbindung des Nabel-
ſtranges als etwas hoͤchſt nachtheiliges darſtellen wollen; allein
ohne allen vernuͤnftigen Grund. Zwar wird man, wenn
man das Ende der Pulſation im Nabelſtrange gehoͤrig ab-
wartet, den Nabelſtrang auch ohne Unterbindung durch-
ſchneiden koͤnnen, und keinen Blutausfluß aus den Gefaͤßen
deſſelben bemerken, allein man wird finden, daß der Andrang
des Blutes im Bade, oder wenn das Kind angekleidet und
in ein Bett gehuͤllt iſt, leicht wiederkehrt *), und dadurch
ſelbſt Verblutung des Kindes herbeigefuͤhrt werden kann.
Da nun aber alle Nachtheile, welche man der Unterbindung
des Nabelſtranges Schuld gegeben hat (als Veranlaſſung
apoplektiſcher Anfaͤlle, der Gelbſucht u. ſ. w.) blos und
allein das zu zeitige Unterbinden treffen, fuͤr die Anle-

*) H. D. Kluge, welcher in der Charité zu Berlin bei einer Reihe
von Kindern den Nabelſtrang nicht unterbinden ließ, hatte im
Jahr 1818 allein 12 Faͤlle von nachher entſtandenen Blutun-
gen bemerkt, ſ. Hufeland’s Journal d. prakt. Heilkunde 1819
Januar. S. 118.
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[180/0204] der ins Leben zuruͤckzurufen oder nicht; immer bleibt es ſo- nach Geſetz, erſt dann den Nabelſtrang zu trennen, wenn ſeine Pulſation nachgelaſſen hat. — Die Art wie dieſe Tren- nung vorgenommen wird, iſt folgende: — Zuerſt fuͤhlt man auf den Unterleib, um ſich zu uͤberzeugen, ob nicht vielleicht ein zweites Kind noch zuruͤck iſt. In jedem Falle legt man ſodann ohngefaͤhr drei Zoll vom Nabel die erſte Unterbindung mitelſt eines ſchmalen aber feſten Baͤndchens um den Nabel- ſtrang, indem man einen einfachen Knoten ſchlingt und feſt zuzieht, dann den Nabelſtrang umbiegt, und mit demſelben Bande zum zweitenmale faßt, und dieſe Stelle auf die vorige feſtknuͤpft. — Waͤre nun aber noch ein zweites Kind im Uterus zuruͤck, ſo wird eine zweite einfache Unterbindung, einen bis zwei Zoll weiter, nach dem Mutterkuchen hin an- gelegt, und nun erſt der Nabelſtrang zwiſchen beiden Unter- bindungen getrennt. §. 941. Man hat zwar neuerlich die Unterbindung des Nabel- ſtranges als etwas hoͤchſt nachtheiliges darſtellen wollen; allein ohne allen vernuͤnftigen Grund. Zwar wird man, wenn man das Ende der Pulſation im Nabelſtrange gehoͤrig ab- wartet, den Nabelſtrang auch ohne Unterbindung durch- ſchneiden koͤnnen, und keinen Blutausfluß aus den Gefaͤßen deſſelben bemerken, allein man wird finden, daß der Andrang des Blutes im Bade, oder wenn das Kind angekleidet und in ein Bett gehuͤllt iſt, leicht wiederkehrt *), und dadurch ſelbſt Verblutung des Kindes herbeigefuͤhrt werden kann. Da nun aber alle Nachtheile, welche man der Unterbindung des Nabelſtranges Schuld gegeben hat (als Veranlaſſung apoplektiſcher Anfaͤlle, der Gelbſucht u. ſ. w.) blos und allein das zu zeitige Unterbinden treffen, fuͤr die Anle- *) H. D. Kluge, welcher in der Charité zu Berlin bei einer Reihe von Kindern den Nabelſtrang nicht unterbinden ließ, hatte im Jahr 1818 allein 12 Faͤlle von nachher entſtandenen Blutun- gen bemerkt, ſ. Hufeland’s Journal d. prakt. Heilkunde 1819 Januar. S. 118.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/204>, abgerufen am 25.04.2024.