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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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nachdem man hierin lange Zeit an einer höchst einfachen
Behandlung festgehalten hat, wird neuerlich ein ganz anderes
Verfahren in dieser Hinsicht gepriesen, weßhalb wir etwas
ausführlicher hiebei zu verweilen nöthig finden. -- Zuerst
jedoch die Beschreibung des Verfahrens welches als das
Zweckmäßigste hiebei nach vielfältiger Erfahrung immer noch
empfohlen werden darf: --

§. 978.

Der nach der Geburt unterbundene Nabelstrang bleibt
ganz ruhig sich selbst überlassen, bei jedesmaligem Baden
wird er sorgfältig geschont, namentlich alles Dehnen und
Ziehen an demselben sorgfältig vermieden, und er jedesmal
in ein neues Stückchen weiches Leinenzeug, welches wieder
mit etwas Semen Lycopodii bestreut wird, eingeschlagen,
und dann, wie nach dem ersten Bade, durch eine angemeßene
Nabelbinde befestigt. Trocknet er nun nach und nach ein,
und löst sich endlich völlig ab, so legt man demohnerachtet
noch einige Wochen hindurch die Binde an, und kann über-
dieß, wenn die Stelle noch etwas nässen sollte, die ersten
Tage hindurch auf die Mitte der Nabelbinde noch eine kleine
Compresse aufheften und dieselbe mit etwas rothem Wein
befeuchten lassen. -- Auf diese Weise können weder Nach-
blutungen aus den Nabelgefäßen, noch Nabelbrüche oder
Schwären und schwammige Auswüchse am Nabel eintreten, und
wir nennen sie daher in jeder Hinsicht zweckmäßig.

§. 979.

Seit indeß Meßmer auf den Einfall kam, daß die
in den Gefäßen des Nabelschnurrestchens stockende Blutmasse
die Ursache vielfacher Krankheiten des neugebornen Kindes
nicht nur, sondern auch des spätern Alters werden könne,
daß Pocken, Gelbsucht, Krämpfe u. s. w. hier ihre eigent-
liche Veranlassung und Entstehung fänden, hat man jene
alte geprüfte Methode hie und da zu verlassen versucht, sie
selbst in mehrern für das nichtärztliche Publikum bestimmten

nachdem man hierin lange Zeit an einer hoͤchſt einfachen
Behandlung feſtgehalten hat, wird neuerlich ein ganz anderes
Verfahren in dieſer Hinſicht geprieſen, weßhalb wir etwas
ausfuͤhrlicher hiebei zu verweilen noͤthig finden. — Zuerſt
jedoch die Beſchreibung des Verfahrens welches als das
Zweckmaͤßigſte hiebei nach vielfaͤltiger Erfahrung immer noch
empfohlen werden darf: —

§. 978.

Der nach der Geburt unterbundene Nabelſtrang bleibt
ganz ruhig ſich ſelbſt uͤberlaſſen, bei jedesmaligem Baden
wird er ſorgfaͤltig geſchont, namentlich alles Dehnen und
Ziehen an demſelben ſorgfaͤltig vermieden, und er jedesmal
in ein neues Stuͤckchen weiches Leinenzeug, welches wieder
mit etwas Semen Lycopodii beſtreut wird, eingeſchlagen,
und dann, wie nach dem erſten Bade, durch eine angemeßene
Nabelbinde befeſtigt. Trocknet er nun nach und nach ein,
und loͤſt ſich endlich voͤllig ab, ſo legt man demohnerachtet
noch einige Wochen hindurch die Binde an, und kann uͤber-
dieß, wenn die Stelle noch etwas naͤſſen ſollte, die erſten
Tage hindurch auf die Mitte der Nabelbinde noch eine kleine
Compreſſe aufheften und dieſelbe mit etwas rothem Wein
befeuchten laſſen. — Auf dieſe Weiſe koͤnnen weder Nach-
blutungen aus den Nabelgefaͤßen, noch Nabelbruͤche oder
Schwaͤren und ſchwammige Auswuͤchſe am Nabel eintreten, und
wir nennen ſie daher in jeder Hinſicht zweckmaͤßig.

§. 979.

Seit indeß Meßmer auf den Einfall kam, daß die
in den Gefaͤßen des Nabelſchnurreſtchens ſtockende Blutmaſſe
die Urſache vielfacher Krankheiten des neugebornen Kindes
nicht nur, ſondern auch des ſpaͤtern Alters werden koͤnne,
daß Pocken, Gelbſucht, Kraͤmpfe u. ſ. w. hier ihre eigent-
liche Veranlaſſung und Entſtehung faͤnden, hat man jene
alte gepruͤfte Methode hie und da zu verlaſſen verſucht, ſie
ſelbſt in mehrern fuͤr das nichtaͤrztliche Publikum beſtimmten

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[202/0226] nachdem man hierin lange Zeit an einer hoͤchſt einfachen Behandlung feſtgehalten hat, wird neuerlich ein ganz anderes Verfahren in dieſer Hinſicht geprieſen, weßhalb wir etwas ausfuͤhrlicher hiebei zu verweilen noͤthig finden. — Zuerſt jedoch die Beſchreibung des Verfahrens welches als das Zweckmaͤßigſte hiebei nach vielfaͤltiger Erfahrung immer noch empfohlen werden darf: — §. 978. Der nach der Geburt unterbundene Nabelſtrang bleibt ganz ruhig ſich ſelbſt uͤberlaſſen, bei jedesmaligem Baden wird er ſorgfaͤltig geſchont, namentlich alles Dehnen und Ziehen an demſelben ſorgfaͤltig vermieden, und er jedesmal in ein neues Stuͤckchen weiches Leinenzeug, welches wieder mit etwas Semen Lycopodii beſtreut wird, eingeſchlagen, und dann, wie nach dem erſten Bade, durch eine angemeßene Nabelbinde befeſtigt. Trocknet er nun nach und nach ein, und loͤſt ſich endlich voͤllig ab, ſo legt man demohnerachtet noch einige Wochen hindurch die Binde an, und kann uͤber- dieß, wenn die Stelle noch etwas naͤſſen ſollte, die erſten Tage hindurch auf die Mitte der Nabelbinde noch eine kleine Compreſſe aufheften und dieſelbe mit etwas rothem Wein befeuchten laſſen. — Auf dieſe Weiſe koͤnnen weder Nach- blutungen aus den Nabelgefaͤßen, noch Nabelbruͤche oder Schwaͤren und ſchwammige Auswuͤchſe am Nabel eintreten, und wir nennen ſie daher in jeder Hinſicht zweckmaͤßig. §. 979. Seit indeß Meßmer auf den Einfall kam, daß die in den Gefaͤßen des Nabelſchnurreſtchens ſtockende Blutmaſſe die Urſache vielfacher Krankheiten des neugebornen Kindes nicht nur, ſondern auch des ſpaͤtern Alters werden koͤnne, daß Pocken, Gelbſucht, Kraͤmpfe u. ſ. w. hier ihre eigent- liche Veranlaſſung und Entſtehung faͤnden, hat man jene alte gepruͤfte Methode hie und da zu verlaſſen verſucht, ſie ſelbſt in mehrern fuͤr das nichtaͤrztliche Publikum beſtimmten

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/226>, abgerufen am 25.04.2024.