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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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gern Körper naturgemäß erleidet, manche beschwerliche Schwan-
gerschaftssymptome herbeiführt. Auf eine wirklich krankhafte
Höhe werden indeß diese Zufälle gesteigert theils durch besondere
Disposition, theils durch eigenthümliche reitzende Einflüsse.
Zu den prädisponirenden Momenten gehören allgemeine bereits
früher vorhandene Vollblütigkeit, große Erregbarkeit des Ner-
vensystems, derjenige Bau des Körpers, wodurch überhaupt
Anhäufung des Blutes in gewissen Theilen, z. B. im Kopf
oder Brust befördert werden (apoplektischer oder phthisischer
Habitus). Als veranlassende Ursachen aber sind zu betrachten
reichliche, erhitzende Nahrung, warme Temperatur, sitzende
Lebensweise, heftige Gemüthsbewegungen, und der Druck
des schwangern Uterus auf die Stämme der Unterleibsgefäße.

§. 1001.

Prognose. Die Zufälle welche aus dieser Ueberfüllung
einzelner Zweige des Gefäßsystems hervorgehen, sind sehr
verschieden und oft für das Leben der Frucht so wie des
mütterlichen Körpers gefährlich. Rücksichtlich der Frucht,
so kann leicht die Ernährung derselben gestört, und durch
eine vom Gefäßsystem auf das Nervensystem übertragene
Erregung, das zu zeitige Erwachen der Geburtsthätigkeit
veranlaßt werden. Was den mütterlichen Körper betrifft, so
können für diesen Blutungen, Entzündungskrankheiten, Ner-
venzufälle, krankhafte Gemüthszustände, Ohnmachten ja
apoplektische Anfälle herbeigeführt werden.

§. 1002.

Die Behandlung dieser Krankheit des Gefäßsystems muß
vorzüglich auf Entfernung der genannten Veranlassungen, und
daher zunächst auf Regulirung der Diät und Lebensweise
gerichtet seyn, welches beides völlig nach der antiphlogistischen
Methode zu ordnen ist. Man untersagt sonach das viele
Stillsitzen, so wie das Schlafen in dicken Federbetten, mit
niedriger Kopflage und auf dem Rücken liegend (wobei der
Druck des Uterus stärker einwirkt), und eben so muß
alle beengende Kleidung, heiße Zimmerluft, und heftige Ge-

gern Koͤrper naturgemaͤß erleidet, manche beſchwerliche Schwan-
gerſchaftsſymptome herbeifuͤhrt. Auf eine wirklich krankhafte
Hoͤhe werden indeß dieſe Zufaͤlle geſteigert theils durch beſondere
Dispoſition, theils durch eigenthuͤmliche reitzende Einfluͤſſe.
Zu den praͤdisponirenden Momenten gehoͤren allgemeine bereits
fruͤher vorhandene Vollbluͤtigkeit, große Erregbarkeit des Ner-
venſyſtems, derjenige Bau des Koͤrpers, wodurch uͤberhaupt
Anhaͤufung des Blutes in gewiſſen Theilen, z. B. im Kopf
oder Bruſt befoͤrdert werden (apoplektiſcher oder phthiſiſcher
Habitus). Als veranlaſſende Urſachen aber ſind zu betrachten
reichliche, erhitzende Nahrung, warme Temperatur, ſitzende
Lebensweiſe, heftige Gemuͤthsbewegungen, und der Druck
des ſchwangern Uterus auf die Staͤmme der Unterleibsgefaͤße.

§. 1001.

Prognoſe. Die Zufaͤlle welche aus dieſer Ueberfuͤllung
einzelner Zweige des Gefaͤßſyſtems hervorgehen, ſind ſehr
verſchieden und oft fuͤr das Leben der Frucht ſo wie des
muͤtterlichen Koͤrpers gefaͤhrlich. Ruͤckſichtlich der Frucht,
ſo kann leicht die Ernaͤhrung derſelben geſtoͤrt, und durch
eine vom Gefaͤßſyſtem auf das Nervenſyſtem uͤbertragene
Erregung, das zu zeitige Erwachen der Geburtsthaͤtigkeit
veranlaßt werden. Was den muͤtterlichen Koͤrper betrifft, ſo
koͤnnen fuͤr dieſen Blutungen, Entzuͤndungskrankheiten, Ner-
venzufaͤlle, krankhafte Gemuͤthszuſtaͤnde, Ohnmachten ja
apoplektiſche Anfaͤlle herbeigefuͤhrt werden.

§. 1002.

Die Behandlung dieſer Krankheit des Gefaͤßſyſtems muß
vorzuͤglich auf Entfernung der genannten Veranlaſſungen, und
daher zunaͤchſt auf Regulirung der Diaͤt und Lebensweiſe
gerichtet ſeyn, welches beides voͤllig nach der antiphlogiſtiſchen
Methode zu ordnen iſt. Man unterſagt ſonach das viele
Stillſitzen, ſo wie das Schlafen in dicken Federbetten, mit
niedriger Kopflage und auf dem Ruͤcken liegend (wobei der
Druck des Uterus ſtaͤrker einwirkt), und eben ſo muß
alle beengende Kleidung, heiße Zimmerluft, und heftige Ge-

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[214/0238] gern Koͤrper naturgemaͤß erleidet, manche beſchwerliche Schwan- gerſchaftsſymptome herbeifuͤhrt. Auf eine wirklich krankhafte Hoͤhe werden indeß dieſe Zufaͤlle geſteigert theils durch beſondere Dispoſition, theils durch eigenthuͤmliche reitzende Einfluͤſſe. Zu den praͤdisponirenden Momenten gehoͤren allgemeine bereits fruͤher vorhandene Vollbluͤtigkeit, große Erregbarkeit des Ner- venſyſtems, derjenige Bau des Koͤrpers, wodurch uͤberhaupt Anhaͤufung des Blutes in gewiſſen Theilen, z. B. im Kopf oder Bruſt befoͤrdert werden (apoplektiſcher oder phthiſiſcher Habitus). Als veranlaſſende Urſachen aber ſind zu betrachten reichliche, erhitzende Nahrung, warme Temperatur, ſitzende Lebensweiſe, heftige Gemuͤthsbewegungen, und der Druck des ſchwangern Uterus auf die Staͤmme der Unterleibsgefaͤße. §. 1001. Prognoſe. Die Zufaͤlle welche aus dieſer Ueberfuͤllung einzelner Zweige des Gefaͤßſyſtems hervorgehen, ſind ſehr verſchieden und oft fuͤr das Leben der Frucht ſo wie des muͤtterlichen Koͤrpers gefaͤhrlich. Ruͤckſichtlich der Frucht, ſo kann leicht die Ernaͤhrung derſelben geſtoͤrt, und durch eine vom Gefaͤßſyſtem auf das Nervenſyſtem uͤbertragene Erregung, das zu zeitige Erwachen der Geburtsthaͤtigkeit veranlaßt werden. Was den muͤtterlichen Koͤrper betrifft, ſo koͤnnen fuͤr dieſen Blutungen, Entzuͤndungskrankheiten, Ner- venzufaͤlle, krankhafte Gemuͤthszuſtaͤnde, Ohnmachten ja apoplektiſche Anfaͤlle herbeigefuͤhrt werden. §. 1002. Die Behandlung dieſer Krankheit des Gefaͤßſyſtems muß vorzuͤglich auf Entfernung der genannten Veranlaſſungen, und daher zunaͤchſt auf Regulirung der Diaͤt und Lebensweiſe gerichtet ſeyn, welches beides voͤllig nach der antiphlogiſtiſchen Methode zu ordnen iſt. Man unterſagt ſonach das viele Stillſitzen, ſo wie das Schlafen in dicken Federbetten, mit niedriger Kopflage und auf dem Ruͤcken liegend (wobei der Druck des Uterus ſtaͤrker einwirkt), und eben ſo muß alle beengende Kleidung, heiße Zimmerluft, und heftige Ge-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/238>, abgerufen am 24.04.2024.