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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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rationen, deren Berücksichtigung von besonderer Wichtigkeit
genannt werden muß, obwohl ihrer demungeachtet nur in ei-
nigen Handbüchern, so z. B. von H. Osiander und H. v.
Siebold gebührende Erwähnung geschehen ist.

§. 1142.

1. Regel. Keine Operation darf unternommen wer-
den, bevor nicht durch hinlängliche innere und äußere Unter-
suchung der vorhandene abnorme Zustand so genau als
möglich, und die Art der daraus sich ergebenden Indicatio-
nen für Art und Zeitpunkt der Hülfsleistung klar erkannt
worden sind. Nothwendig ist es jedoch hierbei sehr (wie auch
H. v. Siebold bemerkt) diese Untersuchung durchaus selbst
vorzunehmen, und weder auf Aussagen der Hebamme noch
selbst früher anwesender Geburtshelfer zu viel sich zu ver-
lassen.

2. Regel. Keine Operation ist zu unternehmen, wo
irgend sichere Aussicht vorhanden ist, daß die vorhandene
Abnormität, ohne Nachtheil für Mutter und Kind, durch die
Naturthätigkeit allein, oder durch zweckmäßige dynamische Hülfs-
mittel (Medicamente), durch veränderte Lage der Kreisenden
u. s. w. beseitigt werden könne.

§. 1143.

3. Regel. Wie wir es dem Arzte für das weibliche
Geschlecht (1. Thl. §. 84. u. f.) überhaupt zur Pflicht ge-
macht haben, so behandele derselbe namentlich als Geburts-
helfer, eingedenk der Wichtigkeit und Schwere des Moments,
die Kreisende mit freundlicher Theilnahme so wie mit ruhigem
Ernst, und zeige stets die möglichste Schonung des Anstan-
des sowohl, als die strengste Sorgfalt für das Wohl der Mut-
ter und des Kindes. --

4. Regel. In der Feststellung der Prognose beobachte
man stets die nöthige Vorsicht, sey nie zu voreilig mit dem
Versprechen des unbedingt glücklichen Erfolgs einer Operation,
noch erschrecke man die Kreisende durch eine ganz ungünstige
Prognose, sondern theile letztere den Angehörigen derselben

rationen, deren Beruͤckſichtigung von beſonderer Wichtigkeit
genannt werden muß, obwohl ihrer demungeachtet nur in ei-
nigen Handbuͤchern, ſo z. B. von H. Oſiander und H. v.
Siebold gebuͤhrende Erwaͤhnung geſchehen iſt.

§. 1142.

1. Regel. Keine Operation darf unternommen wer-
den, bevor nicht durch hinlaͤngliche innere und aͤußere Unter-
ſuchung der vorhandene abnorme Zuſtand ſo genau als
moͤglich, und die Art der daraus ſich ergebenden Indicatio-
nen fuͤr Art und Zeitpunkt der Huͤlfsleiſtung klar erkannt
worden ſind. Nothwendig iſt es jedoch hierbei ſehr (wie auch
H. v. Siebold bemerkt) dieſe Unterſuchung durchaus ſelbſt
vorzunehmen, und weder auf Ausſagen der Hebamme noch
ſelbſt fruͤher anweſender Geburtshelfer zu viel ſich zu ver-
laſſen.

2. Regel. Keine Operation iſt zu unternehmen, wo
irgend ſichere Ausſicht vorhanden iſt, daß die vorhandene
Abnormitaͤt, ohne Nachtheil fuͤr Mutter und Kind, durch die
Naturthaͤtigkeit allein, oder durch zweckmaͤßige dynamiſche Huͤlfs-
mittel (Medicamente), durch veraͤnderte Lage der Kreiſenden
u. ſ. w. beſeitigt werden koͤnne.

§. 1143.

3. Regel. Wie wir es dem Arzte fuͤr das weibliche
Geſchlecht (1. Thl. §. 84. u. f.) uͤberhaupt zur Pflicht ge-
macht haben, ſo behandele derſelbe namentlich als Geburts-
helfer, eingedenk der Wichtigkeit und Schwere des Moments,
die Kreiſende mit freundlicher Theilnahme ſo wie mit ruhigem
Ernſt, und zeige ſtets die moͤglichſte Schonung des Anſtan-
des ſowohl, als die ſtrengſte Sorgfalt fuͤr das Wohl der Mut-
ter und des Kindes. —

4. Regel. In der Feſtſtellung der Prognoſe beobachte
man ſtets die noͤthige Vorſicht, ſey nie zu voreilig mit dem
Verſprechen des unbedingt gluͤcklichen Erfolgs einer Operation,
noch erſchrecke man die Kreiſende durch eine ganz unguͤnſtige
Prognoſe, ſondern theile letztere den Angehoͤrigen derſelben

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[293/0317] rationen, deren Beruͤckſichtigung von beſonderer Wichtigkeit genannt werden muß, obwohl ihrer demungeachtet nur in ei- nigen Handbuͤchern, ſo z. B. von H. Oſiander und H. v. Siebold gebuͤhrende Erwaͤhnung geſchehen iſt. §. 1142. 1. Regel. Keine Operation darf unternommen wer- den, bevor nicht durch hinlaͤngliche innere und aͤußere Unter- ſuchung der vorhandene abnorme Zuſtand ſo genau als moͤglich, und die Art der daraus ſich ergebenden Indicatio- nen fuͤr Art und Zeitpunkt der Huͤlfsleiſtung klar erkannt worden ſind. Nothwendig iſt es jedoch hierbei ſehr (wie auch H. v. Siebold bemerkt) dieſe Unterſuchung durchaus ſelbſt vorzunehmen, und weder auf Ausſagen der Hebamme noch ſelbſt fruͤher anweſender Geburtshelfer zu viel ſich zu ver- laſſen. 2. Regel. Keine Operation iſt zu unternehmen, wo irgend ſichere Ausſicht vorhanden iſt, daß die vorhandene Abnormitaͤt, ohne Nachtheil fuͤr Mutter und Kind, durch die Naturthaͤtigkeit allein, oder durch zweckmaͤßige dynamiſche Huͤlfs- mittel (Medicamente), durch veraͤnderte Lage der Kreiſenden u. ſ. w. beſeitigt werden koͤnne. §. 1143. 3. Regel. Wie wir es dem Arzte fuͤr das weibliche Geſchlecht (1. Thl. §. 84. u. f.) uͤberhaupt zur Pflicht ge- macht haben, ſo behandele derſelbe namentlich als Geburts- helfer, eingedenk der Wichtigkeit und Schwere des Moments, die Kreiſende mit freundlicher Theilnahme ſo wie mit ruhigem Ernſt, und zeige ſtets die moͤglichſte Schonung des Anſtan- des ſowohl, als die ſtrengſte Sorgfalt fuͤr das Wohl der Mut- ter und des Kindes. — 4. Regel. In der Feſtſtellung der Prognoſe beobachte man ſtets die noͤthige Vorſicht, ſey nie zu voreilig mit dem Verſprechen des unbedingt gluͤcklichen Erfolgs einer Operation, noch erſchrecke man die Kreiſende durch eine ganz unguͤnſtige Prognoſe, ſondern theile letztere den Angehoͤrigen derſelben

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/317>, abgerufen am 28.03.2024.