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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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welche eine Beschleunigung der Geburt nothwendig machen,
als z. B. Blutungen, Convulsionen, große Schwäche und Man-
gel an Wehen, Vorfall des Nabelstranges, örtliche Krankhei-
ten, wie Entzündungen des Uterus u. s. w., so ist die Her-
ausbeförderung des Kindes aus den mütterlichen Geburtsthei-
leu durch die Hand des Geburtshelfers angezeigt. Contrain-
dicationen für diese Operation geben vorzüglich, wie bei der
Wendung, 1) eine absolute Engigkeit des Beckens, welche das
Hindurchführen des Kindes überhaupt unmöglich macht; 2)
auch derjenige Grad der Beckenengigkeit, bei welcher der Größe
des Kindes nach vorauszusehen ist, daß der Kopf nur nach
gemachter Enthirnung durch das Becken geführt werden könne,
demungeachtet aber vom Leben des Kindes noch sichere
Zeichen vorhanden sind
.

§. 1194.

In wiefern man nun endlich diese Operation häufig
als ganz untrennbar von der Wendung betrachter, ja sie so-
gar zuweilen als für die Beeudigung jeder Fuß- Knie- oder
Steisgeburt ganz unentbehrlich gehalten hat, so muß hier nicht
nur besonders gegen diese Vorurtheile gewarnt, sondern nach
überdieß erinnert werden, daß die Anwendung der Extraktion
ohne hinreichende Indication, und in Fällen, wo die Natur
recht gut zu Ausstoßung des Kindes allein hingereicht hätte,
nur allzuleicht den Tod des Kindes, wegen dabei eintreten-
der schlechter Stellung des Kopfs, verursachen kann.

§. 1195.

Die Prognose bei dieser Operation, wo sie behutsam
gemacht wird, ist für die Mutter, welche nicht einmal bedeu-
tende Schmerzen davon erfahren wird, in der Regel günstig,
obwohl durch rohes Verfahren, besonders bei Anwendung der
Haken zur Entwickelung des Kopfs, auch beträchtliche. Gefahr
dem mütterlichen Körper erwachsen kann. Für das Kind hin-
gegen ist die Prognose im Allgemeinen immer etwas ungün-
stig, theils wegen Druck auf den Nabelstrang bei länger inne-

welche eine Beſchleunigung der Geburt nothwendig machen,
als z. B. Blutungen, Convulſionen, große Schwaͤche und Man-
gel an Wehen, Vorfall des Nabelſtranges, oͤrtliche Krankhei-
ten, wie Entzuͤndungen des Uterus u. ſ. w., ſo iſt die Her-
ausbefoͤrderung des Kindes aus den muͤtterlichen Geburtsthei-
leu durch die Hand des Geburtshelfers angezeigt. Contrain-
dicationen fuͤr dieſe Operation geben vorzuͤglich, wie bei der
Wendung, 1) eine abſolute Engigkeit des Beckens, welche das
Hindurchfuͤhren des Kindes uͤberhaupt unmoͤglich macht; 2)
auch derjenige Grad der Beckenengigkeit, bei welcher der Groͤße
des Kindes nach vorauszuſehen iſt, daß der Kopf nur nach
gemachter Enthirnung durch das Becken gefuͤhrt werden koͤnne,
demungeachtet aber vom Leben des Kindes noch ſichere
Zeichen vorhanden ſind
.

§. 1194.

In wiefern man nun endlich dieſe Operation haͤufig
als ganz untrennbar von der Wendung betrachter, ja ſie ſo-
gar zuweilen als fuͤr die Beeudigung jeder Fuß- Knie- oder
Steisgeburt ganz unentbehrlich gehalten hat, ſo muß hier nicht
nur beſonders gegen dieſe Vorurtheile gewarnt, ſondern nach
uͤberdieß erinnert werden, daß die Anwendung der Extraktion
ohne hinreichende Indication, und in Faͤllen, wo die Natur
recht gut zu Ausſtoßung des Kindes allein hingereicht haͤtte,
nur allzuleicht den Tod des Kindes, wegen dabei eintreten-
der ſchlechter Stellung des Kopfs, verurſachen kann.

§. 1195.

Die Prognoſe bei dieſer Operation, wo ſie behutſam
gemacht wird, iſt fuͤr die Mutter, welche nicht einmal bedeu-
tende Schmerzen davon erfahren wird, in der Regel guͤnſtig,
obwohl durch rohes Verfahren, beſonders bei Anwendung der
Haken zur Entwickelung des Kopfs, auch betraͤchtliche. Gefahr
dem muͤtterlichen Koͤrper erwachſen kann. Fuͤr das Kind hin-
gegen iſt die Prognoſe im Allgemeinen immer etwas unguͤn-
ſtig, theils wegen Druck auf den Nabelſtrang bei laͤnger inne-

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[328/0352] welche eine Beſchleunigung der Geburt nothwendig machen, als z. B. Blutungen, Convulſionen, große Schwaͤche und Man- gel an Wehen, Vorfall des Nabelſtranges, oͤrtliche Krankhei- ten, wie Entzuͤndungen des Uterus u. ſ. w., ſo iſt die Her- ausbefoͤrderung des Kindes aus den muͤtterlichen Geburtsthei- leu durch die Hand des Geburtshelfers angezeigt. Contrain- dicationen fuͤr dieſe Operation geben vorzuͤglich, wie bei der Wendung, 1) eine abſolute Engigkeit des Beckens, welche das Hindurchfuͤhren des Kindes uͤberhaupt unmoͤglich macht; 2) auch derjenige Grad der Beckenengigkeit, bei welcher der Groͤße des Kindes nach vorauszuſehen iſt, daß der Kopf nur nach gemachter Enthirnung durch das Becken gefuͤhrt werden koͤnne, demungeachtet aber vom Leben des Kindes noch ſichere Zeichen vorhanden ſind. §. 1194. In wiefern man nun endlich dieſe Operation haͤufig als ganz untrennbar von der Wendung betrachter, ja ſie ſo- gar zuweilen als fuͤr die Beeudigung jeder Fuß- Knie- oder Steisgeburt ganz unentbehrlich gehalten hat, ſo muß hier nicht nur beſonders gegen dieſe Vorurtheile gewarnt, ſondern nach uͤberdieß erinnert werden, daß die Anwendung der Extraktion ohne hinreichende Indication, und in Faͤllen, wo die Natur recht gut zu Ausſtoßung des Kindes allein hingereicht haͤtte, nur allzuleicht den Tod des Kindes, wegen dabei eintreten- der ſchlechter Stellung des Kopfs, verurſachen kann. §. 1195. Die Prognoſe bei dieſer Operation, wo ſie behutſam gemacht wird, iſt fuͤr die Mutter, welche nicht einmal bedeu- tende Schmerzen davon erfahren wird, in der Regel guͤnſtig, obwohl durch rohes Verfahren, beſonders bei Anwendung der Haken zur Entwickelung des Kopfs, auch betraͤchtliche. Gefahr dem muͤtterlichen Koͤrper erwachſen kann. Fuͤr das Kind hin- gegen iſt die Prognoſe im Allgemeinen immer etwas unguͤn- ſtig, theils wegen Druck auf den Nabelſtrang bei laͤnger inne-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/352>, abgerufen am 25.04.2024.