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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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schen höchst wahrscheinlich der erste Fruchtkeim, das Ei,
nicht knospenartig vom weiblichen Körper erzeugt werde,
sondern nur erst durch die Begattung hervortrete, so ist auch
das Ei blos als solches, überhaupt kaum nachzuweisen,
sondern rasch entwickelt sich aus ihm und in ihm der erste
Keim des Menschenkörpers *), und bald lassen sich selbst deut-
licher menschliche Glieder unterscheiden; der Keim erscheint
als Centrum der Peripherie des Eies, und wir nennen es
nun unzeitige menschliche Frucht (Embryo). -- Eben aber,
daß diese ersten Perioden so rasch vorübergehen, hüllt die
Art und Weise dieser Entwickelung in tiefes Geheimniß,
welches mehr durch Betrachtung verwandter Entwickelungs-
weisen in etwas aufgeschlossen, als an und für sich selbst
(zumal bei der seltnen Gelegenheit solche Untersuchungen an-
zustellen) gänzlich entziffert werden kann.

§. 664.

Bevor wir nun die Geschichte dieser Entwickelung nach
der Ansicht, welche Zusammenstellung von den Thatsachen der
vergleichenden und menschlichen Anatomie und Physiologie
als die der Natur angemessenste annehmen läßt, aufzuzeich-
nen unternehmen, wird es zweckmäßig seyn, einige Perioden
in dieser Ausbildung zu unterscheiden, nach denen wir diese
Beschreibung ordnen, es sind folgende:

§. 665.

Als erste Periode der Entwickelung des Embryo be-
trachten wir den Zeitraum vom Eintritt des Eies in den
Uterus bis zu dem Punkte wo eins der wichtigsten Bil-
dungsorgane, der Mutterkuchen, deutlicher beobachtet wird;
d. i. der Abschnitt vom Beginnen des ersten bis zum Ende
des dritten Monats. Die zweite Periode rechnen wir
von Bildung des Mutterkuchens bis zur ersten der Mutter
fühlbaren Bewegung des Kindes, und somit bis zur Hälfte
der Schwangerschaft, oder vom Anfange des vierten bis zu
Ende des fünften Monats.


*) Wegen seiner Aehnlichkeit mit einer kleinen Made, oft Galba genannt.

ſchen hoͤchſt wahrſcheinlich der erſte Fruchtkeim, das Ei,
nicht knospenartig vom weiblichen Koͤrper erzeugt werde,
ſondern nur erſt durch die Begattung hervortrete, ſo iſt auch
das Ei blos als ſolches, uͤberhaupt kaum nachzuweiſen,
ſondern raſch entwickelt ſich aus ihm und in ihm der erſte
Keim des Menſchenkoͤrpers *), und bald laſſen ſich ſelbſt deut-
licher menſchliche Glieder unterſcheiden; der Keim erſcheint
als Centrum der Peripherie des Eies, und wir nennen es
nun unzeitige menſchliche Frucht (Embryo). — Eben aber,
daß dieſe erſten Perioden ſo raſch voruͤbergehen, huͤllt die
Art und Weiſe dieſer Entwickelung in tiefes Geheimniß,
welches mehr durch Betrachtung verwandter Entwickelungs-
weiſen in etwas aufgeſchloſſen, als an und fuͤr ſich ſelbſt
(zumal bei der ſeltnen Gelegenheit ſolche Unterſuchungen an-
zuſtellen) gaͤnzlich entziffert werden kann.

§. 664.

Bevor wir nun die Geſchichte dieſer Entwickelung nach
der Anſicht, welche Zuſammenſtellung von den Thatſachen der
vergleichenden und menſchlichen Anatomie und Phyſiologie
als die der Natur angemeſſenſte annehmen laͤßt, aufzuzeich-
nen unternehmen, wird es zweckmaͤßig ſeyn, einige Perioden
in dieſer Ausbildung zu unterſcheiden, nach denen wir dieſe
Beſchreibung ordnen, es ſind folgende:

§. 665.

Als erſte Periode der Entwickelung des Embryo be-
trachten wir den Zeitraum vom Eintritt des Eies in den
Uterus bis zu dem Punkte wo eins der wichtigſten Bil-
dungsorgane, der Mutterkuchen, deutlicher beobachtet wird;
d. i. der Abſchnitt vom Beginnen des erſten bis zum Ende
des dritten Monats. Die zweite Periode rechnen wir
von Bildung des Mutterkuchens bis zur erſten der Mutter
fuͤhlbaren Bewegung des Kindes, und ſomit bis zur Haͤlfte
der Schwangerſchaft, oder vom Anfange des vierten bis zu
Ende des fuͤnften Monats.


*) Wegen ſeiner Aehnlichkeit mit einer kleinen Made, oft Galba genannt.
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[18/0040] ſchen hoͤchſt wahrſcheinlich der erſte Fruchtkeim, das Ei, nicht knospenartig vom weiblichen Koͤrper erzeugt werde, ſondern nur erſt durch die Begattung hervortrete, ſo iſt auch das Ei blos als ſolches, uͤberhaupt kaum nachzuweiſen, ſondern raſch entwickelt ſich aus ihm und in ihm der erſte Keim des Menſchenkoͤrpers *), und bald laſſen ſich ſelbſt deut- licher menſchliche Glieder unterſcheiden; der Keim erſcheint als Centrum der Peripherie des Eies, und wir nennen es nun unzeitige menſchliche Frucht (Embryo). — Eben aber, daß dieſe erſten Perioden ſo raſch voruͤbergehen, huͤllt die Art und Weiſe dieſer Entwickelung in tiefes Geheimniß, welches mehr durch Betrachtung verwandter Entwickelungs- weiſen in etwas aufgeſchloſſen, als an und fuͤr ſich ſelbſt (zumal bei der ſeltnen Gelegenheit ſolche Unterſuchungen an- zuſtellen) gaͤnzlich entziffert werden kann. §. 664. Bevor wir nun die Geſchichte dieſer Entwickelung nach der Anſicht, welche Zuſammenſtellung von den Thatſachen der vergleichenden und menſchlichen Anatomie und Phyſiologie als die der Natur angemeſſenſte annehmen laͤßt, aufzuzeich- nen unternehmen, wird es zweckmaͤßig ſeyn, einige Perioden in dieſer Ausbildung zu unterſcheiden, nach denen wir dieſe Beſchreibung ordnen, es ſind folgende: §. 665. Als erſte Periode der Entwickelung des Embryo be- trachten wir den Zeitraum vom Eintritt des Eies in den Uterus bis zu dem Punkte wo eins der wichtigſten Bil- dungsorgane, der Mutterkuchen, deutlicher beobachtet wird; d. i. der Abſchnitt vom Beginnen des erſten bis zum Ende des dritten Monats. Die zweite Periode rechnen wir von Bildung des Mutterkuchens bis zur erſten der Mutter fuͤhlbaren Bewegung des Kindes, und ſomit bis zur Haͤlfte der Schwangerſchaft, oder vom Anfange des vierten bis zu Ende des fuͤnften Monats. *) Wegen ſeiner Aehnlichkeit mit einer kleinen Made, oft Galba genannt.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/40>, abgerufen am 19.04.2024.