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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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gar am Muttermund, geschehen kann), anheftet; auch hier-
über ist man einig, und vergleicht diese Fasern zweckmäßig
den Wurzelfasern des keimenden Samenkorns.

§. 668.

Allein welche Häute, welche Theile, verglichen mit
dem mehr entwickelten Ei sind es, die man hier vor sich
hat? -- Hierüber sind die Stimmen sehr verschieden. Fol-
gendes scheint der Natur am angemessensten. -- Das Bläs-
chen welches vom Eierstocke sich lostrennt (Graaf'sches
Bläschen oder, was wohl dasselbe ist, Osiander'sches Aus-
schlagsbläschen), ist das Grundgebild womit das Thier in der
Thierreihe anfängt (man denke an die nur eine belebte Ma-
genzelle darstellenden Infusorien, Polypen und Blasen-
würmer
) und womit es in den deutlicher zu beobachtenden
Thiereiern beginnt (man denke an den Dotter der Fisch-
Amphibien- und Vogeleier, aus welchen der Darm gebildet
wird *)). Es ist eine mit Eiweißflüssigkeit erfüllte häutige
Höhle, aus welcher der Darm entsteht, und die wir beim
Vogel, wo ihr eiweißstoffiger Saft noch mit Fett vermischt
ist, den Dottersack nennen, da sie hingegen im Säuge-
thier und Menschen, wo ihre Bedeutung eine andere ist,
nämlich nicht zugleich wie im Vogel während des ganzen
Fetuslebens als Chylusbehälter zu dienen, mit dem Namen
der Nabelblase (Vesicula umbilicalis) **) bezeichnet wird.


*) S. den letzten Abschnitt in meinem Lehrbuche der Zootomie.
**) Das Nabelbläschen wird auch von Döllinger (Meckels Archiv
II. Bd. S. 401. als eins mit dem Graaf'schen Bläschen betrachtet.
Doch scheinen mir die übrigen an jenem Orte dargelegten Annah-
men dieses trefflichen Physiologen über die Bildung des Embryo's
allzuwillkührlich. Daß übrigens der Dottersack und die Nabelblase
wirklich Uranfang des Darmkanals ist, das läßt sich besonders bei
Salamanderlarven mit unwiderleglicher Deutlichkeit darthun (s.
Zeitschrift für Natur und Heilkunde herausgegeben v. d. chir. med.
Akademie zu Dresden I. Bd. I. Heft S. 138.); eben so ist es
beim Vogel anerkannt und für Säugethiere von Bojanus zu-
erst entschieden nachgewiesen worden (Meckel's Archiv f. Phys[.]
IV. Bd. I. Heft.).

gar am Muttermund, geſchehen kann), anheftet; auch hier-
uͤber iſt man einig, und vergleicht dieſe Faſern zweckmaͤßig
den Wurzelfaſern des keimenden Samenkorns.

§. 668.

Allein welche Haͤute, welche Theile, verglichen mit
dem mehr entwickelten Ei ſind es, die man hier vor ſich
hat? — Hieruͤber ſind die Stimmen ſehr verſchieden. Fol-
gendes ſcheint der Natur am angemeſſenſten. — Das Blaͤs-
chen welches vom Eierſtocke ſich lostrennt (Graaf’ſches
Blaͤschen oder, was wohl daſſelbe iſt, Oſiander’ſches Aus-
ſchlagsblaͤschen), iſt das Grundgebild womit das Thier in der
Thierreihe anfaͤngt (man denke an die nur eine belebte Ma-
genzelle darſtellenden Infuſorien, Polypen und Blaſen-
wuͤrmer
) und womit es in den deutlicher zu beobachtenden
Thiereiern beginnt (man denke an den Dotter der Fiſch-
Amphibien- und Vogeleier, aus welchen der Darm gebildet
wird *)). Es iſt eine mit Eiweißfluͤſſigkeit erfuͤllte haͤutige
Hoͤhle, aus welcher der Darm entſteht, und die wir beim
Vogel, wo ihr eiweißſtoffiger Saft noch mit Fett vermiſcht
iſt, den Dotterſack nennen, da ſie hingegen im Saͤuge-
thier und Menſchen, wo ihre Bedeutung eine andere iſt,
naͤmlich nicht zugleich wie im Vogel waͤhrend des ganzen
Fetuslebens als Chylusbehaͤlter zu dienen, mit dem Namen
der Nabelblaſe (Vesicula umbilicalis) **) bezeichnet wird.


*) S. den letzten Abſchnitt in meinem Lehrbuche der Zootomie.
**) Das Nabelblaͤschen wird auch von Doͤllinger (Meckels Archiv
II. Bd. S. 401. als eins mit dem Graaf’ſchen Blaͤschen betrachtet.
Doch ſcheinen mir die uͤbrigen an jenem Orte dargelegten Annah-
men dieſes trefflichen Phyſiologen uͤber die Bildung des Embryo’s
allzuwillkuͤhrlich. Daß uͤbrigens der Dotterſack und die Nabelblaſe
wirklich Uranfang des Darmkanals iſt, das laͤßt ſich beſonders bei
Salamanderlarven mit unwiderleglicher Deutlichkeit darthun (ſ.
Zeitſchrift fuͤr Natur und Heilkunde herausgegeben v. d. chir. med.
Akademie zu Dresden I. Bd. I. Heft S. 138.); eben ſo iſt es
beim Vogel anerkannt und fuͤr Saͤugethiere von Bojanus zu-
erſt entſchieden nachgewieſen worden (Meckel’s Archiv f. Phyſ[.]
IV. Bd. I. Heft.).
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[20/0042] gar am Muttermund, geſchehen kann), anheftet; auch hier- uͤber iſt man einig, und vergleicht dieſe Faſern zweckmaͤßig den Wurzelfaſern des keimenden Samenkorns. §. 668. Allein welche Haͤute, welche Theile, verglichen mit dem mehr entwickelten Ei ſind es, die man hier vor ſich hat? — Hieruͤber ſind die Stimmen ſehr verſchieden. Fol- gendes ſcheint der Natur am angemeſſenſten. — Das Blaͤs- chen welches vom Eierſtocke ſich lostrennt (Graaf’ſches Blaͤschen oder, was wohl daſſelbe iſt, Oſiander’ſches Aus- ſchlagsblaͤschen), iſt das Grundgebild womit das Thier in der Thierreihe anfaͤngt (man denke an die nur eine belebte Ma- genzelle darſtellenden Infuſorien, Polypen und Blaſen- wuͤrmer) und womit es in den deutlicher zu beobachtenden Thiereiern beginnt (man denke an den Dotter der Fiſch- Amphibien- und Vogeleier, aus welchen der Darm gebildet wird *)). Es iſt eine mit Eiweißfluͤſſigkeit erfuͤllte haͤutige Hoͤhle, aus welcher der Darm entſteht, und die wir beim Vogel, wo ihr eiweißſtoffiger Saft noch mit Fett vermiſcht iſt, den Dotterſack nennen, da ſie hingegen im Saͤuge- thier und Menſchen, wo ihre Bedeutung eine andere iſt, naͤmlich nicht zugleich wie im Vogel waͤhrend des ganzen Fetuslebens als Chylusbehaͤlter zu dienen, mit dem Namen der Nabelblaſe (Vesicula umbilicalis) **) bezeichnet wird. *) S. den letzten Abſchnitt in meinem Lehrbuche der Zootomie. **) Das Nabelblaͤschen wird auch von Doͤllinger (Meckels Archiv II. Bd. S. 401. als eins mit dem Graaf’ſchen Blaͤschen betrachtet. Doch ſcheinen mir die uͤbrigen an jenem Orte dargelegten Annah- men dieſes trefflichen Phyſiologen uͤber die Bildung des Embryo’s allzuwillkuͤhrlich. Daß uͤbrigens der Dotterſack und die Nabelblaſe wirklich Uranfang des Darmkanals iſt, das laͤßt ſich beſonders bei Salamanderlarven mit unwiderleglicher Deutlichkeit darthun (ſ. Zeitſchrift fuͤr Natur und Heilkunde herausgegeben v. d. chir. med. Akademie zu Dresden I. Bd. I. Heft S. 138.); eben ſo iſt es beim Vogel anerkannt und fuͤr Saͤugethiere von Bojanus zu- erſt entſchieden nachgewieſen worden (Meckel’s Archiv f. Phyſ. IV. Bd. I. Heft.).

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/42>, abgerufen am 28.03.2024.